Rennsport-Geschichten

6. Oktober 1973 – François Cevert verunglückt in Watkins Glen

1973 war Sex noch sicher und Motorsport gefährlich. Eine Binsenweisheit – aber richtig ist, damals bezahlten regelmäßig Piloten ihre Leidenschaft für den Motorsport mit ihrem Leben. Heute vor 40 Jahren traf es den Franzosen François Cevert.

François Cevert 1973 am Nürburgring (Foto: Raimund Kommer)

Die Leidenschaft für Autorennen ist oft nicht zu erklären. Doch wenn sie zuschlägt, dann ist es um den Betroffenen geschehen. Er kann sich fortan der Macht des schnellen Fahrens und der Magie der Zweikämpfe auf der Strecke nicht mehr entziehen. Und wer kann, der strebt irgendwann selbst auf die Strecke. Der 1944 geborene François Cevert ist dem Motorsport bereits als Kind verfallen. Schon als Teenager fuhr Cevert regelmäßig die Autos seines wohlhabenden Vaters Charles Goldenberg, der in Paris ein bekanntes Juwelier-Geschäft betrieb. Zusammen mit dem Freund seiner jüngeren Schwester Jacqueline, dem späteren Formel-1-Piloten Jean-Pierre Beltoise, nahm Cevert mit 18 Jahren zunächst an Motorradrennen teil.

Ein Jahr später kaufte sich Cevert einen Lotus-Seven, aber der Einfluss des Vaters verhinderte die Teilnahme an Rennen. Doch nach dem Militätdienst, den Cevert im deutschen Weingarten ableistete, gab es kein Zurück mehr. Cevert besuchte zunächst in Le Mans und dann anschließend an der legendären L’Ecole de Pilotage Winfield in Magny-Cours Kurse, um das schnelle Autofahren zu erlernen. Die Lehrgangsgebühr verdiente sich Cevert als Vertreter, denn der Vater war immer noch nicht bereit, das genauso gefährliche wie teure Hobby des Sohns zu finanzieren. Zum Lizenzlehrgang der L’Ecole de Pilotage Winfield gehörte traditionell ein Abschlussrennen. Dessen Sieger durfte auf Kosten von Shell ein Jahr in der französischen Formel 3 antreten.

Das erste Jahr als Rennfahrer war schwierig

François Cevert gewann, setzte sich knapp gegen Patrick Depailler durch, und war so semiprofessioneller Rennfahrer. 1967 trat der Nachwuchspilot im Rennteam der École Pilotage Winfield an. Das Team setzte einen Formel 3 von Alpine ein. In der zeitgenössischen Literatur hieß dieser Rennwagen Alpine A310,. Da es später einen Straßensportwagen mit diesem Namen gab, findet sich heute in der Literatur oft auch die Bezeichnung Alpine T27. Da sich Alpine zu dieser Zeit vor allem um die Entwicklung des A210, einem Gruppe 6-Sportwagen kümmerte, waren Erfolge kaum möglich. Denn der T27 litt an Übergewicht und schwachen Motoren. Gegen das Matra-Werksteam mit den Fahrern Henri Pescarolo und Jean-Pierre Jaussaud, die die Meisterschaft dominierten, war kein Kraut gewachsen. François Cevert feierte mit einigen vierten und fünften Plätzen allenfalls Achtungserfolge.

Trotzdem setzte Cevert seine Karriere als Rennfahrer auch fort, als die Förderung durch Shell nach einer Saison auslief. Wobei bei der Fortsetzung der Karriere die Herkunft half. Denn mit dem französischen Feuerlöscherhersteller Sicli, dessen Inhaber ein Nachbar seiner Eltern war, fand Cevert einen neuen Sponsor. Dies ermöglichte es, als Privatfahrer weiter in der französischen Formel 3 anzutreten. Cevert bestellte ein Chassis beim italienischen Hersteller Tecno und Motoren bei Cosworth. Das war 1968 eine schlagkräftige Kombination, denn schon beim ersten Einsatz konnte Cevert gewinnen. Am Ende der Saison folgte die Meisterschaft, die Cevert im Zweikampf mit Matra-Werksfahrer Jean-Pierre Jabouille für sich entschied.

Das private Formel 3-Projekt des Nachwuchsfahrers sorgte auch abseits der Strecke für viel Aufsehen. Denn zu den Freunden von François Cervert gehörten Filmstars wie Brigitte Bardot und Françoise Hardy. Weshalb die Boulevard-Medien die Karriere des Nachwuchspiloten praktisch von Anfang an verfolgten. François Cevert war fortan regelmäßig „Gast“ in den Schlagzeilen der Illustrierten. Wobei sicher auch half, dass Cevert selbst gut aussah. Jo Schlesser soll deshalb einmal nach dem Apotheker des Nachwuchspilotens gefragt haben: „Er soll mir auch die Tabletten geben, die so blaue Augen machen, damit ich die gleiche Wirkung bei den Mädchen erziele wie Du.“

Schneller Aufstieg in die Formel 2 und Formel 1

Nach dem Meisterschaftstitel in der französischen Formel 3 stieg François Cevert in die Formel 2 auf. Als Werksfahrer für Tecno bestritt Cevert die Formel 2 Europameisterschaft sowie – wie damals üblich – Rennen ohne Meisterschaftsstatus. Im Sommer 1969 gewann Cevert auch in der Formel 2 erstmals. Wobei das Rennen in Reims nicht zur Europameisterschaft zählte. Trotzdem traten mit Jackie Stewart, Jochen Rindt und Graham Hill zahlreiche Größen des Motorsports auch bei diesem Formel 2-Rennen an. Cevert besiegte sie und faszinierte besonders Jackie Stewart mit einem atemberaubenden Überholmanöver kurz vor Schluss.

