3. August 1924: Schwieriges Debüt des Bugatti Type 35

Der Bugatti Type 35 gilt als einer der erfolgreichsten Rennwagen der Geschichte. Mehr als 2.500 Siege und Podestplatzierung fuhr der Type 35 heraus. Das war nach den Debüt des Rennwagens beim Großen Preis von Frankreich nicht absehbar. Denn bei der Premiere am 3. August 1924 spielten die fünf angetretenen Bugatti Type 35 noch keine besondere Rolle.

Dunlop-Bogen beim Großen Preis von Frankreich 1924
Der Große Preis von Frankreich trag 1924 auch den Ehrentitel Großer Preis von Europa. An der Strecke warb Dunlop mit einem als Brücke ausgelegten Dunlop-Bogen. – Foto: BUGATTI TRUST

Die Frage, welches Auto der erfolgreichste Rennwagen der Motorsport-Geschichte ist, lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise beantworten. Einige messen den Erfolg an der Dominanz eines Rennwagens. Für sie sind der McLaren MP4/4 von 1988 und der Red Bull Racing RB19 von 2023 weit vorne. Denn beide gewannen nur einen Grand Prix, den sie bestritten, nicht. Für andere ist die absolute Anzahl der Siege das entscheidende Maß. Bei ihnen gelten dann der BMW M3 oder der Bugatti Type 35 als erfolgreichste Rennwagen aller Zeiten. Denn der 1924 vorgestellte Bugatti Type 35 sicherte sich in seiner rund zehn Jahre währenden Karriere mehr als 2.500 Siege und Podestplatzierungen. Sein Debüt feierte der Bugatti Type 35 am 3. August 1924 beim Großen Preis von Frankreich.

Ettore Bugatti und seine Bugatti Type 35
Fünf Type 35 nahmen am Grand Prix von Frankreich 1924 teil. Ettore Bugatti steht neben einem sechsten – dem ursprünglichen Prototyp – der als Reserve-Fahrzeug in der Nähe von Lyon dabei war. (BUGATTI TRUST)

Der fand damals auf einem 23,15 Kilometer langen Straßenkurs statt, der rund um Givors im Südwesten von Lyon führte. Die Strecke begann am Rande des Örtchens Vourles. Dort standen während des Rennens große Tribünen sowie die Boxen. Die Nähe zu einer Bahnstation ermöglichte den Interessierten aus dem rund 15 Kilometer entfernten Lyon den bequemen Besuch des Rennens. Vom Start ging es zunächst südlich über die RN86 nach Givors. Dort änderten die Teilnehmer die Richtung und folgten der Straße weiter in westlicher Richtung. Nach einer eher technischen und kurvigen Passage erreichte die Strecke eine schnurgerade verlaufende Straße. Diese führte die Teilnehmer zum Ausgangspunkt zurück. Wobei sie kurz vor dem Ziel eine Serpentine bremste. Die Organisatoren betonten, dass ihre Strecke die erste durchgehend befestigte Strecke Frankreichs sei.

1924 war ein Grand Prix 810 Kilometer lang!

Im Rennen war die Strecke 35 mal zu umrunden. Das ergab eine Gesamtdistanz von 810,25 Kilometern. Zugelassen waren Rennwagen mit maximal zwei Litern Hubraum. Wobei der Einsatz von Kompressormotoren ohne Hubraumnachteil gestattet war. Am Start waren die Werksteams von Sunbeam-Talbot-Darracq Motors, Automobiles Delage, der SA Ital. Ing. Nicola Romeo, von Schmid Automobiles sowie von FIAT und Bugatti. Dazu kam Privatfahrer Louis Zborowski, der mit einem Miller 122 antrat. Diesen amerikanischen Rennwagen trieb ein von Fred Offenhauser konstruierter Achtzylinder an. Sunbeam, Alfa Romeo und Fiat traten mit Kompressor-Motoren an. Bugatti vertraute im Type 35 auf seinen selbstatmenden Reihenmotor mit acht Zylindern.

