Auto-Erinnerungen

Mercedes-Benz G-Modell – 40 Jahre Dröhnland

Als Daimler-Benz das Mercedes-Benz G-Modell präsentierte, stellte die SPD den Bundeskanzler und der HSV war Deutscher Fußballmeister. Der Geländewagen immer ist noch da – vielleicht war 1979 doch kein schlechter Jahrgang!

Das Beste oder nichts! Tja, es gab Zeiten, da war dieser Satz ein Statement und nicht nur ein Werbespruch. Mit überragenden Qualitäten abseits befestigter Wege definierte das G-Modell bei seinem Debüt 1979 den Standard für Geländewagen neu. Daran änderte sich bis heute nur wenig. Die größte Revolution war, dass das Marketing der Marke Mercedes den Namen des Autos 1993 von G-Modell in G-Klasse änderte.

Ansonsten pflegten die Techniker das in seiner Grundform bis ins letzte Jahr kaum veränderte Fahrzeuge kontinuierlich weiter. Schon bald nach dem Debüt zogen Turbolader und Systeme der Abgasreinigung in das G-Modell ein. Später folgte alles, was heute an elektronischen Helferlein für Komfort und Sicherheit sorgt. Angesichts der Tatsache, dass die Grundzüge der Konstruktion aus der ersten Hälfte der 1970er-Jahre entstammen, eine bemerkenswerte Entwicklung.

1979 war eine andere Zeit!

Um die Weitsichtigkeit der Konstrukteure zu verstehen, hilft ein Blick zurück ins Jahr 1979. Die SPD stellt mit Helmut Schmidt den Bundeskanzler, der HSV wurde deutscher Fussballmeister. Auto des Jahres wurde der Simca Horizon, der den Fiat Ritmo auf den zweiten Platz verwies. Und Daimler-Benz baute damals nur drei Pkw-Baureihen. 1979 war definitiv eine andere Zeit!

1979 bietet Daimler-Benz das G-Modell in vier Varianten an
1979 bietet Daimler-Benz das G-Modell in vier Varianten an. (Foto: Daimler AG)

In der oberen Mittelklasse galt die Baureihe W123 als das Maß der Dinge. Die Baureihe führte in Deutschland zeitweilig sogar die Rangliste der Neuzulassungen an. Daneben baute Daimler „nur“ noch die Sportwagen der Baureihe 107 sowie Oberklasse-Limousinen. Doch 1979 lief die alte S-Klasse der Baureihe W116 gerade aus. An ihre Stelle trat die Baureihe W126, der Bruno Sacco ein wunderbar modernes Kleid spendierte.

Mit der neuen S-Klasse schuf der damalige „Leiter der Hauptabteilung Stilistik“ zweifelsfrei eine Auto-Ikone. Denn so zeitlos elegant war eine deutsche Limousine nie wieder. Und mir fällt auch keine ältere deutsche Oberklasse Limousine ein, die diese Attribute auf sich vereinen kann. Um so mehr überraschte, dass im Frühjahr 1979 in den Mercedes-Niederlassungen „plötzlich“ ein echter Geländewagen stand.

Das Mercedes G-Modell war 1979 eine Sensation!

Schon nach den ersten Testfahrten der Presse war klar, dass das G-Modell die Messlatte für Geländewagen verschob. Der Mercedes löste den Land Rover als das Maß der Dinge ab. Doch der knorrige Brite war seit 1948 auf dem Markt, auch wenn es bei Land Rover seit 1971 die III. Series gab. Der Toyota Land Cruiser war in Europa damals noch ein echter Exot. Zudem war der Japaner in der Version J4 auch schon seit 19 Jahren im Programm.

Lastenheft des künftigen Mercedes-Benz G-Modells von 1974
Lastenheft des künftigen Mercedes-Benz G-Modells von 1974 – die offene Variante mit langem Radstand wurde nicht realisiert. (Foto: Daimler AG)

Bei aller Begeisterung für den Briten. Aber die Dauerkrise bei der British Leyland Motor Corporation machte auch vor Land Rover nicht halt. Unter der Motorhaube und im Innenraum war der Brite Ende der 1970er-Jahre nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Der modernste Motor war fast noch der Rover V8, der ursprünglich von Buick stammte. Insofern hatte der Mercedes leichtes Spiel, seine Kontrahenten zu übertrumpfen.

Startschuss für das G-Modell fiel bereits 1972!

Zurück geht der Geländewagen im Mercedes-Programm ganz wesentlich auf Mohammad Reza Pahlavi. Den Schah von Persien wünschte sich Anfang der 1970er-Jahre einen komfortablen Geländewagen für die Jagd. Der Monarch und absolutistische Herrscher winkte zur Unterstützung mit einem Großauftrag seines Militärs, das ein geländegängiges Fahrzeug für Grenzpatrouillen suchte. Als Großaktionär der Daimler-Benz AG fand Pahlavi in Stuttgart Gehör.

