Auto-Erinnerungen

Citroën M35 – Wankel-Coupé von Citroën

Wer heute über den Wankel spricht, denkt meistens an NSU und Mazda. Doch auch Citroën verkaufte einige Jahre Autos mit Kreiskolbenmotor. Den Anfang machte der Citroën M35.

Frontansicht des Citroën M35
Frontansicht des Citroën M35

In den 1960er-Jahren gilt der Kreiskolbenmotor als das Antriebskonzept der Zukunft. Seine Laufruhe verspricht viel Komfort. Die einfache Bauart senkt die Kosten. NSU bringt der Idee von Felix Wankel das Laufen bei und bietet ab 1964 mit dem NSU Wankel-Spider als erster Autobauer einen Wankelmotor in Serie an. Das macht die ehemals größte Motorradfabrik der Welt auch bei anderen Autobauern zu einem begehrten Partner. 1967 gründet NSU zusammen mit Citroën den Motorbauer Comotor. Mit diesem Unternehmen wollten die Autobauer als Partner gemeinsam Wankelmotoren bauen und verkaufen.

Comotor bringt den Wankelmotor zu Citroën

Zwei Jahre später startet Citroën die “Operation M35” und bietet Stammkunden den Versuchsträger Citroën M35 zu einem Preis von FF 14.000 an. Damit ist der M35 doppelt so teuer wie ein 2CV und liegt preislich auf dem Niveau des DS-Einsteigermodells Citroën ID19. Das Coupe M35 basiert technisch auf dem Citroën Ami 8. Doch statt eines Vierzylinderboxer-Motors gibt es im M35 unter der Motorhaube einen Einscheiben-Wankelmotor. Dieser bringt seine Kraft über ein 4-Ganggetriebe auf die Straße.

Markenzeichen am Citroën M35
Das Markenzeichen fasst Citroën beim Citroën M35 ein, um auf den Wankelmotor hinzuweisen.

Das Schaltgetriebe erfordert ein Mitwirken des Fahrers und wird damit bald zum Problem. Wenn der Fahrer nicht darauf achtet, dann läuft der Motor des M35 beim Fahren oft ein einem Bereich, der Vibrationen ins Fahrzeug überträgt. Die Techniker nennen dieses Verhalten “Schieberuckeln”. Eine gutabgestimmte Automatik, die den Kreiskolbenmotor des M35 in optimalen Drehzahlbereich hält, hätte das verhindert. Doch die gibt es im Citroën M35 nicht. Deshalb gilt das Coupé bald als wenig komfortabel.

Zudem verfügt der M35 über eine Revolverschaltung mit umgekehrter H-Kulisse. So sind sind schnelle Schaltmanöver fast unmöglich. Das verstärkt die Probleme. Dazu passen die Fahrleistungen überhaupt nicht zum attraktiven Sportcoupé. Der Kreiskolbenmotor des M35 benötigt Zeit, um auf Drehzahl zu kommen. In ihren Berichten monieren die zeitgenössischen Probefahrer die Anfahrschwäche des chicen Coupé. Auch bei Überholvorgängen fällt auf, dass Durchzug im Fall des M35 ein Fremdwort ist.

Dem Citroën M35 fehlte die Marktreife!

Insgesamt kann der Motor des M35 nicht überzeugen. Das Triebwerk leiten die Entwickler vom Motor des NSU Ro 80 ab. Im Prinzip ist der Motor im M35 ein halbierter „KKM 612“. Da das Motorenwerk von Comotor im Saarland noch nicht betriebsbereit ist, übernimmt NSU den Bau der Triebwerke. Es spricht sich rum, dass auch der Citroën-Motor – wie der des NSU Ro 80 – zum Überdrehen neigt. Damit die Kunden Vertrauen fassen, bietet Citroën eine Motorgarantie von zwei Jahren.

Kotflügelbeschriftung am Citroën M35
Kotflügelbeschriftung am Citroën M35

Anders als der Ami 8 verfügt der M35 über eine hydropneumatische Federung. Auch die Karosserie ist in großen Teilen eigenständig. Wobei Citroën auf Teil des Ami 8 zurückgreift. Die hinteren Kotflügel stammen vom Kombi des AMI 8. Doch im sie beim M35 verwenden zu können, kürzen die Mitarbeiter im Karosseriebau beim Experten Heuliez die Serienteile manuell mit einer Säge. Das treibt die Kosten des M35 nach oben. Nur Scheinwerfer und Rückleuchten wandern unverändert vom Ami 8 an den Wankel-Prototypen.

Ursprünglich plant der französische Autobauer den Bau von 500 Exemplaren des Citroën M35. Doch bis zum Produktionsende 1971 entstehen bei Heuliez gerade einmal 267 Karosserien. Die Endmontage findet bei Citroën in Rennes statt, wo auch der Ami 8 vom Band läuft. Trotz der kleinen Stückzahl heißt es heute oft, dass mit diesen Fahrzeugen mehr als 30 Millionen Kilometer zurückgelegt wurden. Das würde einer durchschnittlichen Laufleistung von 112.000 Kilometern entsprechen. Dies wirkt im Rückblick übertrieben!

Das Ende des Citroën M35 kommt schnell!

Denn Ende der 1960er-Jahre gilt der Wankel nicht als Langläufer. Im Versuch bei NSU erreichen die Motoren Laufleistungen von 200.000 Kilometern. Doch bei den Serientriebwerken gibt es schnell Probleme mit den Dichtleisten des Rotors. Beim Ro 80 kommt es im Alltag – oft schon nach geringen Laufleistungen – zu Motorschaden. Das lässt die Angabe von mehr als 30 Millionen Kilometern heute unglaubwürdig erscheinen. Wobei Citroën den M35 seinen Kunden mit der Auflage, den Service im Werk durchzuführen, und großzügigen Garantieleistungen überließ.

Heckansicht des Citroën M35
Heckansicht des Citroën M35

Unabhängig davon kommt das Ende der Allianz zwischen Citroën und NSU schneller als gedacht. Denn 1969 verliert NSU seine Unabhängigkeit an Volkswagen. Die neue Mutter fusioniert NSU noch im gleichen Jahr mit ihrer weiteren Tochter Auto Union. Dabei entsteht die heutige Audi AG. Für das Joint Venture mit Citroën hat Volkswagen keine Verwendung mehr. Die Wolfsburger kündigen deshalb die Verträge mit dem französischen Autobauer praktisch umgehend. Trotzdem bleibt Citroën dem Wankel treu. Ende 1973 bieten die Franzosen im Citroën GS Birotor einen Zwei-Scheiben-Motor an. Doch dieser 106 PS starke Motor (Typenbezeichnung Comotor KKM 624) ist ein echter Säufer. Die Ölkrise sorgt dafür, dass Citroën nur 847 Exemplare des Birotor baut und die Wankel-Entwicklung einstellt.

Technische Daten des Citroën M35

  • Typ: Citroën M35
  • Grundpreis: FF 14.000 (1969)
  • Motor: 1-Scheiben-Kreiskolbenmotor (Typ Comotor KKM 613)
  • Kammervolumen: 497,5 ccm
  • max. Leistung: 49 PS bei 5.500 1/min
  • max. Drehmoment: 70 Nm bei 2.745 1/min
  • Getriebe: 4-Gang-Schaltgetriebe (Citroën GS 1015)
  • Höchstgeschwindigkeit: 144 km/h
  • Leergewicht: 815 KG

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Frontansicht des Citroën M35

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!