Eigentlich ist die Nachricht von der Rückkehr des Ford RS200 als „Continuation Car“ keine Überraschung. Vom Audi S1 Quattro und anderen Gruppe B-Fahrzeugen gibt es schon länger Nach- und Neubauten. Boreham Motorworks schloß jetzt eine Vereinbarung mit der Ford Motor Company, den Ford RS200 bauen zu dürfen. Der originale Ford RS200 entstand vor 40 Jahren als Homologationsmodell für die Gruppe B.
Bei YouTube sind mehr als 40 Jahre alte TV-Serien gerade so in, dass Lifestyle-Magazine und Zeitungen regelmäßig über diesen Trend berichten und Tipps zum Schauen publizieren. Scheinbar gibt es bei vielen von uns eine Sehnsucht nach Gestern. Auch viele Autofreunde kennen dies. Sie sehnen sich nach einem unverfälschten echten Fahrgefühl. Kein Computer und kein Regelsystem soll eingreifen. Der Fahrer will bestimmen, wohin das Auto fährt und welcher Gang dabei zum Einsatz kommt. Anders ist der Run auf altes Blech nicht zu erklären. Und wer in den 1970er oder 1980er-Jahren aufwuchs, der erinnert sich oft gerne an die alte Gruppe B wie sie in der Rallye-Weltmeisterschaft zum Einsatz kam. Denn dort rannten bis 1986 hochgezüchtete Boliden mit bis 550 PS kräftigen Motoren. Allradantrieb und extremer Leichtbau mit südhaft teuren Materialen beflügelte die Boliden zusätzlich.
Leistung vor Sicherheit: Gruppe B
Alles zusammen führte dazu, dass die Gruppe B-Monster den Sprint von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in deutlich weniger als drei Sekunden hinlegten – auf Schotter wohlgemerkt. Dem Streben nach Performance musste sich alles unterordnen. Das führte zu Boliden, die genauso schnell wie gefährlich waren. Nicht nur im Lancia Delta S4 saßen Fahrer und Beifahrer praktisch in der Mitte des Benzins. Der tödliche Unfall von Henri Toivonen und Beifahrer Sergio Cresto führte zum Umdenken. Die FISA schrieb die Rallye-Weltmeisterschaft ab 1987 für Tourenwagen der Gruppe A aus und beendete die Epoche der Gruppe B vorzeitig. Das spontane Ende der Fahrzeugklasse war auch das Eingeständnis einer Fehlentwicklung. Denn als die FISA zum 1. Januar 1982 die Gruppe B einführte, wollte sie „nur“ mehr Fahrzeughersteller in den Rallye-Sport locken.
Deshalb halbierte sie die Anzahl der für eine Homologation erforderlichen Fahrzeuge. Statt – wie zuvor – 400 Exemplare waren nur noch 200 Exemplare notwendig. Die FISA hoffte so Hersteller wie Ferrari oder Porsche zurück auf die Rallye-Pisten holen. Um allzu große Exzesse zu verhindern, halbierte die FISA auch die Zeitspanne für den Bau der Homologationsfahrzeuge von 24 auf zwölf Monate. Man glaubte nicht an einen Markt für richtige Rennwagen. Doch gleichzeitig verankerte die FISA in ihren Regeln die Zehn-Prozent-Evolution. Wer 20 verbesserte Fahrzeuge baute, der konnte damit neue Teile für sein Fahrzeug homologieren. Das sollte ermöglichen bei den Sportgeräte die Modellpflege der Serie mitzunehmen. Denn die FISA hatte mit ihren Regeln auch Hersteller wie Audi im Blick, die mit dem Audi Quattro im Kern „nur“ eine sportliche Version des Audi Coupé anboten.
Doch der Wirt FISA machte die Rechnung ohne die Hersteller!
