Rennsport-Geschichten

Zum Tode von John Surtees – Big John auf zwei und vier Rädern

John Surtees starb gestern im Alter von 83 Jahren eine absolute Motorsportlegende. Denn nach sieben WM-Titeln in der Motorrad-Weltmeisterschaft fuhr der Brite 1964 auch in der Formel-1-Weltmeisterschaft zum Titel.

Der Wechsel vom Motorrad ins Auto ist im Motorsport nichts ungewöhnliches. Bernd Rosemeyer fuhr zunächst Grasbahn-Rennen, um 1936 bei Auto Union zum Grand-Prix-Europameister aufzusteigen. Mike Hailwood sicherte sich neun WM-Titel (1961 – 1967) auf zwei Rädern und gewann die 1972 Formel-2-Europameisterschaft. Johnny Cecotto holte 1975 mit dem Motorrad einen WM-Titel, wechselte ins Auto und stieg nach Siegen in der Formel 2 bis in die Formel 1 auf. Auch die Motorrad-Weltmeister Giacomo Agostini und Rolf Biland versuchten sich im Auto. Zuletzt testeten Valentino Rossi (Ferrari) und Jorge Lorenzo (AMG-Mercedes) Formel-1-Boliden und machten dabei keine schlechte Figur. Doch nur John Surtees schaffte es in beiden Sportarten bis ganz an die Spitze!

Auf dem Motorrad war Big John fast unschlagbar!

Bereits im Alter von 14 Jahren bestritt John Surtees sein erstes Motorrad-Rennen. Als Schmiermaxe im Beiwagen seines Vaters, einem Motorrad-Händler aus London, gewann Surtees bereits das erste Rennen. Es folgte die Disqualifikation, weil der Beifahrer zu jung war. Doch das konnte Surtees nicht aufhalten. Schon mit 17 machte Surtees als Pilot auf sich Aufmerksam. Bei einem Rennen in Thruxton duellierte sich der Nachwuchsfahrer mit WM-Star Geoff Duke.

Kein Wunder, dass John Surtees nur ein Jahr später ebenfalls zum WM-Piloten aufstieg. Bereits beim Debüt in der Motorrad-Weltmeisterschaft fuhr der 18-Jährige in der Königsklasse bis 500 ccm auf einen hervorragenden sechsten Platz. Trotz des Erfolgs konzentrierte sich Surtees zunächst auf seine Ausbildung. Seit 1950 absolvierte der Brite eine Lehre als Techniker beim Motorrad-Hersteller The Vincent H. R. D. Company Ltd./Stevenage, trat jedoch auf der britischen Insel regelmäßig weiter bei Rennen an.

John Surtees nach dem Gewinn der Durch TT in Assen, 1960
John Surtees nach dem Gewinn der Durch TT in Assen, 1960- Foto: Nationaal Archief, Den Haag

1953 zwingt ein gebrochenes Handgelenk John Surtees zu einer Pause. Die Verletzung verhindert einen Vertrag mit Norton. Doch 20 Siege in 35 Rennen, dazu neun Rundenrekord und drei schnellste Runden, alles eingefahren innerhalb nur einer Saison dokumentieren das Talent des Piloten. Ab 1955 startet John Surtees regelmäßig in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Surtees sichert sich beim Ulster Grand Prix seinen ersten Sieg in der WM. Die NSU Sportmax hat der ehemalige Arbeitgeber Vincent bezahlt.

1956 wird Surtees Profi bei MV Agusta. In der Klasse bis 500ccm gewinnt der Brite bereits das erste Saisonrennen. Am Jahresende ist John Surtees Weltmeister der Königsklasse der Motorrad-Fahrer. Ein gebrochener Arm verhindert die sofortige Titelverteidigung. Doch ab 1958 gibt es kein Halten mehr. Surtees dominiert von 1958 bis 1960 den Motorradsport fast nach Belieben. Von 39 Motorrad-Rennen, an denen Surtees in dieser Zeit teilnimmt, gewinnt der Brite stolze 32!

