Rennsport-Geschichten

Super-Produktionswagen der Gruppe 5 – als Tourenwagen keine Grenzen kannten

Die „Deutsche Rennsport Meisterschaft“ (DRM) und ihre Super-Produktionswagen der Gruppe 5 stehen bis heute für die wohl aufregendsten Tourenwagen aller Zeiten.

Gruppe 5 BMW 320 des BMW Junior Teams
Marc Surer im BMW 320 des BMW Junior Teams beim Jubiläumslauf 40. Jahre BMW M beim AvD Oldtimer Grand Prix 2012 (Foto: Tom Schwede)

Auf der Grundlage eines sehr freizügigen Reglements definierten Porsche, Ford und BMW zusammen mit ihren Tunern und Teams ab 1977 bei jedem Rennen das Machbare des Tourenwagensports neu. Bald folgten auch später auch Lancia und Toyota dem Ruf der Serie und kämpften um Punkte, Siege und den Titel. Unter den dünnen Kunststoff-Karosserien der Super-Produktionswagen der Gruppe 5 verbargen sich Gitterrohr-Rahmen, zum Teil gebaut aus leichtem Aluminium, und extreme Renntechnik. Damit erzielten die Rennwagen auf der Strecke Rundenzeiten, die auf dem Niveau der damaligen Formel 1 lagen. Doch die Jahre der Gruppe 5 waren letztlich nur eine kurze Epoche der DRM, die deutlich ziviler startete.

Denn die Idee zur „Deutschen Rennsport Meisterschaft“ ging auf Hugo Emde, Sport- und PR-Chef des Stoßdämpfer-Unternehmens Bilstein, Ford-Sportleiter Jochen Neerpasch sowie Fritz Jüttner von Bosch-Renndienst zurück. Die ONS („Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland“) nahm die Idee der drei Manager 1972 gerne auf. Gefahren wurde zunächst mit Produktionswagen der FIA Gruppe 2. Mit rasender Geschwindigkeit entwickelte sich die „Deutsche Rennsport Meisterschaft“ bald zu der in Europa wichtigsten Serie für Renntourenwagen.

Ford Capri wie in den Anfangsjahren der DRM als Gruppe 2 Rennwagen zum Einsatz kam.
Ford Capri wie in den Anfangsjahren der DRM als Gruppe 2 Rennwagen zum Einsatz kam. (Foto: Tom Schwede)

Mitverantwortlich dafür, dass die DRM vergleichbare Rennserien überstrahlte, war das Konzept, das die sogenannten Produktionswagen in nur zwei Divisionen einteilte. Andere Serien kannten deutlich mehr Hubraumklasssen. In der Division I der DRM waren maximal zwei Liter Hubraum erlaubt. Wer mehr Hubraum hatte, der musste in der Division II starten. Bei der Einstufung von Turbomotoren kam ein Turbofaktor von 1,4 zum Einsatz. Im Premierenjahr 1972 sicherte sich der junge Hans-Joachim Stuck im Ford Capri den Titel. Auf den damals erst 21-jährigen Grainauer folgten 1973 und 1974 mit Dieter Glemser und Hans Heyer zwei Piloten aus dem Rennstall von Erich Zakowski. Dessen Zakspeed-Team wurde dadurch schnell selbst so populär wie seine Fahrer.

Ab 1977 dominieren die Spezial-Produktionswagen

Die „Deutschen Rennsport Meisterschaft“ entwickelte sich rasant weiter. Das Publikum liebte die Rennen der Tourenwagen, in denen selbst Deutschlands damalige Formel-1-Piloten Jochen Mass und Rolf Stommelen regelmäßig mitmischten. Um die Attraktivität zu Steiger, änderten die Verantwortlichen die Spielregeln und verabschiedeten sich von der FIA-Gruppe 2. Ab 1977 waren alle Topfahrzeuge nach den Regeln der FIA Gruppe 5 aufgebaute (Super)-Tourenwagen. Mit dem Wechsel zur Gruppe 5 gab die ONS den Startschuss zu einem bisher unbekannten Wettrüsten.

Gruppe 5 Ford Escort von Zakspeed mit der legendären Mampe Werbung
Gruppe 5 Ford Escort von Zakspeed mit der legendären Mampe Werbung

Denn auch wenn diese Fahrzeuge offiziell als sogenannte Spezial-Produktionswagen von ihren zahmen Brüdern der Gruppen 1 bis 4 abgeleitet wurden, handelte es bei ihnen um reine Prototypen. Die Regeln sahen vor, dass die Motorhaube, das Dach und die Türen einem Serienfahrzeug entsprechen mussten. Der Rest war weitestgehend freigestellt.

Unterhalb der Hüftlinie wuchsen die  Fahrzeuge deshalb in die Breite. Zudem übernahm unter der Karosserie in der Regel ein Gitterrohr-Rahmen, teilweise aus leichtem Aluminium eine tragende Rolle. Über alles stülpten die Konstrukteure dünne Silhouetten. Immer wieder loteten die Verantwortlichen die Grauzonen des Reglements aus. Weil die Regeln keine Mindesthöhe für die Position der Scheinwerfer vorsahen, entstanden Porsche 935 mit flacher Schnauze und Scheinwerfern knapp über der Fahrbahn.