In Steyr-Daimler-Puch fand Daimler-Benz 1972 den passenden Partner. Der österreichische Mischkonzern entstand einst bei der Fusion der Autofirma Steyr mit Austro-Daimler und Puch. In den 1930er-Jahren verlagerte das Unternehmen seinen Schwerpunkt zu LKW und Waffen. Dabei blieb es auch nach dem Zweiten Weltkrieg. DER SPIEGEL (16/72) schrieb einst, dass das Sortiment des Konzerns von Europas billigster Maschinenpistole bis zu Europas teuerstem Schützenpanzer reiche.

Die umfangreiche Allrad-Erfahrung von Steyr!

Das Thema Allradantrieb selbst ist schon recht alt. Denn bereits 1827 entstand in England ein Dampfwagen mit vier angetriebenen Rädern. Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es zahlreiche Versuche, alle Räder eines Autos anzutreiben. Endgültig Fahrt nahm der Allradantrieb im Zweiten Weltkrieg auf. In den USA entstand 1940 bei American Bantam ein kleiner Geländewagen. Er spielte als Willys Jeep bei der Befreiung Europas eine wichtige Rolle.

Etwa zeitgleich begann in Österreich der Bau des Steyr 1500 A mit 3,5 Liter V8 und Allradantrieb. Konstrukteur dieses bei Steyr intern als Typ 270 bezeichneten Fahrzeugs war Ferdinand Porsche. Typisch Porsche sind die Drehstabfederung und der luftgekühlte Motor. Von diesem leichten Lkw leitete Steyr-Daimler-Puch auch ein etwas kleineres „Kommandeurskabriolett“, das eine Karosserie der Gläser-Karosserie GmbH aus Dresden schmückte.

Mercedes-Benz G-Modell von 1979 im Geländeeinsatz
Mercedes-Benz G-Modell der Baureihe 460, offener Wagen. Foto aus dem Jahr 1979.

Das „Kommandeurskabriolett“ bezeichnet die Zeitschrift „Motor und Sport“ aus dem Vogel Verlag Pössneck in einem Test 1942 als „Steyr-Geländewagen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Typ 270 das Fundament für den Neuaufbau des Unternehmens. Wobei sich Steyr jedoch zunächst auf heckgetriebene Lkw konzentriert. Daneben baut das Unternehmen ab 1949 auch Traktoren. Ein Jahr später startet Steyr als Lizenznehmer die Fertigung diverser Fiat-Modelle.

Im gleichen Jahr übernimmt Erich Ledwinka den Posten des Chef-Ingenieurs. Ab 1957 bietet Steyr-Daimler-Puch seine Lkw auf Wunsch auch mit Allradantrieb an. Zwei Jahre später entsteht der leichte Haflinger, den neben dem österreichischen Bundesheer auch Förster und Landwirte gerne kaufen. 1966 ergänzt Steyr die Palette seiner Landwirtschafts-Fahrzeuge um den ersten Allrad-Traktor. 1971 folgt der große Geländergänger Pinzgauer. Ledwinka ist ein Pionier des modernen Allradantriebs.

Die Handschrift von Steyr-Daimler-Puch beim Mercedes G-Modell ist unverkennbar!

Doch nicht nur die Allrad-Kompetenz der Österreicher lockte den Stuttgarter Autobauer. Denn die eigenen Werke waren weitestgehend ausgelastet. Die Steyr-Daimler-Puch AG kann das Auto auch bauen. Doch zunächst legen die Partner 1973 zunächst die Grundzüge der Konstruktion fest. Das Ziel ist, Geländegängigkeit mit Komfort zu verbinden. Grundlage des G-Modells sind ein stabiler Kastenrahmen und Starrachsen.

Das G-Modell hatte zwei Getriebe und zwei Schalthebel
Das G-Modell hatte zwei Getriebe. Ein klassisches mit vier Gangstufen und ein Verteilergetriebe.

Für die Geländefahrt gibt es ein eigenes Getriebe, über das die Vorderachse in den Antrieb eingebunden wird. Zudem gibt es drei Differenziale, die sich bei Bedarf sperren lassen. Der Clou dabei ist, dass sich der Allradantrieb und die Differentialsperren sogar während der Fahrt zuschalten lassen. Das kann die Konkurrenz damals in der Regel nicht. Da stört auch nicht, dass das G-Modell in den ersten zehn Jahren mit einem zuschaltbaren Allradantrieb auskommen muss.

Über das Fahrgestell stülpen die Techniker eine geradlinige, kantige Karosserie. Das hat den Vorteil, dass die Karosserie zur Not auch im Busch reparierbar ist. Zudem ist sie übersichtlich. Um zu sehen, wo die Karosserie endet, verfügt das G-Modell über eine vergleichsweise tiefe Gürtellinie. Gerade bei der Karosserie ist die Handschrift von Steyr-Daimler-Puch unverkennbar. Denn wer genau hinsieht, der erkennt die Verwandtschaft zum urigen Haflinger.

1977 fällt die Entscheidung, das G-Modell tatsächlich zu bauen!

Bevor das G-Modell 1979 auf den Markt kommt, finden weltweit rund 500.000 Geländewagen pro Jahr einen Käufer. Darunter sind 130.000 Jeep, 120.000 Landcruiser von Toyota, 86.000 Chevrolet Blazer von General Motors und 70.000 Land- und Range Rover. Rund 60.000 Geländewagen entstehen in der UdSSR. Die Marktforscher von Mercedes erkennen einen Trend zum Geländewagen.

Sie glauben, dass das Segment der Geländewagen in den nächsten Jahren um zehn bis 15 Prozent wachsen wird. Trotzdem bleiben die Produktplaner bescheiden und gehen zunächst von 9.000 Mercedes G-Modellen pro Jahr aus. Bis zu 2.000 weitere Exemplare will Partner Steyr-Daimler-Puch als Puch G verkaufen. Den Bau der Fahrzeuge übernimmt die extra in Graz gegründete „Geländefahrzeug Gesellschaft mbH“ (GfG).

Die Motoren stammen von Mercedes!

Die GfG tritt in den ersten zwei Jahren auch formal als Hersteller auf. Der Mercedes-Stern oder das Puch-Emblem sind nur die Kennzeichen von Versionen. Denn die Partner teilen sich bis zum Beginn dieses Jahrtausends die Vertriebsregionen auf. In Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Jugoslawien, Großbritannien und in Teilen Afrikas ist das G-Modell ein Puch. Der Rest der Welt kennt das Fahrzeug als Mercedes G-Modell.

Unabhängig vom Label, gibt es zum Produktionsstart zunächst drei Motoren. Über zwei Dieseln (Vierzylinder 240 GD und Fünfzylinder 300 GD) steht das „Luxusmodell“ 300 GE mit 156 PS Leistung. Lieferbar sind zudem zwei Wagenlängen. In Deutschland startet das G-Modell 1979 bei 29.736 D-Mark. Das Spitzenmodell 300 GE kostet in langer Ausführung und mit allen Extras weit über 50.000 Mark.

DER SPIEGEL vergleicht das Mercedes G-Modell beim Debüt mit dem Porsche 911 Targa!

Besonders die mit kurzem Radstand lieferbare offene Variante mit Faltverdeck fällt bei den Testern beim Debüt durch. DER SPIEGEL schreibt 1979, dass die Fahrgäste im offenen G-Modell „eine Reise nach Dröhnland“ antreten. Das Verdeck würde bei 50 Kilometern pro Stunde so fürchterlich „wummern“, wie ein Porsche-Targa-Dach erst bei 200. Interessant, dass ausgerechnet das Magazin der Salonsozialisten das Mercedes G-Modell mit einem Luxus-Sportwagen vergleicht.

Innenraum des G-Modell 1979
Interieur im Mercedes-Benz G-Modell der Baureihe 460 – Foto aus dem Jahr 1979. Die Geräuschkulisse fiel beim Spiegel durch. (Foto: Daimler AG)

Zudem patzt das G-Modell bei der Pressepremiere ausgerechnet im Gelände. Denn ein Redakteur der Zeitschrift Wochenzeitschrift „DM“ soll, wie DER SPIEGEL 1979 spöttisch berichtet, bei den Pressetestfahrten auf felsigem Untergrund die Ölwanne zertrümmert haben. Dem Erfolg des G-Modells schadete das schlechte Echo nicht. Schon 1981 organisierten Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch die Zusammenarbeit neu. Die Partner lösten die GfG auf. Daimler-Benz übernahm die Entwicklung und gilt seitdem weltweit als Hersteller des Fahrzeugs.

Trotzdem verbleibt die Produktion in Österreich. Steyr-Daimler-Puch wird zum Auftragsfertiger. An dieser Arbeitsteilung änderte sich bis heute nichts, auch wenn Steyr-Daimler-Puch heute Magna Steyr heißt. Nur die für das französische Militär gefertigte Variante P4 VLTT (Voiture Légère Tous Terrains) entsteht bei Peugeot – mit dem Diesel-Motor aus dem Peugeot 504 und geändertem Getriebe und Achsen. Doch diese Variante bleibt eine vergleichsweise kurze Episode.

Mercedes pflegt das G-Modell seit 40 Jahren

Seit inzwischen vier Jahrzehnte entwickelt Mercedes-Benz seinen Geländewagen behutsam weiter. Ab 1981 ist das G-Modell auf Wunsch auch mit Automatik zu bekommen. Ein Jahr später folgt mit dem 230E auch ein Vierzylinder-Benziner. So geht es in den kommenden Jahren kontinuierlich weiter. Erst 2018 ändern sich die Außenabmessungen. Trotzdem blieben sich wohl nur wenige Autos in den letzen 40 Jahren so treu, wie das kantige G-Modell.

Legendär, wie die Mercedes-Testfahrer auf der IAA im Offroad-Parcours an der steilen Rampe über Jahre die Wettbewerber ärgerten. Denn die stoppten allenfalls in der Auffahrt, um die Geländegängigkeit zu demonstrieren. Die Mercedes.Testfahrer taten dies gerne auf der Abfahrt. Sie setzten dann über die Kuppe zurück, um anschließend erneut zu stoppen. Anschließend setzten sie die Fahrt vorwärts fort. Womit die Überlegenheit des Mercedes im Gelände demonstriert war!

Herzlichen Glückwunsch zum 40. Geburtstag!

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!