Rennsport-Geschichten

30 Jahre Gruppe C – Teil 2: Jaguar übernimmt

30 Jahre Gruppe C – die unvergessenen Sportwagen der Jahre 1982 bis 1992

AutoNatives.de, das Online-Magazin rund um Oldtimer, Youngtimer und automobiles Kulturgut blickt zum 30. Geburtstag des Inkrafttretens des Gruppe C Reglements auf die Geschichte dieser interessanten Sportwagen-Ära zurück. Lesen Sie im zweiten Teil, wer sich in den Anfangsjahren dem Wettbewerb mit Porsche stellte und wie Jaguar das „Solo für Porsche“ beendete.

Jaguar XJR9-LM
Von Zeit zu Zeit holt der britische Autobauer seinen Jaguar XJR9-LM aus dem Museum, um für seine neuen Modelle zu werben.(Foto Jaguar Land Rover)

Als die FISA zur Saison 1982 ihr globales Sport-Reglement neu ausrichtete, definierte sie drei Gruppen – statt der zuvor sechs Fahrzeugkategorien. Für die Tourenwagen-Europameisterschaft oder nationale Serien definierten die Regelhüter die Gruppe A. Um einen Tourenwagen in der Gruppe A einsetzen zu können, musste der Hersteller das Basisfahrzeug innerhalb von 12 Monaten mindestens 5.000-mal bauen. Für die Gran-Turismo-Fahrzeuge, die Anfang der 1980er-Jahre in der Rallye-Weltmeisterschaft ihre Heimat hatten, definierten sie die Gruppe B. In dieser Kategorie mussten die Hersteller nur noch die Fertigung von 200 straßentauglichen Exemplaren des „Grundmodells“ pro Jahr nachweisen.

Über diesen beiden Klassen positionierte die FIA mit der Gruppe C eine Klasse für die Sportprototypen. Für den Einsatz in dieser Kategorie reichte ein Einzelstück ohne Straßenzulassung. Voraussetzung war nur, dass der Motorblock von einem Hersteller stammte, der zuvor mindestens ein Fahrzeug in der Gruppe A oder in der Gruppe B homologierte. Mit dem Verbrauchsreglement, verlagerte die FISA bei den Sportprototypen den Fokus der Entwickler weg von der Spitzenleistung hin zur Effizienz. Porsche dominierte in der ersten Saison der Gruppe C so nachhaltig, dass Ford seinen Ford C100 nach nur einer Saison wegen Erfolglosigkeit aus der Markenweltmeisterschaft zurückzog.

Mehr als ein „Solo für Porsche“ 

Auch Lancia schaffte es nicht, den 1983 vorgestellten Lancia LC2 auf das Niveau der Porsche zu bringen. Bis zum Rückzug im Frühjahr 1986 konnten die Italiener mit ihrem Rennwagen nur zwei Läufe der Sportwagen-Weltmeisterschaft für sich entscheiden. Neben dem Boykott-Rennen von Kyalami, als nur ein britischer Porsche 956 an den Start ging, siegte Lancia beim Drama von Spa, als Stefan Bellof tödlich verunglückte. Den Lancia trieb ein V8 von Ferrari an. Dieser Turbomotor war deutlich durstiger als die Motoren von Porsche.

Lancia LC2
Der Lancia LC2 war schnell. Doch sein Verbrauch war zu hoch. Im Wettkampf mit Ford war das ein Handicap. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Auch wenn die Siegerlisten der Gruppe C in den Anfangsjahren heute wie ein „Solo für Porsche“ wirken, gab es in den Rennen durchaus auch andere Fabrikate. Schon zum Debüt der neuen Klasse boten die klassischen Rennwagenfabriken Lola mit dem „T610“ und March mit dem „82G“ passende Rennwagen an. Sie stellten sich dem Wettbewerb meistens mit Motoren von Cosworth (Lola) oder Chevrolet (March). Daneben gab es Anfang der 1980er-Jahre in der Sportwagenszene auch Teams, die eigene Fahrzeuge an den Start brachten.

Neben dem Team des Schweizers Peter Sauber trat dabei insbesondere das Team von Jean Rondeau positiv in Erscheinung. Rondeau gewann bereits 1980 mit einem eigenen Sportwagen in Le Mans. Der Franzose ist damit bis heute der einzige Fahrer, der in Le Mans gleichzeitig als Pilot und als Hersteller siegen konnte. Auch in die neue Fahrzeugklasse startete Rondeau erfolgreich. Denn während der Sauber SHS C6 allenfalls für Podestplätze gut war, gewann der Rondeau M 382 sogar in Monza das erste Gruppe C-Rennen der Geschichte.