Die Mehrzahl der Hersteller ging einen anderen Weg und baute Modelle ohne echten Bezug zur Großserie. Die Mittelmotor-Sportler Peugeot 205 T16, der MG Metro 6R4 oder der Lancia Delta S4 hatten mit den zahmen Serienmodellen Peugeot 205, MG Metro oder Lancia Delta nur den Namen gemeinsam. Teilweise verzichteten die Hersteller sogar auf den Namen als letzten Serienbezug. Der Lancia 037 und der Ford RS200 waren auch namentlich völlig eigenständige Modelle. Und spätestens mit den Evolutionsmodellen verwandelten sich die Gruppe B-Boliden in reinrassige Rennwagen. Immer häufiger bauten die Hersteller die Evolutionsmodelle direkt nach den 200 Homologationsfahrzeugen. Das widersprach den ursprünglichen Zielen der Zehn-Prozent-Evolution und führte aber zu den Gruppe B-Monstern, die wir heute lieben.
Mit den Evolutionsmodellen explodierten die Kosten. Dazu kam, dass sich die „Serienmodelle“ – von Ausnahmen wie dem Ferrari 288GTO oder dem Porsche 959 abgesehen – nicht gut verkauften. Die Homologationsmodelle ließen sich oft nur mit großen Nachlässen verkaufen. Trotzdem zog sich der Verkauf oft über Jahre hin. Die letzten Lancia 037 fanden erst 1989 Kunden – mehr als sechs Jahre nach dem Debüt des Coupés. Beim Ford RS200 war es ähnlich. Dessen Entwicklung begann 1983, zuvor plante Ford mit dem Escort RS1700T in die Rallye-Weltmeisterschaft einzusteigen. Doch nach knapp vier Jahren wurde den Verantwortlichen des Autobauers klar, dass mit einem Hecktriebler kein Staat mehr zu machen war. Deshalb starteten die europäischen Töchter des amerikanischen Autobauers mit dem Ford RS200 ein neues Rallye-Projekt.
Mit dem Ford RS200 wollte Ford um die Rallye-WM kämpfen!
Die „200“ im Namen des Ford RS200 verwies auf die Anzahl für den Sporteinsatz zu bauenden Fahrzeuge. Ford entschied sich für ein kleines Mittelmotor-Coupé mit Allradantrieb. Die Konstruktion des Chassis übernahmen Formel 1-Designer Tony Southgate und Formel 1-Ingenieur John Wheeler. Ihr Chassis besteht wie bei den Formel 1-Boliden der frühen 1980er-Jahren aus einer Aluminium-Wabenstruktur (Honeycombs), die im Inneren der sechseckigen Struktur der Bienenwabe nachempfunden ist. Zwei Hilfsrahmen aus hochfesten Aluminium tragen die Aggregate. Denn um eine möglichst ausgeglichene Gewichtsverteilung zu erreichen, platzierten die Entwickler das Getriebe vor und den Motor hinter den Insassen. Das erforderte ein vergleichsweise komplexes Antriebssystem, dessen Entwicklung FF Developments übernahm.
Über dem Chassis liegt eine Verkleidung aus leichten Verbundwerkstoffen. Ihr Design stammte vom Designstudio Ghia. Das übernahm die Windschutzscheibe, die Türen und die Rückleuchten vom Sierra, um eine Verbindung zur Großserie herzustellen. Eine Skizze im FIA-Homologationsblatt zeigt den Aufbau genau. Beim Motor griff Ford auf den aufgeladenen Vierzylinder des RS1700T zurück. Wobei die Techniker den ursprünglich 1.778 Kubikzentimetern großen Motor für den RS200 auf 1.803 Kubikzentimeter brachten. Als Turbotriebwerk übersprang der Motor so rechnerisch die Grenze von 2.500 Kubikzentimetern. Denn mit „nur“ 2.489 Kubikzentimetern (1.778 x 1,4 = 2.489) hätte Ford im Wettbewerb nur 110 Liter Kraftstoff mitführen dürfen. Dank des rechnerisch auf 2.524 Kubikzentimeter gebrachten Motors durfte Ford wie die Konkurrenz einen 120 Liter großen Tank einbauen.
Der Ford RS200 kam zu spät, um Erfolg zu haben!
