Auto- und Motorsport-Lexikon

Comotor – Wankel Joint-Venture von NSU und Citroën

Im April 1967 gründen NSU und Citroën die Aktiengesellschaft Comotor. Sie hat ihren Geschäftssitz in Luxembourg. Das neue Unternehmen, an dem beide Autobauer zu gleichen Teilen beteiligt sind, soll im Saarland Wankelmotoren bauen.

Der Kreiskolbenmotor gilt in den 1960er-Jahren als Antriebskonzept der Zukunft. Seine große Laufruhe begeistert komfortorientierte Autofahrer an. Dazu verspricht die im Vergleich zum Hubkolbenmotor einfache Bauart auf die Dauer Kostenvorteile. NSU bringt der Idee von Felix Wankel das Laufen bei. Schon 1964 bietet NSU mit dem Wankel-Spider als erster Autobauer ein Serienfahrzeug mit Wankelmotor an. Damit gilt NSU als Wankel-Pionier. Das Wankel-Know-How macht die ehemals größte Motorradfabrik der Welt zu einem begehrten Partner.

1964 beginnen NSU und Citroën ihre Zusammenarbeit

Bereits 1964 vereinbaren NSU und Citroën unter dem Stichwort “Comobil” eine Entwicklungskooperation. NSU ist damals noch ein unabhängiger Autobauer. Die Anteilseigner des an der Börse notierten Unternehmens sind breit gestreut. Um mit den Großen der Branche mithalten zu können, fehlt NSU das Kapital. Über die Kooperation mit Citroën versuchen die Verantwortlichen ihr Know how zu Geld zu machen. Denn Citroën, damals im Besitz von Michelin, soll für die Motoren bezahlen. Der Plan des Duos sieht vor, mit dem “Comobil” gemeinsam ein Wankel-Auto für den Massenmarkt zu entwickeln.

Dafür entsteht ein neuer 55 PS starker Ein-Scheiben-Kreiskolbenmotor. Doch NSU fehlen die Kapazitäten, um die geplanten Stückzahlen tatsächlich zu bauen. Um Citroën an der Finanzierung des neuen Motors zu beteiligen, gründen im April 1967 der französische und der deutsche Autobauer das Gemeinschaftsunternehmen Comotor SA mit Sitz in Luxembourg. Doch der neue Wankel läuft auf dem Prüfstand unrund. Deshalb fällt das Aggregat bei der Endabnahme durch. Woraufhin die Techniker auf die Schnelle vom Zwei-Scheiben-Wankel des Ro 80 einen Ein-Scheiben-Motor ableiten.

Comotor baut eine Fabrik im Saarland

Zur Erprobung dieses Motors startet Citroën die “Operation M35”. In 500 speziell gebauten Citroën M35 soll sich der neue Wankel in Kundenhand bewähren. Doch dessen relativ hoher Preis und die beim NSU Ro 80 auftretenden Motorprobleme schrecken die Kunden ab. Gerade einmal 267 Exemplare des M35 entstehen. Trotzdem denken die Partner groß. Denn hinter der Gründung von Comotor steht die Idee, durch eine Massenproduktion die Kosten zu senken. Als NSU 1967 seinen Ro 80 vorstellt, sind die Produktionskosten pro Motor rund doppelt so hoch wie bei einem vergleichbaren Hubkolbenmotor.

Deshalb streben die Partner an, gemeinsam mehr als 500 Wankelmotoren pro Tag zu bauen. Zunächst soll die dafür notwendige Fabrik am NSU-Stammsitz in Neckarsulm entstehen. Doch letztlich einigen sich beide Unternehmen auf den Bau einer Fabrik im saarländischen Altforweiler. Das ist heute ein Ortsteil der Gemeine Überherrn im Landkreis Saarlouis. Diese Fabrik soll 1973 die Produktion aufnehmen. Die Motoren für den NSU Ro 80 und auch den Citroën M35 entstehen bei NSU in Neckarsulm.