Lola T610
Auch der britische Rennwagenhersteller Lola bot von Anfang an einen Sportwagen für die Gruppe C an. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Trotzdem verlor Rondeau Ende 1982 seinen Hauptsponsor und damit die wirtschaftliche Grundlage für sein Team. Angesichts der Dominanz der Porsche ereilte in diesen Jahren aus anderen Teams dieses Schicksal. Denn wem es nicht gelang sich, einen der Porsche zu sichern, der stand in der neuen Sportwagenklasse in den Anfangsjahren auf verlorenem Posten. Damit war es schwierig, Sponsoren zu gewinnen, die bereit waren, das Team zu unterstützen.

Einführung der Gruppe C-Junior

Kein Wunder, dass bei vielen Rennen 1982 noch Gruppe 6 und Gruppe 5 Rennwagen an den Start gingen. Diese Fahrzeuge waren in diesen Tagen billig zu bekommen und zu betreiben. Um kleinen Privatteams einen Anreiz zu bieten, ebenfalls in die Gruppe C umzusteigen, legte die FISA 1983 nach und ergänzte das Reglement um die „Gruppe C Junior“. In dieser zweiten Liga der Sportprototypen standen den Teams „nur“ 330 Liter für 1.000 Kilometer Renndistanz zur Verfügung. Zudem beschränkten die Regelhüter die Tankkapazität der Fahrzeuge auf 55 Liter und legten ein Mindestgewicht von 700 kg fest.

Mazda 717C in Le Mans
Mazda 717C in Le Mans (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Separate Preisgeldtöpfe und eigene Titel sorgten dafür, dass tatsächlich keinere Teams die neue Kategorie für sich entdeckten. Mit Rennwagen von Herstellern wie Alba, Tiga, Spice oder Ecurie Ecosse und Motoren aus dem BMW M1 oder von Cosworth entwickelte sich schnell eine Szene in der Szene. Und nebenbei ein Experimentierfeld für Hersteller wie Mazda, die sich nicht sofort in der großen Kategorie dem Wettbewerb mit Porsche stellen wollten. Mazda nutzte den Mikrokosmos der ab 1984 C2 genannten Junior-Kategorie, um die Wankelmotoren des Hauses im Motorsport zu etablieren.

Mazda stellt sich Wettbewerb

Während Mazda sich in der Gruppe C2 in Europa abmühte, traten die anderen japanischen Hersteller zunächst nur in der Heimat an. Toyotas japanische Rennsportabteilung „Tom’s“ baute schon im Startjahr 1982 ihren ersten Gruppe C-Sportwagen. Doch die „Tom’s Celica C“ stellte sich nur beim WM-Lauf in Fuji den Wettbewerbern aus Europa. Auch ihre Nachfolger blieben zunächst der ab 1983 mit Sportwagen der Gruppe C ausgetragenen „All Japan Sports Prototype Championship“ vorbehalten. Erst 1985 traute sich Toyota nach Le Mans.

Nissan benötigte noch ein Jahr mehr, um sich für den Start in Frankreich zu entscheiden. Das Werksteam Nissan Motorsport trat in Zusammenarbeit mit Chassis-Partner March erstmals 1986 in Le Mans an. Wobei die Britisch-Japanische Koproduktion zu diesem Zeitpunkt schon beurteilen konnte, wie sich ein Gruppe C-Sieg anfühlt. Denn im Oktober 1985 entschied Nissan das Heimspiel in Fuji für sich. Der heftige Regen am Fuße des Mount Fuji bewog die Mehrzahl der Teams, das Rennen aufzugeben. Kazuyoshi Hoshino, Akira Hagiwara und Keiji Matsumoto hielten ihren March 85G mit Nissan-Motor auf der Strecke und wurden schließlich als Sieger gewertet.

Auftritt: Jaguar

In Le Mans führte – trotz großer Anstrengungen – bis einschließlich 1987 kein Weg an Porsche vorbei. Trotzdem sollte sich die Sportwagenszene in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre verändern.  Der Erfolg der Stuttgarter rief Neider auf den Plan. In den USA, wo die Sportwagen-Rennen der IMSA nach einem GTP genannten Reglement, das sich hauptsächlich auf der Motorenseite von der Gruppe C unterschied, rannten, stellte das Team von „Group 44 Racing“ bereits 1982 mit dem XJR-5 einen Gruppe C tauglichen Sportwagen vor.