Ernest Friderich (Nr. 13) am Steuer seines Bugatti Type 35
Ernest Friderich (Nr. 13) am Steuer eines Type 35 bei der Ausfahrt aus der „Virage de la Mort“ auf der kurvenreichen Abfahrt nach „Les Sept Chemins“ des Grand Prix 1924. (Foto: BUGATTI TRUST)

Fünf seiner nagelneuen Type 35 meldete Ettore Bugatti. Einen sechsten Boliden ließ der Firmenchef als Ersatzfahrzeug an die Strecke bringen. Die Fahrzeuge fuhren auf eigener Achse von der Bugatti-Fabrik nach Lyon. Dort übernahmen die Fahrer Jean Chassagne, Pierre de Vizcaya, Leonico Garnier, Ernest Friderich und Bartolomeo „Meo“ Costantini ihre Rennwagen. Während der Trainingsläufe rüstete Bugatti seine Rennwagen nach. Die Bugatti Type 35 erhielten zusätzliche Steinschutzvorrichtungen für die Kühler, eine kleine Windschutzscheibe sowie ein Thermometer im Kühlerdeckel. So fühlte sich das Team gut für das am Sontag anstehende Rennen gerüstet. Vor den rund 100.000 Zuschauern nahm Henry Segrave im Sunbeam GP das Rennen von der Pole Position auf. Der beste Bugatti ging von Startplatz fünf ins Rennen.

Die Spitze erreichte ein Durchschnittstempo vom 122,7 Kilometern pro Stunde!

Aus Sicherheitsgründen schickten die Verantwortlichen die schließlich 20 Autos mit einem fliegenden Start ins Rennen. Enzo Ferrari fiel erkrankt aus. Schmid-Pilot Giulio Foresti musste nach einem Unfall im Training passen. Schon in der ersten Runde trat am Bugatti von Pierre de Vizcaya ein Reifenschaden auf. Der Spanier konnte zunächst weiterfahren. Später löste sich jedoch die Lauffläche eines Reifens. Der folgende Unfall riss de Vizcaya endgültig aus dem Rennen. Am Bugatti von Meo Costantini wickelte sich ein Stück der Lauffläche eines Reifens um den Schalthebel. Dadurch konnte der Italiener den zweiten und den vierten Gang nicht mehr nutzen. Die Folge war ein Getriebeschaden, der die Fahrt von Meo Costantini vorzeitig beendete.

Bugatti Type 35 vor dem Grand Prix von Frankreich 1924
Ernest Friderich (Nr. 13), Pierre de Vizcaya (Nr. 18) und Meo Costantini (Nr. 22) vor den Tribünen des Grand Prix von Lyon 1924. (Foto: BUGATTI TRUST)

Wobei sich der Italiener mit der schnellsten Rennrunde, die ein Bugatti-Pilot drehen konnte, schadlos hielt. Leonico Garnier fiel nach weiteren Reifenproblemen zwei Runden zurück. Das bedeutete den elften Platz. Ernest Friderich schaffte die angesetzte Distanz, benötigte dafür allerdings 45 Minuten mehr als der Sieger Giuseppe Campari im Alfa Romeo. Campari legte die 810 Kilometer in 7:05:34 Stunden zurück. Einen Platz vor Friderich kam auf Platz sieben Jean Chassagne in Ziel. Damit blieb die Bugatti-Mannschaft insgesamt hinter den erwarteten Ergebnissen zurück. Doch nach dem Rennen zeigte sich, dass die Probleme mit den Reifen auf Fehler des Herstellers Dunlop zurückgingen. Daher hielten die Reifen den Belastungen des Rennens nicht stand.


Das Ergebnis beruhigte Ettore Bugatti, die Reifen bremsten die Bugatti Type 35 ein!

Denn der Bugatti Type 35 rollte auf den damals neuen leichten Aluminiumgussrädern. Diese hatten – entgegen der Vorhersage einiger Beobachter – das Rennen schadlos überstanden.

Entgegen den Erwartungen haben diese Räder nicht nur das Rennen überstanden, sondern zeigten auch keine Anzeichen für die enorme Beanspruchung, die sie durch die hohe Laufleistung auf der Felge erhalten haben müssen, die durch das Platzen der Reifen verursacht wurde.“

Zeitschrift „The Motor“ im August 1924

Bugatti wechselte nach dem Grand Prix von Frankreich den Lieferanten seiner Reifen. Schon beim ersten Test zeigte sich der Fortschritt. Denn dafür legte ein Bugatti Type 35 die 520 Kilometer lange Strecke von Straßburg nach Paris ohne Probleme zurück. Dabei erreichte der Testwagen – im öffentlichen Straßenverkehr – einen Schnitt von fast 100 Kilometern pro Stunde. Die Reifen hielten und Ettore Bugatti schickte seine Type 35 zu den nächsten Rennen. In einem Brief schrieb der Firmenchef dazu:

Zehn dieser Autos sind gebaut worden. Sie sind fast alle an Kunden verkauft. Einige sind bereits ausgeliefert und bereiten ihren Besitzern viel Freude. Man kann sie in der Stadt genauso gut einsetzen wie bei einem Rennen. Ich hoffe, dass ich bei der nächsten Gelegenheit die Qualität meiner Konstruktion besser demonstrieren kann.

