Meinung und Kommentar

Autoblogger@work – Knolle aus Frankreich und Gedanken über Europa

Ich bin ein Freund des vereinigten Europas. Spontan nach Paris, Amsterdam oder Kopenhagen reisen? Kein Problem! Dank der im Abkommen von Schengen vereinbarten Freizügigkeit gibt es keine Grenzkontrollen mehr. Innerhalb der Eurozone entfällt auch der lästige Umtausch von Geld.

Wie weit die europäische Einigung geht, zeigt sich auch bei der Verfolgung von Verkehrssündern. Denn parallel zu den Grenzkontrollen sind auch die Hürden entfallen, die zuvor das Eintreiben von Bußgeldern über nationale Grenzen hinweg verhinderten. Denn während die Tempolimits und die Höhe der Bußgelder ein Feld nationaler Politik bleiben, ist der europaweite Austausch von Kfz-Halterdaten längst eine Selbstverständlichkeit.

Ein Strafmandat aus Frankreich erinnerte mich vor einigen Tagen bitterlich daran.

Auf dem Rückweg aus Le Mans war ich auf der Stadtautobahn in Paris mit einer Geschwindigkeit von 76 km/h unterwegs. Sagen zumindest das zugelassene Kontrollgerät „210C – MESTA – 03203“ und der Beamte „161278“. Festgestellt wurde das Ganze am Montag früh um 3:16 Uhr am Porte de Vincennes in der Porte Dorée – dann wird das wohl stimmen.

Obwohl sich der Gesetzgeber vielleicht gar nicht so sicher ist, dass „161278“ sein Kontrollgerät richtig aufgebaut hat. Deshalb bleiben nach einer Toleranz von fünf km/h „nur“ 71 km/h in der Wertung. Erlaubt waren an dieser Stelle 70 km/h. Damit war ich genau einen Kilometer pro Stunde zu schnell!

Interessant sind die französischen Zahlungsziele und Bezahlsysteme.

Der französische Gesetzgeber kennt für diesen Verstoß drei unterschiedliche Geldbußen. Die Höhe richtet sich danach, wie schnell der Sünder seine Buße bezahlt. Drei Stufen sind vorgesehen: die verminderte Buße von 45 Euro, die Pauschalbuße von 68 Euro und die erhöhte Geldbuße von 180 Euro.

Doch damit nicht genug. Denn die Fristen, bis wann welche Buße fällig wird, hängt vom Zahlweg ab. Zur Auswahl entweder der Weg der Überweisung oder die „Barzahlung“. Denn in Frankreich nehmen auch die staatlich lizenzierten Tabakhändler – den ich hier in Luçon schon vom Kauf der Prepaid-Internet-Karten „Let’s Go“ kenne – Einzahlungen für Geldbußen entgegen. Zudem kann die Strafe in Frankreich mit einer französischen Bankkarte im Internet und bei allen öffentlichen Bankinstituten bezahlt werden. Auch das gilt als „Barzahlung“.

Nüchtern betrachtet trennt der Gesetzgeber in Frankreich mit diesen Varianten Ausländer und Franzosen. Ausländer, die auf den Weg einer klassischen Überweisung angewiesen sind, haben nur 46 Tage Zeit, um die verminderte Geldbuße zu bezahlen. Bei „Barzahlung“ in Frakreich – wozu auch die Bezahlung mit einer französischen Bankkarte gehört – stehen immerhin 61 Tage zur Verfügung, um den Vorgang kostengünstig aus der Welt zuschaffen.

Für die sogenannte Pauschalgeldbuße bleiben jetzt jeweils 30 Tage Zeit. „Barzahler“ haben also 91 Tage Zeit, um die 68 Euro zu bezahlen. Wenn der Sünder auf eine Überweisung angewiesen ist, bleiben ihm 15 Tage weniger, bis die erhörte Geldbuße von 180 Euro anfällt. Das Ganze ist unübersichtlich und kompliziert. Der französische Gesetzgeber hat offensichtlich ein Konstrukt geschaffen, in dem Inländer längere Fristen haben.

In Deutschland wird zurzeit diskutiert, ob die von Verkehrsminister Dobrindt vorgestellten Pläne für eine Straßenbenutzungsgebühr mit Europarecht vereinbar sind. Wenn ich den Trick der Franzosen sehe, die In- aus Ausländer eiskalt über den Zahlweg selektieren, halte ich das für ein Ablenkungsmanöver. In der heimischen Diskussion um die Straßenbenutzungsgebühren wird die Europa-Keule geschwungen. Das ist bequem und einfach, um sich nicht wirklich mit den Plänen des Verkehrsministers auseinandersetzen zu müssen.

Europa wird das nicht gerecht!

Solche vorgeschobenen Argumentationen schaden dem Ansehen des Europäischen Einigungsprozess. Wir sollten nicht vergessen, welcher unfassbarer Gewinn mit dem Frieden und der Freizügigkeit in Zentraleuropa unserer Generation in den Schoß gefallen ist. Initiiert haben diese Verträge übrigens Politiker, die als Kinder und Jugendliche noch die Trümmer des Zweiten Weltkriegs erlebt haben. Darüber sollten Europa und Euro-Skeptiker mal nachdenken.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!