Vor 80 Jahren kämpfen Auto Union und Mercedes-Benz auf der Autobahn um Geschwindigkeitsrekorde. Am Ende stehen eine Tragödie und eine Rekordmarke, die bis heute Bestand hat.
1936 duellieren sich Auto Union und Mercedes-Benz mit ihren Silberpfeilen auf den Rennstrecken der Welt. Nach dem Ende der Grand Prix Saison setzen sie ihren Wettkampf mit der Jagd auf Geschwindigkeitsrekorde fort. Regelmäßig treten beide Unternehmen zu neuen Rekordfahrten an. Denn die Verantwortlichen wissen, dass die Geschwindigkeitsrekorde das Publikum seit den Anfangstagen des Automobils faszinieren.
Schon 1889 knackt Camille Jenatzy die Marke von 100 Kilometern pro Stunde. Mit einem Elektroauto übrigens, damit hier nie wieder jemand von einer jungen Technologie spricht. Sieben Jahre später schraubt Fred Marriott die Rekordmarke mit einem Dampfwagen auf mehr als 200 Kilometer pro Stunde hinauf. Der Geschwindigkeitsweltrekord hält, bis 1911 Bob Burman mit dem Blitzen-Benz einen Ottomotor auf 228 Kilometer pro Stunde beschleunigt.
Der Erste Weltkrieg und die schwierige Nachkriegszeit unterbrachen die Rekordjagd. Erst 1928 schraubt Fritz von Opel mit seinem Raketenwagen Opel RAK2 auf der Berliner Avus den Rekord auf 238 Kilometer pro Stunde hinauf. Doch in den kommenden Jahren nimmt die Kraftfahrzeugtechnik eine rasante Entwicklung. Die Rekordmarken schnellen in immer kürzerer Folge nach oben.
Anfang der 1930er-Jahre steigen die Geschwindigkeiten rapide
Anfang der 1930er-Jahre sind Rennwagen noch Fahrzeuge wie der 150 PS starke Alfa Romeo 8C 2300. Dann beginnt ein Wettrüsten. Die Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus (AIACR – heute FIA) legt daher zur Grand Prix Saison 1934 ein Maximalgewicht von 750 Kilogramm fest. Das soll leichtere und leistungsschwächere Fahrzeuge als die bisherigen erzwingen.
Doch die Konstrukteure entdecken den Kompressor für sich und schrauben damit die Leistung der Rennwagen deutlich nach oben. Der vier Liter große Achtzylinder-Motor des Mercedes-Benz W 25 verfügt dank Kompressor bereits über rund 400 PS. Mercedes-Benz dominiert damit die Grand Prix Saison 1935, Rudolf Caracciola gewinnt mit dem W25 den Europa-Meister-Titel.
Ein Jahr später verliert Mercedes-Benz den Titel an die Auto Union. Ferdinand Porsche, Karl Rabe (Fahrwerk) und Josef Kales (Motor) stellen für die Sachsen mit dem Typ C einen noch stärkeren Rennwagen auf die Räder. Dessen sechs Liter großer V16 leistet 1936 bereits rund 600 PS. Mit Bernd Rosemeyer fährt der Europameister 1936 für die Auto Union.
Mercedes-Benz nimmt den Geschwindigkeitsweltrekord ins Visier
Mercedes will sich mit der Jagd nach Geschwindigkeitsweltrekord „revanchieren“. Die Ingenieure leiten vom W25 ein spezielles Rekordfahrzeug mit Stromlinienkarosserie und vollverkleideten Rädern ab. Den Reihenachtzylinder des Grand Prix Rennwagens ersetzen die Techniker durch einen flacheren V12 mit 5,5 Liter Hubraum. Dank eines Kompressors leistet der Motor bereits im Oktober 1936 mindestens 570 PS.
Auf der Autobahn Frankfurt-Heidelberg, der heutigen A5, setzt Rudolf Caracciola im Oktober 1936 ein erstes Ausrufezeichen. Als Rekord für die fliegende Meile werden 366,9 Kilometer pro Stunde notiert. Den fliegenden Kilometer bewältigt der Mercedes mit einem Tempo von 364,38 Kilometern pro Stunde. Es sind die Mittelwerte aus zwei Fahrten in unterschiedlichen Richtungen. Die tatsächliche Geschwindigkeit liegt höher.
Tatsächlich erzielt Caracciola eine Spitzengeschwindigkeit von 372,102 Kilometern pro Stunde. Zusammen mit weiteren Rekordfahrten im November verbessert Caracciola im Herbst 1936 insgesamt fünf bestehende internationale Klassenrekorde. Dazu sichert sich Caracciola einen Geschwindigkeitsweltrekord. Über zehn Meilen mit fliegendem Start ist Caracciola 333,489 Kilometer pro Stunde schnell.
Es ist der Auftakt zu einem neuen Wettrüsten!
Denn auch die Auto Union tritt bald mit eigenen Rekordfahrzeugen auf der Autobahn an. Im Oktober 1937 fährt Bernd Rosemeyer auf der Autobahn Frankfurt-Darmstadt als erster Mensch auf einer öffentlichen Straße mehr als 400 km/h schnell. Rosemeyers 406,32 km/h über den fliegenden Kilometer sind ein neuer Geschwindigkeitsweltrekord. Und nebenbei ein eindrucksvoller Beleg dafür, welche Sprünge damals möglich sind.
Mercedes-Benz kontert mit dem W125 Stromlinie. Auch dieser Bolide stammt wieder vom aktuellen Grand Prix Rennwagen ab. Wie schon beim Vorgänger kommt im Stromlinien-Fahrzeug ein V12 statt eines Reihen-Achtzylinders zum Einsatz. Der V12 baut flacher und ist aerodynamisch günstiger. Doch bei Testfahrten hebt sich der Vorderwagen des W125 bei hohem Tempo leicht an. Mercedes-Benz entwickelt daher eine neue Karosserie, um den Geschwindigkeitsweltrekord anzugreifen.
Finale im Januar 1938
Der konventionelle Kühler des V12 weicht einer Eiskühlung. Damit können die Techniker auf Karosserieöffnungen verzichten. So sinkt der cw-Wert auf 0,157. Dank zusätzlicher Vergaser steigt die Motorleistung auf mehr als 730 PS an. Im Januar 1938 schlagen Mercedes-Benz und Rudolf Caracciola zurück. Am 28. Januar 1938 legt Caracciola den fliegenden Kilometer mit einem Mittel von 432,7 Kilometern pro Stunde zurück. Auf einer Strecke ist Caracciola sogar 436,893 Kilometer pro Stunde schnell.
Damit schraubt Mercedes-Benz den Geschwindigkeitsweltrekord in dieser Kategorie gleich um 26 Kilometer pro Stunde nach oben. Beim Versuch am gleichen Tag zu kontern und den Geschwindigkeitsweltrekord zurückzuholen, verunglückt Bernd Rosemeyer tödlich. Der Unfall beendet die Rekordjagd. Dadurch bleiben die für Caracciola gemessenen 436,893 Kilometer pro Stunde bis heute die höchste je auf einer öffentlichen Straße gemessene Geschwindigkeit.