1960 wechselt John Surtees ins Auto

Der Lohn sind die Titel 1958 bis 1960 in den Klassen bis 350 und bis 500 ccm. “Nebenbei” sieht Surtees als erster Motorradfahrer dreimal hintereinander auf der Isle of Man die Senior TT. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderungen wechselt Surtees mit 26 Jahren ins Auto. Auch mit vier Rädern beweist der sofort Brite Talent. Bereits im ersten Auto-Rennen, das Surtees in der Formel Junior bestreitet, gelingt ihm ein zweiter Platz – geschlagen nur vom Schotten Jim Clark.

Noch im gleichen Jahr feiert John Surtees beim Großen Preis von Monaco, übrigens als amtierender Motorrad-Weltmeister der Klassen bis 350 und 500 ccm, sein Formel-1-Debüt. Surtees qualifiziert seinen Lotus auf Platz 15, während etablierte Piloten wie der Amerikaner Masten Gregory an der Qualifikationshürde scheiterten. Nach 17 Runden muss Surtees seinen Lotus mit einem Antriebsproblem abstellen. Doch bereits beim zweiten Formel-1-Einsatz wird Surtees im britischen Silverstone Zweiter, sichert sich in seinem dritten Formel-1-Rennen schon die Pole Position.

John Surtees arbeite 1964 an seinem Ferrari
John Surtees arbeite 1964 an seinem Ferrari – Pot, Harry / Anefo

Nach zwei Jahren in der Formel 1, in denen Surtees für die Teams von John Cooper und Reg Parnell fuhr, wechselt der Brite 1963 zu Ferrari. Nach den Jahren bei MV Agusta ist das auch eine Rückkehr. Denn die italienischen Fans verehren Big John längst wie einen Heiligen. John Surtees gewinnt im August 1963 beim Großen Preis von Deutschland mit Ferrari seinen ersten Formel-1-Grand-Prix. Auf der Nordschleife distanziert Surtees Ausnahmekönner Jim Clark, der nur bei diesem Formel-1-Rennen Zweiter wurde, um 1:17,5 Minuten!

1964 folgt im Ferrari der Titel des Formel-1-Weltmeisters!

Dieser Titelgewinn macht die Karriere von John Surtees einzigartig. Als bisher einziger Mensch fährt der Brite in der Königsklasse des Autos und des Motorrads zum WM-Titel. Weitere WM-Titel im Auto verhindern ein Unfall 1965 in Mosport, wo Surtess lebensgefährliche Verletzungen erlitt, und der Abschied bei Ferrari. 1966 – im ersten Jahr der neuen Drei-Liter-Motoren in der Formel 1 – kommt es in Le Mans zum Bruch zwischen Team und Fahrer.

Bei den 24 Stunden von Le Mans setzt Ferrari-Teammanager Eugenio Dragoni nicht wie vereinbart den schnellen Briten Mike Parkes zu John Surtees in Auto. Stattdessen soll sich Surtees das Cockpit des Ferrari 330 P3 mit dem italienischen Herrenfahrer Ludovico Scarfiotti teilen. Surtees verweigert empört und verläßt Ferrari, um noch im gleichen Jahr in der Formel 1 für Cooper-Maserati zu starten. Am Ende des Jahres wird Surtees hinter Jack Brabham Zweiter der Formel 1 Fahrerweltmeisterschaft.

Vom Fahrer zum Konstrukteur

Gut möglich, dass Surtees im Ferrari seinem zweiten F1-WM-Titel gewonnen hätte. In den nächsten Jahren fährt Surtees in der Formel 1 für Honda und BRM, sichert sich zudem mit einem Lola T70 den Titel der CanAm-Serie. 1969 gründet der Brite schließlich ein eigenes Team, tritt zunächst in der Formel 5000 an. Denn John Surtees war – schon zu seiner aktiven Zeit – stets mehr als einfach nur Rennfahrer. Bereits bei Honda nahm der Brite Einfluss auf die Konstruktion des Rennwagens.