Denn Cevert überholte Stewart auf der Außenbahn und fuhr sich mit dieser Leistung ins Notizbuch von Ken Tyrrell. Das war vor 40 Jahren ein sicherer Platz, um im Motorsport wirklich Karriere zu machen. Denn der Inhaber einer Holzhandlung und Teamchef eines Formel 1-Teams hatte immer ein wachsames Auge für die besonderen Talente. Als sich knapp ein Jahr später Tyrrell-Stammfahrer Johnny Servoz-Gavin nach einem Freizeitunfall mit einem offenen Geländewagen seine Karriere nicht fortsetzen konnte, verpflichtet Tyrrell als „Ersatz“ François Cevert. Der Franzose darf so im Juni 1970 – nach nur drei Jahren im Motorsport – in Zandvoort sein Debüt in der Königsklasse feiern.

Jackie Stewart wird der Lehrmeister von François Cevert

Die Saison 1970 wurde ein Lehrjahr. Das Tyrrell-Team trat nach der Trennung von Matra mit gekauften Chassis von March an. Denn das Team, das im Vorjahr neben der Konstrukteurswertung mit Jackie Stewart auch den Fahrer-Titel gewann, wollte weiter Motoren von Cosworth einsetzen. Geldgeber und Chassis-Lieferant Matra sah dagegen den Einsatz des neuen eigenen V12 vor. Es kam im Winter 1969/70 zum Bruch und Ken Tyrrell orderte als Weltmeister seine Fahrzeuge für die Saison 1970 bei March. Doch mit dem March 701 konnte selbst Weltmeister Stewart nur ein Rennen gewinnen. Dafür widmete sich Stewart der „Ausbildung“ des Nachwuchspiloten und half Cevert von Anfang an mit Tipps und Tricks. Darüber entwickelte sich zwischen den Teamkollegen bald eine enge Freundschaft.

Auch 1971 ging François Cevert für Tyrrell in der Formel 1 an den Start. Der Pilot aus Paris rechtfertigte das Vertrauen, siegte beim Großen Preis der USA in Watkins Glen erstmals auch in der Königsklasse des Motorsports. Zudem fuhr Cevert bis zum Jahresende auf den dritten Platz der Weltmeisterschaftswertung vor. Ein jähr später lief es weniger gut. Denn Tyrrell, wo seit 1971 eigene Chassis zum Einsatz kamen, fiel hinter Lotus zurück. Der sechste Platz in der WM-Wertung 1972 führte bei Cevert zu Selbstzweifeln. Sie verflogen erst, als Cevert 1973 regelmäßig aufs Podest fuhr. Alle wussten, dass die Saison 1973 die letzte als Juniorpartner Jackie Stewarts sein würde. Denn der Schotte informierte sein Team und seinen Teamkollegen schon früh über den am Saisonende geplanten Rücktritt am Saisonende.

Doch Ken Tyrrell war sich sicher, mit François Cevert den kommenden Weltmeister schon verpflichtet zu haben. Nach dem Rücktritt von Jackie Stewart sollte der Franzose die Tyrrell Racing Organisation als Pilot Nummer eins führen. Doch das Schicksal verhinderte diesen Plan am 6. Oktober 1973! Beim Saisonfinale verlor François Cevert im Training zum Großen Preis der USA die Kontrolle über seinen Tyrrell-Ford. Nach einem Dreher überschlug sich der Rennwagen mehrfach. Kopfüber rutschte der von Cevert pilotierte Tyrrell 006 an der Leitplanke entlang. Diese riß das Chassis an der Seite auf. François Cevert hatte wohl keine Chance, diesen Crash zu überleben. Der Franzose verstarb im Cockpit, die Leidenschaft hatte einen besonderen französischen Rennfahrer aufgefressen.

François Cevert – die Karriere im Überblick

  • * 25. Februar 1944 in Paris; † 6. Oktober 1973 in Watkins Glen, New York, USA
  • Motorsport ab 1967 – Start in der französischen Formel 3 Meisterschaft
  • 1968 französischer Formel 3 Meister, fünf Siege
  • 1969 Formel 2 Europameisterschaft mit Tecno, Platz drei, Sieg in Reims
  • 1970 Formel 1 mit Tyrrell – 1 Punkt – Platz 22
    Außerdem Platz sechs in der Formel 2 Europameisterschaft mit Tecno
  • 1971 Formel 1 mit Tyrrell – 26 Punkte – Platz drei, Sieg beim Großen Preis der USA in Watkins Glen
  • 1972 Formel 1 mit Tyrrell – 15 Punkte – Platz sechs
    Außerdem Platz zwei bei den 24 Stunden von Le Mans im Matra-Simca MS670
  • 1973 Formel 1 mit Tyrrell – 47 Punkte – Platz vier

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
François Cevert 1973 am Nürburgring

Foto: Raimund Kommer

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!