Bis weit in die 1960er-Jahre hielt Volkswagen am Käfer fest. Mehrere Projekte, einen Nachfolger zu entwickeln, scheiterten. Mit dem Kauf der Auto Union, der Übernahme von NSU baute Volkswagen und neuen Werken in Emden sowie Salzgitter baute Volkswagen stattdessen seine Fertigungskapazitäten aus, um noch mehr Käfer bauen zu können. Das war notwendig, da die Konstruktion des VW Typ 1 auf den 1930er-Jahren stammte. Deshalb prägte die Produktion zahlreiche manuelle Fertigungsschritte. Das drückte die Marge pro Auto. Denn Volkswagen fertigte pro Mitarbeiter und Jahr deutlich weniger Autos als die Konkurrenz. Um Geld zu verdienen, war Volkswagen zwingend darauf angewiesen, die Wettbewerber bei den Stückzahlen zu übertrumpfen.
Anfang der 1970er-Jahre schrieb Volkswagen rote Zahlen!
Doch im Rückblick erwies sich die Übernahme der Auto Union und deren anschließende Fusion mit NSU als Glücksfall für das Unternehmen. Dort entstand mit dem Audi 80 das erste moderne wassergekühlte Auto des Konzerns. Der VW K70 stammte von NSU und erblickte dort das Licht der Welt. Vom 1972 vorgestellten Audi 80 leitete Volkswagen ein Jahr später den intern zunächst VW 400 genannten VW Passat ab. Der Nachfolger des VW Typ 4 von 1968 machte die Wasserkühlung auch in Wolfsburg salonfähig. Trotzdem wartete 1974 beim Debüt niemand auf den neuen VW Golf, der endlich den Käfer ablösen sollte. Kurzum, die Vorzeichen für den Golf waren nicht einfach.
Doch Volkswagen setzte den neuen Golf geschickt in Szene. Damit kommt Fritz B. Busch ins Spiel. Der Journalist hatte es mit einer Serie „Für Männer, die Pfeife rauchen“ in der Autozeitschrift „Auto, Motor und Sport“ zu einer großen Bekanntheit gebracht. Als (freier) Mitarbeiter der damals beliebten Wochenzeitschrift STERN baute Busch diese noch aus. Denn vor fünf Jahrzehnten waren Zeitungen und Zeitschriften, das mag sich manch Jugendlicher heute gar nicht mehr vorstellen, echte Meinungsführer. Sie waren die „Influencer“ dieser im Rückblick fast unschuldig wirkenden Zeit. Busch, der neben seiner Autoleidenschaft auch über eine oft satirische Schreibe verfügte, war ein Star seiner Branche.
Von Alaska nach Feuerland – 30.514 Kilometer in 94 Tagen!
Das machte Busch zum geeigneten Protagonisten für eine Fahrt von Alaska nach Feuerland – in einem weitestgehend serienmäßigen VW Golf der ersten Stunde wohlgemerkt. Denn die beiden identischen VW Golf mit einem 1,5 Liter großen und 70 PS starken Vierzylinder-Motor liefen im Juli 1974 vom Band. Abgesehen von einem Unterfahrschutz für Motor, Ölwanne und Getriebe sowie Nebelleuchten und Halogen-Zusatzscheinwerfern blieben sie anschließend nahezu unverändert. Zur Sonderausstattung gehörten außerdem ein Radio „Emden“, ein Drehzahlmesser und ein Öldruckmesser von VDO. Die serienmäßige Rückbank wurde entfernte, um Laderaum für Ersatzteile und Verpflegung zu schaffen.
Los ging der Roadtrip im Oktober 1974 in Fairbanks, Alaska. Durch den Yellowstone-Park, über den Großen Salzsee und durch das Tal des Todes führte die Route immer in Richtung Süden. Auf ihrem Weg durchquerten die beiden Golf fast alle Staaten Mittelamerikas. In den Anden bewältigten sie Passüberfahrten, die sie bis auf eine Höhe von 4.800 Metern über dem Meeresspiegel führten. Nach 94 Tagen Fahrt erreichten sie im Januar 1975 das Ziel im chilenischen Ushuaia auf Feuerland. Bis auf Kleinigkeiten hatten die beiden Golf – sowie der als Begleitfahrzeug eingesetzte T2b – alle Strapazen auf der Tour von Alaska nach Feuerland gut überstanden.
Henri Nannen schmiß Busch nach der Reise von Alaska nach Feuerland raus!
Auf dem Weg gab es zwar einige Beulen, abgerissene Zierleisten und zerstörte Scheinwerfer. Doch das hielt Busch und seine Begleiter nicht auf. Selbst der in den Anden aufgerissene Tank eines Golfs konnte auf dem Weg repariert werden. Fritz B. Busch und Frank Müller-May verarbeiteten die Fahrt im lesenswerten Reisebericht „Der große Test. Mit dem Auto von Alaska nach Feuerland.“ STERN-Herausgeber Henri Nannen war von der Reise seines Autoren übrigens weniger begeistert. Denn Busch hatte diese nicht dem STERN angeboten. Nannen kündigte den Vertrag mit Busch. Doch der STERN-Konkurrent QUICK nahm den Autoren sofort – der Legende nach – für die doppelte Gage unter Vertrag. Busch war also auch geschäftstüchtig.
Mit der Fahrt von Alaska nach Feuerland widerlegte Busch zahlreiche Vorurteile gegen die neue Fahrzeuggeneration aus Wolfsburg. Denn es gab auch 1974 immer noch Autofahrer, die – nicht nur aufgrund ihrer Erfahrungen als ehemaliges Mitglied des Deutschen Afrika-Korps – der Meinung waren, dass nur Luftkühlung, Heckmotor und Hinterradantrieb ein Durchkommen in jeder Lebenslage sicherstellen. Deshalb spielte die Tour von Alaska nach Feuerland eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen Markteinführung des Golfs. Bei Fahrzeuge sind übrigens erhalten. Ein Exemplar (WOB-V 587) stand lange in Wolfegg im Allgäu im (heute geschlossenen) „Automuseum Busch“. Der andere Golf (WOB-V 645) gehört zur Sammlung der Stiftung AutoMuseum Volkswagen in Wolfsburg.
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