Die Teams maximierten den Wettbewerb

Dazu waren es die Teams, die – häufig mit schillernden Persönlichkeiten an der Spitze – den Wettbewerb anheizten und für Aufmerksamkeit sorgten. Unvergessen das ewig spannende Duell der Kölner Porsche-Duellanten Kremer und Loos. Es war schließlich 1977 Rolf Stommelen, der sich im Team des Kölner Immobilienkaufmanns und Renn-Enthusiasten Georg Loos den ersten Titel in einem Gruppe 5-Fahrzeug sicherte. Ein Jahr später siegte Harald Ertl im Schnitzer-BMW 320i turbo, während 1979 Klaus Ludwig mit dem Porsche 935 K3 den Titel holte.

Gruppe 5 Porsche 935 in Outfit des Team von Georg Loos aus Köln
Gruppe 5 Porsche 935 in Outfit des Team von Georg Loos aus Köln (Foto: Tom Schwede)

Ludwig Porsche-Kremer glich sorgte damit im Zweikampf der Kölner Erzrivalen ein Unentschieden. Mit dem Wettbewerb sanken die Rundenzeiten. Dank des Einfallsreichtums der Hersteller und der Teams führte die Entwicklung zu Tourenwagen, die im britischen Silverstone auf dem Niveau der damaligen Formel 1 unterwegs waren. Auf der Nordschleife fuhr Manfred Winkelhock im Gruppe-5 Ford Capri in 7:18,48 Minuten um den 22,835 km langen Kurs. Zur schnellsten Rennrunde der Formel 1, die allerdings 1976 letztmals auf der Nordschleife antrat, fehlten nur noch acht Sekunden.

Mit den sinkenden Zeiten steigen die Kosten

1980 feierte Hans Heyer im Lancia Beta Montecarlo seinen dritten Titel, ehe Klaus Ludwig im unglaublichen Zakspeed Capri den fünften Titel für Erich Zakowski holte. Dieser Erfolg bildete den Schlusspunkt einer spannenden Zeit. Denn das teure Wettrüsten, war zunehmend schwieriger zu finanzieren. Daher öffneten die Verantwortlichen im deutschen Motorsport ab 1982 die „Deutsche Rennsport Meisterschaft“ für Sportprototypen. Diese Entscheidung war wohl auch eine Folge der durch die FIA überarbeiteten internationalen Klassifizierungen, die die Gruppen 1 bis 6 in die Gruppe A, Gruppe B und C überführte – damit wurde die Gruppe 5 zum Auslaufmodell.

Zakspeed Ford Capri Gruppe 5 beim AvD Oldtimer Grand Prix.
Ein Zakspeed Ford Capri Gruppe 5 beim AvD Oldtimer Grand Prix.

Doch zumindest im ersten Jahr blieben Rennwagen der damals neuen Gruppe C selten. Joest brachte mit dem Porsche 936 stattdessen einen Gruppe-6-Boliden an den Start und sicherte sich die Meisterschaft. Klaus Niedzwiedz gewann mit dem Ford Capri Turbo der Gruppe 5 immerhin noch zwei Läufe. Trotzdem endete mit der Öffnung der DRM für Sportprototypen die Epoche der wohl aufregendsten Tourenwagen aller Zeiten. Denn ab 1983 dominierte der Porsche 956 die DRM, die Tourenwagen der Gruppe 5 füllten jetzt nur noch das Feld auf.

Die Meister der DRM im Überblick 

JahrTitelträger
1972Hans-Joachim Stuck, Ford Motorenwerke, Ford Capri RS
1973Dieter Glemser, Zakspeed Racing, Ford Escort
1974Dieter Glemser, Zakspeed Racing, Ford Escort
1975Hans Heyer, Zakspeed Racing, Ford Escort
1976Hans Heyer, Zakspeed Racing, Ford Escort
1977Rolf Stommelen, Georg Loos, Porsche 935
1978Harald Ertl, Schnitzer Motorsport, BMW 320 Turbo
1979Klaus Ludwig, Kremer Racing, Porsche 935 K3
1980Hans Heyer, GS-Tuning, Lancia Beta Montecarlo
1981Klaus Ludwig, Zakspeed Racing, Ford Capri Turbo
1982Bob Wollek, Joest Racing, Porsche 936
1983Bob Wollek, Joest Racing, Porsche 956 C
1984Stefan Bellof, Brun Motorsport, Porsche 956 B
1985Jochen Mass, Joest Racing, Porsche 956

Seit 2005 holt der AvD im Rahmen des AvD Oldtimer Grand Prix regelmäßig Fahrzeuge aus der ehemaligen DRM auf die Strecke zurück. Diese Bilder entstanden 2006 im Rahmen des „Revival Deutsche Rennsportmeisterschaft“:

Der Lotus Europa Gruppe 5 auf der Grand Prix-Strecke des Nürburgrings.
Die Gruppe 5 trieb teilweise skurrile Blüten. Diesen Lotus Europa Gruppe 5 lies Harald Ertl bei Zakspeed bauen. Grundlage war ein Sportwagen-Chassis von TOJ. Den Antrieb übernahm der aus dem Ford Capri bekannte Zakspeed-Turbo. 2004 kehrte der Lotus Europa beim AvD Oldtimer Grand Prix zurück auf eine Rennstrecke. (Foto: AutoNatives.de)

Mehr zur DRM hier im Blog

Mehr über die Deutschen Rennsport Meisterschaft gibt es auch in diesen drei Artikeln hier im Blog:

  • Serie: Deutsche Rennsport Meisterschaft 1972 bis 1985
  • Deutsche Rennsport Meisterschaft – Teil 2: Aller Anfang ist schwer!
  • Deutsche Rennsport Meisterschaft – Teil 3: Souverän zum Titel

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Marc Surer im BMW 320 des BMW Junior Teams

Foto: Tom Schwede

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!