In den 2010er-Jahren eilte der Absatz von Diesel-Motoren in Deutschland von einer Rekordmarke zur Nächsten. Doch der Skandal um Software, die erkennt, wann ein Auto auf dem Prüfstand steht und die im Alltag gültige Regeln ignoriert, setzte dem Selbstzünder stark zu. Das ist fast schon irrational. Denn der Diesel im Pkw ist immer noch die effizienteste Methode, um Kraftstoff in Arbeit umzuwandeln. Wir blicken daher auf den langem Anlauf zurück, den der Diesel im Pkw benötigte, um von der Randerscheinung zum Trendsetter zu werden.
Der Diesel-Motor reifte 1893 von der Idee zum Prototypen. Am 10. August 1893 lief der erste Versuchsmotor. Die ersten kommerziell eingesetzten Diesel-Motoren waren stationäre Motoren in Fabriken oder Kraftwerken. Es folgten Schiffe und Lokomotiven. In den 1920er-Jahren gab es erste Nutzfahrzeuge mit Diesel-Motoren. Den Sprung ins Auto schaffte der Diesel im Olympiajahr 1936, als Mercedes-Benz und Hanomag die ersten Diesel im Pkw vor. Da blickte der Diesel-Motor schon auf mehr als 40 Jahren Geschichte zurück. Besonders Taxifahrer erkannten sofort den Charme des Diesels im Pkw schnell. Denn der sparsame Diesel-Motor senkte die Betriebskosten ihrer Fahrzeuge sofort deutlich. Kosten waren für den Diesel im Pkw immer ein gutes Argument.
Das Comeback nach dem Zweiten Weltkrieg
1940 mussten alle deutschen Autobauer die Produktion ziviler Kraftfahrzeuge auf Geheiß der Nationalsozialisten einstellen, um sich auf „kriegswichtige“ Produkte zu konzentrieren. So endete die Produktion des Mercedes-Benz 260D als auch des Hanomag Rekord Diesel schon nach weniger als vier Jahren. Daimler-Benz blickte da auf 1.967 gebaute Diesel-Pkw zurück. Hanomag baute von seinem Diesel-Pkw sogar nur 1.074 Exemplare. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot Mercedes-Benz zunächst ausschließlich Fahrzeuge mit Ottomotoren an. Hanomag konzentrierte sich zunächst auf den Bau von Nutzfahrzeugen. Der Neustart als Autobauer mit dem Kleinwagen Hanomag Partner ließ sich nie realisieren. So feierte der Diesem im Pkw bei Hanomag nie ein Comeback.
Bei Daimler-Benz feierte im Mai 1949 mit dem Mercedes-Benz 170 D der Diesel im Pkw sein Comeback. Im Fahrgestell der bereits vor dem Krieg vorgestellten Baureihe W 136 steckte mit dem OM 636 ein komplett neu entwickelter Dieselmotor. Das intern als „Oel-Motor“ (OM) bezeichnete Aggregat erzeugte aus 1,7 Liter Hubraum zunächst 38 PS Leistung. Unter Oldtimer-Freunden ist die Polizei-Variante 170 D OTP heute besonders gesucht. Von Anfang an bot Mercedes den Viertakt-Vorkammer-Diesel auch als Industriemotor an. Der Verkauf des Motors an Hersteller von Treckern, Strom-Generatoren, Gabelstaplern oder Booten war für Mercedes-Benz von Anfang an ein gutes Geschäft.
Mit dem „Oel-Motor“ schrieb Daimler-Benz eine Erfolgsstory!
Mehr als drei Jahrzehnte verkaufte Mercedes den Motor an Kunden in aller Welt. Seat in Spanien baute den OM 636 bis 1980 in den Taxi-Varianten des Seat 124 ein. Als Einbau-Motor, zum Beispiel für Gabelstapler, stand der Motor noch bis in die 1990er Jahre in den Preislisten von Daimler-Benz. Zu den ersten Kunden des OM 636 zählte auch die Boehringer Werkzeugmaschinen GmbH. Sie rüstete – noch vor dem Debüt des 170 D – ab Februar 1949 mit dem neuen Diesel-Motor aus Stuttgart ihr „Universal-Motor-Gerät“ (Unimog) aus. Der Motor blieb – mit etwas mehr Hubraum – auch an Bord, als Daimler Benz im Oktober 1950 die Rechte am Unimog erwarb und dessen Produktion von Göppingen nach Gaggenau umzog.
Auch als Mercedes seine Mittelklasse 1952 grundlegend überarbeitete blieb der Oel-Motor an Bord. Nur der Hubraum wurde für den Einsatz im Ponton-Modell der Baureihe W 120 moderat auf jetzt 1,8 Liter vergrößert. Im „neuen“ 180 D standen damit zunächst 40 Diesel-PS zur Verfügung. Drei Jahre später steigerte Mercedes die Leistung auf 43 PS. Trotz dieser aus heutiger Sicht bescheidenen Leistung stieg der 180 D dank seiner großen Wirtschaftlichkeit schnell zum Liebling der Taxifahrer auf. In praktisch allen deutschen Städten kam der Mercedes-Benz 180 D als Taxi zum Einsatz. Im Kieler Stadtarchiv fand ich ein wunderbares Bild von Friedrich Magnussen, der das Stadtgesehen über Jahrzehnte mit seiner Kamera begleitete. Es zeigt, das die Begriffe „Taxi“ und „180 D“ in den 1960er-Jahren das Gleiche beschrieben.
Die Nockenwelle wanderte in den Zylinderkopf – das beflügelte die Leistung!
Obwohl – oder weil – der OM 636 bei den Kunden so beliebt war, trieb Mercedes-Benz die Entwicklung des Dieselmotors in den kommenden Jahren weiter voran. 1958 stellten die Stuttgarter im 190 D mit dem OM 615 einen Dieselmotor vor, der als erster Pkw-Diesel mit einer Nockenwelle im Zylinderkopf bestückt war. Damit stieg die Leistung auf 50 PS aus 1,9 Liter Hubraum an. Weil nicht alle Kunden an dieser Leistungssteigerung interessiert waren, blieb der Vorgängermotor mehr als drei Jahre als 180 D weiter im Angebot des Stuttgarter Autobauers. Auch der als OM 615 bezeichnete neue Diesel-Motor von Mercedes-Benz wurde zu einem echten Langläufer. In vielen kleinen Schritten optimierte Daimler-Benz dem Motor im Laufe der Jahre immer weiter und beflügelte damit den Diesel im Pkw weiter.
Mehr als vier Jahrzehnte trieben die Vierzylinder mit Vorkammereinspritzung bei Mercedes-Benz die Fahrzeuge der Mittelklasse an. Zusammen mit dem Ingenieurbüro von Ferdinand Piëch entstand Anfang der 1970er-Jahre ein Ableger des Motors mit fünf Zylindern. Eine echte Neukonstruktion in dieser Fahrzeugklasse stellte Mercedes-Benz erst 1983 mit dem OM 601 vor. Denn in den damals neuen Baby-Benz 190 D der Baureihe W 201 passte das bewährte Aggregat nicht herein. Zusammen mit dem OM 601 entstanden auch die OM 602 und OM 603 genannten Versionen mit fünf und sechs Zylindern. Trotzdem produzierte die damalige Daimler-Benz AG den Klassiker OM 615 bis 1995 als Industriemotor und den Einsatz in Nutzfahrzeugen weiter.
Peugeot brachte den Diesel in den Kleinwagen
Nach dem Erfolg von Daimler-Benz sprangen bald weitere Autobauer auf den Diesel-Trend auf. Doch selbst Größen wie Ford oder Alfa Romeo (in der heute etwas widersprüchlich wirkenden „Giulia Nuova Super Diesel“) vertrauten dabei meist auf Dieselmotoren, die sie bei Herstellern wie der Perkins Engines Company hinzukauften. Peugeot setzte im Gegensatz dazu von Anfang an auf Eigenentwicklungen. Ab 1959 bot der Autobauer aus Sochaux im Peugeot 403 einen selbst entwickelten 1,9 Liter großen Dieselmotor an. Der Motor verfügte als erstes wassergekühltes Serienfahrzeug über einen automatisch temperaturabhängig gesteuerten Lüfter, der bei einer Wassertemperatur von 82 Grad Celsius anging und bei 75 Grad Celsius wieder abschaltete.
Zur Vorstellung des Nachfolgemodells 404 zeigte Peugeot einen einsitzigen Diesel-Prototyp. 1965 stellte dieser Peugeot 404 Diesel Record auf der Rennstrecke von Montlhéry bei Paris insgesamt 40 Geschwindigkeits- und Zuverlässigkeitsweltrekorde auf. Dabei legte der Diesel 11.000 Kilometer mit einem Durchschnittstempo von 161 Kilometer pro Stunde zurück. Drei Jahre später folgte im Peugeot 204 der bis dahin kleinste Diesel-Pkw der Welt. Dessen Selbstzünder verfügte „nur“ über einen Hubraum vom 1.255 ccm. Peugeot bot diesen Motor zunächst nur im Break genannten Kombi an. Damit adressierte der französische Autobauer – anders als auf dem Pressefoto von 1968 – Handwerker. Denn auf dem Bild wirkt der Peugeot 404 Break trotz des Parkplatzes in einem Trockendock eher wie ein Life-Style-Kombi.
Mit dem Turbodiesel wurde der Diesel im Pkw endgültig salonfähig!
Acht Jahre später bot auch Volkswagen einen Diesel an. Der 50 PS starke VW Golf Diesel verfügte über eine bis dahin unbekannte Dynamik. Die nahm noch zu, als die Turbo-Technik in den 1970er-Jahren in den Serienbau Einzug hielt. Dabei spielte wieder Daimler-Benz eine wichtige Rolle. Der Mercedes-Benz 300 SD war der weltweit erste Serien-Turbodiesel. Bald folgte Volkswagen mit dem Golf GTD diesem Vorbild. Zusammen hoben die beiden deutschen Autobauer den Diesel im Pkw auf ein neues Niveau. Den nächsten Meilenstein setzte die bei der VW-Tochter Audi maßgeblich entwickelte Direkteinspritztechnik. Sie überzeugte bald täglich neue Kunden vom Diesel im Pkw – bis dort die Abschaltautomatik den Ruf vom Diesel im Pkw ruinierte.