John Surtees 1964 beim Großen Preis der Niederland im Ferrari 158
John Surtees 1964 beim Großen Preis der Niederlande im Ferrari 158 – Foto: Pot, Harry / Anefo / Nationaal Archief, Den Haag

Nach dem Titelgewinn in der Formel 5000 wechselt das Team Surtees in die Formel 1. Jetzt ist Surtees auch in der Königsklasse des Motorsports als Konstrukteur, Teammanager und Fahrer in Personalunion unterwegs. Daneben baut der Brite auch Fahrzeuge für die Formel 2 und die Formel 5000, denn mit Kundenfahrzeugen lässt sich zu dieser Zeit in Fahrzeugklassen Geld verdienen. 1971 wird Mike Hailwood mit dem Surtees TS8 Vizemeister der europäischen Formel 5000. Ein Jahr später gewinnt “Mike The Bike” mit dem Surtees TS10 die Formel-2-Europameisterschaft.

Trotz dieses Mammutprogramms sitzt auch Teamchef John Surtees selbst noch regelmäßig im Cockpit. Erst 1972 tritt Surtees als Fahrer langsam etwas kürzer, fährt nur noch zwei Grand Prix und startet viermal in der Formel-2-Europameisterschaft. 1973 wechselt der Big John vollständig auf die andere Seite der Boxenmauer. Dort gelingt es ihm jedoch nicht, an die Erfolge als Fahrer anzuknüpfen. Ende 1978 findet Surtees nicht mehr genügend Geld, um das Team in der Formel 1 zu halten. Ein Jahr rennt Surtees noch in der der britischen Aurora F1 Serie und sperrt den Laden dann endgültig zu.

Nach der Karriere

John Surtees 1976 bei Testfahrten in Silverstone
John Surtees 1976 als Teamchef bei Testfahrten in Silverstone – Foto: Kenneth John Gill

Doch wie seine Fahrzeuge, die heute ein fester Bestandteil des historischen Motorsports sind, zieht sich John Surtees nicht ganz aus dem Sport zurück. Bis ins hohe Alter gehört John Surtees zu den gern gesehenen Gästen und Beratern der großen Oldtimer-Veranstaltungen. Nach dem Wechsel seines 1991 geborenen Sohns Henry vom Kart in den Automobil-Sport war John Surtees sogar wieder regelmäßig Gast bei aktuellen Motorsport-Meetings.

Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit dem Vater-Sohn-Duo. Henry verunglückte im Sommer 2009 bei einem Rennen der Formel 2 in Brand Hatch. John Surtees zog sich nach dem Unfall verständlicherweise zunächst etwas aus der Motorsport-Szene zurück. Doch bereits bei den Feiern zum 60. Geburtstag der Formel 1, die während des Großen Preis von Bahrain im März 2010 begangen wurden, kehrte John Surtees mit seinem WM-Auto Ferrari 158 auf die Strecke zurück.

Beim Goodwood Revival ehrten die Veranstalter vor einigen Jahren John Surtees für sein Lebenswerk. Surtees bedankte sich, indem er zur Freude des Publikums in Goodwood neben dem Ferrari 158 auch seinen ersten „eigenen“ Formel-1-Rennwagen, den Surtees TS7 auf der Strecke ausführte. Surtees nutzte die Gelegenheit, um auf die Stiftung, die er zu Ehren seines Sohns gegründet hat, aufmerksam zu machen. Die Stiftung des Technikers John Surtees unterstützt die Ausbildung Jugendlicher in technischen Berufen.


Am 10. März 2017 starb John Surtees. 1300ccm.de würdigt den einzigartigen Rennfahrer mit diesem Portrait.

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