Auch bei den Aufhängungen nutzte Ford bei seinem RS200 reine Renntechnik. Alle vier Räder hängen wie bei Formel-Fahrzeugen an doppelten Dreiecks-Querlenkern. Auf der Belfast Motor Show 1984 stellte Ford sein neues Sportgerät der Öffentlichkeit vor. Am 2. Februar 1986 homologierte Ford endlich den neuen Sportwagen. Mit einem dritten Platz bei der Schweden-Rallye 1986 führten Kalle Grundel und sein Beifahrer Benny Melander den Ford RS200 durchaus erfolgreich in der Rallye-Weltmeisterschaft ein. Doch im Laufe der Saison zeigte sich, dass dem 1,8 Liter großen Triebwerk Leistung fehlte. Deshalb homologierte Ford am 1. Dezember 1986 eine Evolutionsversion mit einem neuen 2,1 Liter großen Motor. Da war das Ende der Gruppe B bereits besiegelt. Weshalb die Regelhüter das Homologationsblatt mit „Not valid for rally“ stempelten.
Schon bei der Homologation des Grundmodells des Ford RS200 nutzte Ford die Regeln maximal aus. Denn Ford wies zunächst „nur“ Teile für 200 Exemplare nach. Geplant war die Serienmodelle auf Anforderung zu bauen und den Kunden entscheiden zu lassen, ob er eine Straßen- oder Rallye-Version wünscht. Die Montage übernahm der Autobauer Reliant als Auftragsfertiger. Doch der Verkauf lief – wie bei anderen Gruppe B-Fahrzeugen – schleppend. Zudem war der Ford RS200 mit einem Preis von 150.000 DM relativ teuer. Deshalb wurden – je nach Quelle – nur 140 oder 146 Exemplare fertiggestellt. Doch der Ford RS200 war ein „Spätentwickler“. Denn schon in den 1990er-Jahren entstanden aus Ersatzteilen einige weitere Exemplare für Sammler oder den Einsatz im Rallyecross, wo der Ford RS200 bis Ende 1992 in der Europameisterschaft zum Einsatz kam.
Heute ist der Ford RS200 gesucht!
Inzwischen ist der Ford RS200 – wie andere Gruppe B-Farzeuge – ein gesuchter Klassiker. Doch anders als beispielsweise bei Audis kurzem Sport Quattro gibt es bei Ford kein Großserienmodell, das zum „Gruppe B“ reifen kann. In der Audi-Szene tauchen seit ein paar Jahren regelmäßig gekürzte Audi Coupé (Typ 86) auf, die zum Audi Quattro S1 mutieren. Deshalb schloß Ford jetzt mit Boreham Motorworks eine Vereinbarung, die dem britischen Unternehmen die Nachfertigung des Ford RS200 gestattet. Boreham Motorworks, eine Tochter der DRVN Automotive Group, wird auf Grundlage dieser Lizenzvereinbarung neben dem Ford RS200 auch den Ford Escort Mk I (Gruppe 5 von 1969) wiederauferstehen lassen. Geplant ist die neuen Ford RS200 zum 40. Geburtstag des Klassikers auf den Markt zu bringen.
Wobei die Ankündigung, die Ford und Boreham Motorworks kürzlich zu diesem Comeback verschickten, offen lässt, wann das genau sein wird. „Wir freuen uns, diese Reise mit der Ford Motor Company zu beginnen und eine Serie zu starten, die diese Ikonen der Vergangenheit neu definieren und neu mastern wird“, kommentiert Darren McDermott, Geschäftsführer der DRVN Automotive Group den Start des Projekts. Will Ford, General Manager, Ford Performance Motorsports ergänzt „Von dem ersten Mal an, als wir uns mit Boreham Motorworks und dem DRVN-Team trafen, war klar, dass sie eine aufregende Vision hatten, wie sie einige unserer kultigsten historischen Namensschilder für die Moderne zum Leben erwecken können“. Wer sich für einen neuen Ford RS200 interessiert, der kann jetzt unter auf der Website von Boreham Motorworks weitere Infos anfordern.