Als NSU seine Unabhängigkeit 1969 an Volkswagen verliert gibt es Vorbehalte gegen die Zusammenarbeit mit Citroën. Die neue Mutter fusioniert NSU noch im gleichen Jahr mit der Auto Union zur heutigen Audi AG. Parallel dazu kündigt Volkswagen das Joint Venture mit Citroën. Deshalb stemmt Citroën den Bau der Fabrik in Altforweiler alleine. Ende 1972 nimmt sie mit kleinen Stückzahlen tatsächlich die Produktion auf. Denn zunächst baut Comotor im Saarland gerade einmal 25 Motoren pro Tag, die für den Citroën GS Birotor vorgesehen sind. Trotzdem hält Comotor-Chef Jean Heinrich im Gespräch mit dem SPIEGEL im September 1972 am Ziel fest, bald mehr als 500 Maschinen pro Tag zu bauen.

Offenbar geht Citroën noch davon aus, dass der ab Ende 1973 erhältliche Citroën GS Birotor sich in größeren Stückzahlen verkaufen lässt. Dessen Motor ähnelt, wie bei der engen Zusammenarbeit mit NSU nicht anders zu erwarten, dem Motor des NSU Ro 80. Mit zweimal 497,5 ccm ist das Kammervolumen gleich groß, mit 9:1 sind beide Maschinen gleich verdichtet. Der größte Unterschied sind die Vergaser, wie die Wochenzeitung Die ZEIT im Januar 1974 bei der Vorstellung des Citroën GS Birotor feststellt.

Die Motoren von Comotor

Drei unterschiedliche Motoren entstehen bei Comotor. Gemeinsam ist allen Motoren der vergleichsweise hohe Spritverbrauch.

Comotor Typ KKM 613

Comotor Typ KKM 613
Der Comotor Typ KKM 613 aus dem Citroën M35 (Foto: HDP – CC 2.0).
  • Einscheiben-Motor mit einem Kammervolumen von 497,5 ccm
  • Leistung 49 PS bei 5.500 1/min, Drehmoment 70 Nm bei 2.745 1/min
  • Läuferbreite 67 Millimeter, Exzentrizität 14 Millimeter
  • Eingesetzt im Citroën M35

Comotor Typ KKM 624

Comotor Typ KKM 624
Der Comotor Typ KKM 624 aus dem Citroën GS Birotor (Foto: Klaus Nahr CC3.0)
  • 995 ccm Zweischeibenmotor – Kammervolumen zweimal 497,5 ccm
  • Leistung 107 PS bei 6.500 1/min,  Drehmoment 137 Nm bei 3.000 1/min
  • Läuferbreite 67 Millimeter, Exzentrizität 14 Millimeter
  • Eingesetzt im Citroën GS Birotor

Comotor Typ KKM 626

Comotor Typ KKM 624
Der Comotor Typ KKM 626 trieb den NSU Ro 80 an (Foto: Andrew Bone – CC 2.0).
  • 995 ccm Zweischeibenmotor – Kammervolumen zweimal 497,5 ccm
  • Leistung 115 PS bei 5.500 1/min, Drehmoment 165 Nm bei 4.500 1/min
  • Läuferbreite 67 Millimeter, Exzentrizität 14 Millimeter
  • Eingesetzt im NSU Ro 80

Das Ende von Comotor kommt mit Peugeot

Der Ausbruch der Ölkrise sorgt dafür, dass Citroën nur 847 Exemplare des Birotor verkaufen kann. Dazu kommt, dass Citroën seit Jahren rote Zahlen schreibt. Deshalb verliert Alleineigentümer Michelin die Lust an der teuren Tochter. Zunächst reicht der Reifenhersteller die Hälfte seiner Anteile an FIAT weiter. Im Juni 1974 übernimmt Peugeot das gesamte Unternehmen. Damit verliert Citroën seine Unabhängigkeit. Den neuen Chefs ist der Wankel ein Dorn im Auge.

Daher stellen sie alle Wankel-Projekte bei Citroën umgehend ein. Damit läuft auch die Produktion von Comotor in Altforweiler aus. 1976 arbeiten auf dem Gelände statt der versprochenen 1.000 Mitarbeiter allenfalls 30, um die Fabrik abzuwickeln. Immerhin nutzt der der Niederländer Hendrik van Veen beim Bau seiner Van Veen OCR 1000 einige der Motoren. Doch auch dieses Motorrad mit Wankelmotor wird keine Erfolgsgeschichte. Denn trotz Kunden wie Playboy Gunter Sachs ist schon nach weniger als 40 Exemplaren Schluß.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Comotor Typ KKM 613 aus dem Citroën M35 (Foto: HDP - CC 2.0).

Foto: HDP - CC 2.0

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!