Rennsport-Geschichten

EuroBrun ER-189 – Autos, die man gern vergißt

Zur Formel 1 gehört – seit ihrer Gründung – auch das Scheitern. Gerade deshalb haben auch die schlechten Autos der Formel 1 ein Recht auf ihren Platz im kollektiven Gedächtnis. Zu den schlechtesten Fahrzeugen der F1-Geschichte gehört wohl auch der EuroBrun ER-189, den wir Euch heute vorstellen.

Claudio Langes im EuroBrun ER189B
Claudio Langes im EuroBrun ER189B in der Vorqualifikation zum GP von Kanada 1990. Der Italiener verpasste dabei den Sprung in die reguläre Qualifikation. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Der Schweizer Walter „Walti“ Brun brachte es mit dem Aufstellen von Spielautomaten zu einem soliden Wohlstand. In seiner Freizeit fuhr der Schweizer als Amateur seit den 1970er-Jahren Rennen. 1983 entstand mit „Brun Motorsport“ ein eigenes Team. Grundstock des Teams war GS Tuning des BMW-Händlers Gerhard Schneider. Brun kaufte das Team aus Freiburg, das 1980 noch Lancia und Hans Heyer den DRM-Titel sicherte.

Brun Motorsport trat in der Sportwagen–Weltmeisterschaft sowie der IMSA–GT–Meisterschaft erfolgreich mit den Porsche–Typen 956 und 962 an. 1986 gewann das Team die Sportwagen–Weltmeisterschaft. Gleichzeitig neigte sich in der Formel 1 das Zeitalter der Turbomotoren dem Ende zu. Der Umstieg auf die heute noch genutzten Saugmotoren versprach eine Kostenreduzierung, die die Formel 1 für kleinere Teams wieder finanzierbar erscheinen lies.

1988 wagte Walter Brun den Schritt in die Königsklasse des Motorsports

Gemeinsam mit dem Italiener Gianpaolo Pavanello, der bereits seit den 1970er–Jahren das Team Euroracing betrieb, gründete Brun „EuroBrun“. Von der Zusammenarbeit mit Pavanello versprach sich Brun Zugriff auf Formel 1-Erfahrung. Denn Pavanello war nach großen Erfolgen in der Formel 3 Anfang bereits von 1983 bis 1985 in der Königsklasse aktiv. Der Italiener übernah die Rennwagen und das Material des Alfa Romeo Formel 1 Werkteams und trat unter dem Namen „Euroracing Alfa Romeo“ in der Formel 1 an. „Euroracing Alfa Romeo“ fuhr jedoch den eigenen Erwartungen hinterher.

EuroBrun 189 in Hockenheim
EuroBrun 189 in Hockenheim bei einem Einsatz im historischen Motorsport. (Foto: Tom Schwede)

Daher drängte Alfa Romeo Ende 1985 auf einen Rückzug Pavanellos aus der Formel 1. Kritikern, die Brun gut zwei Jahre später vor einer Zusammenarbeit mit Pavanello warnten, entgegnete Brun seinerzeit „Die größten Chaoten waren damals doch die Alfa–Leute und nicht der Pavanello!“. Für die Zusammenarbeit unter den Namen „EuroBrun“ vereinbarte man eine klare Aufgabenteilung. Brun kümmerte sich um die Finanzen und überwies für das Formel 1-Abenteuer circa 300.000 US-$ pro Monat nach Italien.

Pavanello kümmerte sich um die Teamstruktur und den Bau der Fahrzeuge. Um Kosten zu sparen, griff der Italiener auch auf Material aus der Alfa–Zeit zurück. So basierte der erste EuroBrun auf einem vier Jahre alten Monocoque des Alfa Romeo 184T. Am Anfang der Saison 1988 sah das Team damit sogar halbwegs gut aus. Zunächst gelang den Piloten von EuroBrun meist sogar ohne Probleme die Qualifikation für die Rennen. Doch im Verlauf der Saison verlor das Team von Rennen zu Rennen immer weiter den Anschluss.

EuroBrun ER-189
EuroBrun ER-189 bei der „Hockenheim Historic – In Memory of Jim Clark“ 2013 (Foto: Tom Schwede)

Wahrscheinlich hielt langsam auch Walter Brun seinen Partner Gianpaolo Pavanello für chaotisch. Die Teilhaber stritten zunehmend über die Gründe für das schlechte Abschneiden. Am Ende der Saison trennten sich die Partner. Walter Brun übernahm das gesamte Team und gründete Brun im britischen Basingstoke „Brun Technics“. Das Technikbüro sollte unter der Leitung von George Ryton neben einem neuen Gruppe C-Sportwagen als neues Formel 1-Einsatzfahrzeug auch den EuroBrun ER-189 entwerfen.