Ettore Bugatti in einem Brief nach der erfolgreichen Testfahrt des Type 35

Die Welt war vor 100 Jahren einfach eine andere!

Beim Grand Prix in San Sebastian fuhr Meo Costantini seinen Bugatti Type 35 schon auf Platz zwei. Knapp einen Monat später gelang Pierre de Vizcaya beim Grand Prix de l’Ouverture in Paris-Montlhéry das gleiche Ergebnis. Den ersten Sieg gab es im Februar 1925 beim Großen Preis von Rom. Auf einer Rundstrecke am Monte Mario fuhr Carlo Masetti im Type 35 zum Sieg. Der Italiener profitierte dabei allerdings vom Ausfall des Alfa Romeo-Piloten Antonio Ascari. Der Vater des späteren zweifachen Formel 1-Weltmeisters Alberto Ascari schied nach einem Unfall vorzeitig aus. Doch drei Monate später gewann ein Bugatti Type 35 die Targa Florio. Jetzt gab es endgültig keinen Zweifel am Potential des Rennwagens mehr.

Die Bugatti Type 35 vor dem Großen Preis von Frankreich 1924
Die Bugatti-Aufstellung bestand aus Jean Chassagne (Nr. 7), Ernest Friderich (Nr. 13), Pierre de Vizcaya (Nr. 18), Leonica Garnier (Nr. 21) und Bartolomeo „Meo“ Costantini (Nr. 22).

Ergebnisse des XVIII. Grand Prix de l’A.C.F.

3. August 1924 – Lyon: 810,25 Kilometer (35 Runden á 23,15 Kilometer)

  1. Giuseppe Campari, Alfa-Romeo P2 8C/2000 – 7:05:34 Stunden– 114,212 km/h
  2. Albert Divo, Delage 2LCV – 7:06:40 Stunden
  3. Robert Benoist, Delage 2LCV – 7:17:00 Stunden
  4. Louis Wagner, Alfa-Romeo P2 8C/2000 – 7:25:10 Stunden
  5. Henry Segrave, Sunbeam – 7:28:56,0 Stunden
  6. René Thomas, Delage 2LCV – 7:37:27,4 Stunden
  7. Jean Chassagne, Bugatti Type 35 – 7:46:26,6 Stunden
  8. Ernest Friderich, Bugatti Type 35 – 7:51:45,6 Stunden
  9. Antonio Ascari, Alfa-Romeo P2 8C/2000 – 34 Runden/Motorschaden
  10. Dario Resta, Sunbeam – 33 Runden
  11. Leonico Garnier, Bugatti Type 35 – 33 Runden

Schnellste Runde:

  • Henry Segrave, 11:19,0 Minuten (122,71 km/h)

Ausfälle:

  • Felice Nazzaro, Fiat 805 – 22 Runden/Bremsen
  • Kenelm Lee Guinness, Sunbeam – 20 Runden/Motorschaden
  • Jules Goux, Rolland-Pilain Schmid – 19 Runden/Radiator
  • Onesimo Marchisio, Fiat 805 – 17 Runden/Motorschaden
  • Pietro Bordino, Fiat 805 – 17 Runden/Bremsen
  • Louis Zborowski, Miller 122 – 16 Runden/Defekt an der Vorderachse
  • Meo Costantini, Bugatti Type 35 – 16 Runden/Getriebeschaden
  • Pierre De Vizcaya, Bugatti Type 35 – 11 Runden/Unfall
  • Cesare Pastore, Fiat 805 – 11 Runden/Unfall

Nach dem Training nicht gestartet:

  • Giulio Foresti, Rolland-Pilain Schmid – Unfall
  • Enzo Ferrari, Alfa-Romeo P2 8C/2000 – Startverzicht wegen einer Erkrankung

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.



Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert