Heute ist die Benzin-Direkteinspritzung im Motorenbau fast schon der Standard. Das hätte beim Debüt der Direkteinspritzung im Auto wohl niemand erwartet. Denn sowohl der Goliath GP 700 Sport-Coupé als auch der Gutbrod Superior 700 E, die beide auf der IAA 1951 als Erste mit einer Direkteinspritzung glänzten, war kein Erfolgsmodell.
In den vergangenen 20 Jahren entwickelte sich die Benzin-Direkteinspritzung von der Nischentechnik zum Mainstream. Denn bis zu Beginn dieses Jahrtausends galt die Benzin-Direkteinspritzung als exotisches Merkmal einiger Hoch- oder Höchstleistungsmotoren. Entwickelt wurde sie übrigens schon in den 1930er-Jahren. Damals suchten Flugzeugbauer nach einem Motor, der in jeder Lage funktionierte. Denn ein lageunabhängiger Betrieb versprach – im Vor-Düsenzeitalter – Vorteile im Luftkampf. Erst 1999 rückte Mitsubishi mit einem 2,4 Liter großen GDI-Ottomotor die Benzin-Direkteinspritzung ins Bewusstsein der Auto-Freunde. Der Motor war jedoch noch kein Erfolgsmodell, denn bei höherer Laufleistung gab es Probleme mit der Verkokung des Ansaugtraktes.
Goliath und Gutbrod bauten Zweitakter mit Benzin-Direkteinspritzung
Auf der Suche nach Möglichkeiten zum Kraftstoffsparen sowie zur Reduzierung der Schadstoffe im Abgas erinnerten sich die Techniker des japanischen Autobauers an das Prinzip Direkteinspritzung. Es war ein Comeback der Technik im Auto. Schließlich rannten schon 1953/54 die Rennwagen von Mercedes-Benz mit einer Benzin-Direkteinspritzung. Wobei die Technik selbst schon 1951 auf der IAA in Frankfurt – interessanterweise – mit zwei Serienfahrzeugen ihre Premiere feierte. Denn dort standen das Goliath GP 700 Sport-Coupé und der Gutbrod Superior 700 E – beides Fahrzeuge mit einem vom Hans Scherenberg entwickelten Zweitakt-Motor, die ihr Gemisch direkt in den Brennraum eingespritzt bekamen.
Ingenieur Scherenberg arbeitete während des Zweiten Weltkriegs bei Daimler-Benz an Flugmotoren. Nach dem Krieg war Scherenberg für das Ingenieurbüro Dr. Schnürle tätig. Dessen Gründer Dr. Adolf Schnürle gilt als Erfinder der Umkehrspülung des Zweitaktmotors. In seiner Zeit bei Dr. Schnürle konstruierte Scherenberg für die Borgward-Tochter Goliath einen 688 cm³ großen Zweitaktmotor. Carl F. W. Borgward wollte mit der bisher vor allem als Kleinlaster-Produzent bekannten Marke Goliath in die untere Mittelklasse einsteigen. In der Nutzung des Zweitaktmotors sah Borgward die Möglichkeit, ein günstiges Fahrzeug anzubieten. Zudem galten Zweitakter nach den Erfolgen von DKW vor dem Krieg als robust und zuverlässig.
Zweitaker im Auto? Das erinnert an DKW und die Auto Union!
Nun fiel DKW als traditioneller Konkurrent in dieser Klasse zunächst aus. Denn die Werke der ehemaligen Auto Union lagen im im sowjetischen Einflussgebiet. Als der Goliath GP 700 schließlich 1950 fertig war, veränderte sich der Markt für Borgward erheblich. Denn in Düsseldorf begann die inzwischen in Ingolstadt neu gegründete Auto Union mit der Meisterklasse ein vergleichbares Fahrzeug zu bauen. Die Kunden griffen lieber zum „bewährten“ DKW als zum Neueinsteiger Goliath oder auch dem ebenfalls neuen Herausforderer Gutbrod. Insofern musste etwas her, dass DKW nicht bieten konnte. Die Wahl fiel – bei Goliath und bei Gutbrod – auf eine Benzin-Direkteinspritzung.
Bei Goliath war August „Bubi“ Momberger, Ingenieur und ehemaliger Grand Prix-Pilot inzwischen als Technischer Direktor tätig. Momberger fuhr bereits während des Kriegs einen Versuchsträger von DKW mit Direkteinspritzung. Zusammen mit Bosch rüstete Momberger den von Scherenberg konstruierten Zweitakter mit einer modifizierten Dieseleinspritzanlage aus. Mit einer Einspritzanlage war es möglich, den Kraftstoff erst nach dem Gaswechsel in den Brennraum zu geben. Der Einspritzvorgang endet 10° vor dem unteren Totpunkt. Dadurch kommt, anderes als beim herkömmlichen Zweitakter, nicht zu den sogenannten Spülverlusten, die den Verbrauch nach oben treiben.
In der Theorie versprach die Direkteinspritzung eine Kraftersparnis von einem Drittel!