Debüt in Hockenheim

Zum Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring im Sommer 1989 war der Hoffnungsträger endlich fertig. Dank des eines neu gewonnenen Hauptsponsors, dem deutschen Likör–Hersteller Jägermeister, trat der EuroBrun ER-189 beim Debüt in einem feschen Orange an. Doch die Lackierung zierte ein eher schweres und vergleichsweise langsames Auto. Zudem war es durch das eher unberechenbare Handling schwer fahrbar. Sowohl am Hockenheimring als auch beim nächsten Rennen auf dem ungarischen Hungaroring erwies sich der neue Wagen als nicht konkurrenzfähig.

EuroBrun ER-189
EuroBrun 189 im „falschen Kleid“ – gesehen 2010 in Hockenheim

In Belgien wechselte das Team zum Vorgängermodell zurück, um den EuroBrun ER-189 zu überarbeiten. Eine neue Hinterachse, die vom Vorgänger stammte, machte das Auto tatsächlich besser fahrbar. Doch den Sprung ins Starterfeld der Königsklasse sollte der EuroBrun ER-189 in diesem Jahr nicht mehr schaffen. Vor Saisonende zog sich der Hauptsponsor zurück. Das Team trat bei den Überseerennen in Japan und Australien mit einem schwarzen Auto an. Zur nächsten Saison überarbeitete das Team das Fahrzeug nochmals.

Diesmal zeigten die Bemühungen sogar einen gewissen Erfolg!

Denn Roberto Moreno schaffte es immerhin dreimal, den EuroBrun ER-189 für ein Rennen zu qualifizieren. Dabei halfen dem kleinen Brasilianer sicherlich auch die Pirelli–Reifen, die zu dieser Zeit als die perfekten Qualifikationsreifen galten. Beim Saisonauftakt in den USA sah der EuroBrun ER-189 sogar die Zielflagge. Moreno kam beim Rennen in Phoenix, Arizona als 13. ins Ziel. Doch es blieb bei diesem Hoffnungsschimmer.

EuroBrun ER-189 im Originalkleid
2011 trug der EuroBrun wieder sein Originalkleid. mIt der Jägermeister-Werbung trat EuroBrun u.a. 1989 beim GP von Deutschland an.

Denn auch in der dritten Formel 1 Saison verlor das Team von Rennen zu Rennen den Anschluss. Nur noch einmal gelang dem EuroBrun ER-189 der Sprung ins Starterfeld. Ansonsten war das Grand Prix-Wochenende des Teams meistens bereits in der damals üblichen Vorqualifikation zu Ende. Noch vor dem Ende der Saison warf Walter Brun das Handtuch. EuroBrun sperrte zu und verzichtete auf eine weitere Teilnahme an den Rennen der Königsklasse.

Der EuroBrun ER-189 heute

Mit dieser Geschichte dürfte der EuroBrun ER–189 eines der erfolglosesten Formel 1 Autos der Geschichte sein. Trotzdem – oder gerade deswegen – gehört der EuroBrun ER-189 heute zu den durchaus gesuchten Fahrzeugen dieser Epoche der Formel 1. Denn der Rennwagen steht für einen gewissen Aufbruch. Er steht für die neuen Möglichkeiten, die Ende der 1980er-Jahre zahlreiche neue Teams in die Formel 1 spülten.

Einen EuroBrun ER-189 steuert der Deutsche Heinrich Bücherl regelmäßig bei den Auftritten der Fahrergemeinschaft „RaceHistory on Track“. Ein weiteres Exemplar bietet Mark Mullen von der britischen Firma ClassicCarsForSale zurzeit in England zum Verkauf an. Der neue Besitzer könnte damit beispielsweise in der „EuroBOSS Series“ ein neues Betätigungsfeld finden. Dabei hätte der neue Eigner dann die Gewissheit, einen Formel 1 mit einer ganz besonderen Geschichte zu bewegen.

Daten zum Fahrzeug

TypEuroBrun ER-189
Baujahr1989
Radstand2905 mm
MotorJudd CV, 90° V8 mit 3,5 Litern Hubraum
Leistung600 PS bei 12500 Umdrehungen pro Minute
Schaltungmanuelles 6 Gang Getriebe
FahrerRoberto Moreno, Oscar Larrauri und Claudio Langes

Wir danken Mark Mullen von der britischen Firma ClassicCarsForSale für die Fotos und die Informationen zum „EuroBrun ER-189“.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Claudio Langes im EuroBrun ER189B in der Vorqualifikation zum GP von Kanada 1990. Der Italiener verpasste dabei den Sprung in die reguläre Qualifikation.

Foto: Archiv AutoNatives.de

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!