Andy Wallace mit dem Jaguar XJR9-LM
Andy Wallace mit dem Jaguar XJR9-LM bei einem Pressetermin. (Foto: Jaguar Land Rover)

Als der mit dem 5,3 Liter großen V12 des Jaguar XJS ausgerüstete Rennwagen 1983 den zweiten Platz der IMSA-Meisterschaft einfuhr, wagte sich das Team über den großen Teich. 1984 ging der Jaguar XJR-5 als erste Katze seit mehr als 20 Jahren in Le Mans an den Start. Tom Walkinshaw, der mit seinem Team „Tom Walkinshaw Racing“ (TWR) damals für den britischen Autobauer in der Tourenwagen-Europameisterschaft unterwegs war, legte einen Gruppe C-Sportwagen auf Kiel. Walkinshaw verpflichtete für seinen Sportwagen-Einstieg mit Tony Southgate einen gestandenen Konstrukteur aus der Formel 1.

Im August 1985 stellte TWR den Jaguar XJR-6 genannten Rennwagen der Öffentlichkeit vor. Als erster Gruppe C-Hersteller vertraute TWR-Jaguar dabei auf ein Monocoque aus Kohlefaser. Im Heck des Briten sorgte der rund 700 PS starke und auf 6,2 Liter Hubraum aufgebohrte Jaguar V12 Saugmotor für einen standesgemäßen Antrieb. Bereits beim Debüt, dem Budweiser GT 1000 im kanadischen Mosport, belegte TWR einen dritten Platz – auch wenn der neue Bolide im Training noch nicht die Rundenzeiten der schnellsten Porsche 962C erreichte.

Doch TWR lernte schnell

Beim Saisonfinale 1985 auf dem Shah Alam Circuit in Malaysia lies TWR-Jaguar beim 800 Kilometer-Rennen mit einem zweiten Platz aufhorchen. Im Mai 1986 gelang im heimischen Silverstone der erste Sieg bei einem WM-Lauf. Zum Auftakt der Saison 1987 siegte Jaguar schließlich sogar viermal. Damit ging das Team beim Saisonhöhepunkt in Le Mans, dem fünften Saisonlauf, als Favorit an den Start. Doch ausgerechnet beim wichtigsten Rennen der Saison gelang es den Porsche Teams nochmals, ihre große Erfahrung auszuspielen.

Den Sieg in Le Mans sicherte sich das Porsche-Werksteam, das sich nach den 24 Stunden von Le Mans 1987 allerdings aus der Sportwagen-Weltmeisterschaft zurückzog. Damit war der Weg für TWR und Jaguar endgültig frei. Am Ende des Jahres sicherten sich die Briten beide Sportwagen-Titel. TWR gewann die Teamwertung. Jaguar-Pilot Raul Boesel wurde als Sportwagen-Weltmeister Nachfolger des Porsche-Piloten Derek Bell. Im Sommer 1988 gelang mit dem inzwischen zum TWR-Jaguar XJR-9 weiterentwickelten Sportwagen endlich der ersehnte Sieg in Le Mans. Erstmals seit 1980 siegte damit an der Sarthe ein anderes Fabrikat als Porsche.

Mit insgesamt sechs Saisonerfolgen fuhr TWR erneut zum Team-Titel. Dazu gelang es mit Martin Brundle erneut einem Jaguar-Fahrer, sich den Titel des Fahrer-Weltmeisters zu sichern. Doch der Takt des Sport schlug inzwischen schneller als zuvor. Anders als Porsche konnte sich Jaguar nicht über Jahre an der Spitze des Sportwagen-Sports behaupten. Denn inzwischen bauten nicht Toyota, Nissan und Mazda Sportwagen, sondern auch der alte Kontrahent Mercedes, der schon in den 1950er-Jahren mit Jaguar um Sportwagen-Siege kämpfte, kehrte offiziell zurück auf die Langstrecke.


Lesen Sie in 14 Tagen im dritten Teil unser großen Gruppe C Geschichte, wie die Silberpfeile zurückkehren und wie die FISA die Sportwagen innerhalb von wenigen Jahren mit einer – vielleicht wohl überlegten – Fehlentscheidung vernichtet.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Von Zeit zu Zeit holt der britische Autobauer seinen Jaguar XJR9-LM aus dem Museum, um für seine neuen Modelle zu werben.

Foto: Jaguar Land Rover

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!