Insofern erinnert das Ganze an den Ansatz von Mitsubishi gut vier Jahrzehnte später. Auf der IAA präsentierte Borgward die innovative Einspritzung im Goliath GP 700 E Sportcoupé. Ab 1952 war das 688 cm³ große und 29 PS starke Aggregat auch in der Limousine Goliath GP 700 E verfügbar. Dazu entstand ein 845 cm³ großer und 36 PS starker Ableger des Motors für das Goliath Sportcoupé mit der schnittige Karosserie aus dem Hause Rometsch. Um den Komfort für die Kunden zu erhöhen, rüstete Goliath seine Einspritzmotoren mit einer komfortablen Frischölschmierung, statt der bei Zweitaktmotoren üblichen Gemischschmierung aus.
Hans Scherenberg verfolgte die Entwicklung bei Goliath nicht mehr in der ersten Reihe mit. Denn der Ingenieur wechselte bereits 1948 vom Ingenieurbüro Dr. Schnürle zu Gutbrod nach Plochingen am Neckar. Mit kleinen Nutzfahrzeugen wie dem Gutbrod Heck 504, dem 1950 präsentierten Gutbrod Atlas 800 und seinen Traktoren verdiente das Unternehmen nach dem Krieg relativ schnell wieder gutes Geld. Ab 1949 baute Gutbrod auch wieder PKW. Denn 1933 bis 1935 scheiterte Gutbrod mit dem Standard Superior, einem von Josef Ganz entwickelten Kleinwagen, und wagte nun den zweiten Versuch.
Bei Gutbrod rüstete Hans Scherenberg seinen Zweitakter zum Einspritzer um!
Als Technischer Leiter entwickelte Hans Scherenberg bei Gutbrod den benötigten Motor. Aus Kostengründen entschied sich auch Gutbrod für einen Zweitakter. Zudem war der – auch dank der Verpflichtung von Scherenberg – schnell verfügbar. Zwei Versionen mit 593 cm³ Hubraum (Bohrung × Hub 71 mm × 75 mm) und 663 cm³ Hubraum (Bohrung × Hub 75 mm × 75 mm) entwarf der Ingenieur. Zunächst mit klassischen Vergasern bestückt, boten sie 22 PS beziehungsweise 26 PS Leistung. Die 1951 auf der IAA präsentierte Version mit Benzin-Direkteinspritzung erreichte eine Leistung von 30 PS. Bei der Umrüstung auf eine Direkteinspritzung griff Scherenberg auf seine Erfahrungen mit dem Flugmotor DB601 zurück.
Das Angebot des gleichen Basismotors mit Vergaser und Direkteinspritzung ermöglichte einen interessanten Vergleich. Denn bei der Vergaserversion lag der Verbrauch bei 7,5 Liter Zweitaktgemisch. Der Einspritzer begnügte sich – dank seiner Getrenntschmierung – mit 7,0 Liter Benzin. Damit bestätigten sich optimistischen die Annahmen zur Reduzierung des Verbrauchs nicht. Statt 1/3 weniger verbrauchte der Einspritzer nur 6,6 Prozent weniger als sein Vergaser-Bruder. Das rechtfertigte kaum den hohen Aufpreis, denn Gutbrod verlangte. Dazu kam, dass die Technik fragil war. Den Werkstätten fehlte die Erfahrung, um die Einspritzpumpen sauber abzustimmen. Teilweise ließen Kunden in den Hersteller-Werkstätten oder bei Bosch-Diensten ihre Motoren auf Vergaser umrüsten!
Warum scheiterte die Direkteinspritzung zunächst?
Da half es auch nicht, das die Einspritzer-Besitzer die Schubabschaltung und den ruhigeren Leerlauf ihrer Motoren begrüßten. Die Problem im Alltag überwogen die unbestrittenen Vorteile. Gutbrod war 1953 zahlungsunfähig. Ein Teilverkauf und die Einstellung des Autobaus waren die Folge. Ab 1954 beschränkte sich Gutbrod darauf Maschinen für Landwirtschaft, Gartenbau und kommunale Aufgaben herzustellen. Auch Borgward wandte sich von der Idee und dem Zweitakter ab. Beim ab 1957 angebotenen Goliath GP 1100 vertraute auch Borgward auf einen Viertakter. Damit waren die Tage der Direkteinspritzung auch in Bremen schnell wieder vorbei.
So blieb Mercedes-Benz, wohin Hans Scherenberg schon 1952 zurückkehrte, der einzige Nutzer der frühen Benzin-Direkteinspritzung. 1954 und 1955 fuhren die Mercedes-Benz 300 SLR in der Formel 1 alles in Grund und Boden. Deshalb wagte Mercedes den Einsatz der Benzin-Direkteinspritzung auch in der Serie. Der Flügeltürer 300 SL von 1954 sowie der von 1955 bis 1958 gebaute Mercedes-Benz 300 S verfügten über eine Benzin-Direkteinspritzung. Doch auch bei Mercedes-Benz gab es immer wieder Probleme mit den Einspritzpumpen. Daher stellte Mercedes seine Motoren ab 1957 auf eine Saugrohreinspritzung um. Damit geriet die Benzin-Direkteinspritzung in Vergessenheit.