Der MGB Berlinette Coune von Jacques Coune

MGB Berlinette Coune

Im belgischen Brüssel schuf Karosseriebauer Jacques Coune auf Basis des MGB ein wunderschönes Coupé. Der MGB Berlinette Coune bot die Chance einen geschlossenen MGB zu fahren, bevor die MG-Division der British Motor Corporation diese Möglichkeit selbst anbot. Doch ein Preis, der auf dem Niveau eines Jaguar E-Type oder Porsche 356 lag, sorgte für überschaubare Stückzahlen. Kürzlich traf ich beim Concours d’Élégance im Rahmen des Historic Grand Prix Zolder eines der seltenen Coupés.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die britischen Autobauer genauso weiter, wie sie das schon vor dem Krieg taten. Rolls-Royce, Daimler, Jaguar und Bentley bauten luxuriöse Oberklasse-Fahrzeuge. MG und Triumph sowie Morgan und Sunbeam bauten weiter vor allem leichte Roadster. Besonders in den sonnigen Teilen Nordamerikas verkauften sich diese hervorragend. Das war, da der US-$ damals die unangefochtene Leitwährung der Welt war, ein lukratives Geschäft. Doch im Heimatland Großbritannien schwand der Anteil der Kunden, denen bei schlechtem Wetter eine Persenning und eine Lederkappe genug Wetterschutz boten, bald. 

Verpasste MG beim MGB die Zeitenwende?

Gut zu erkennen ist dies an den Verkäufen bei Jaguar. Beim von 1954 bis 1957 angebotenen Jaguar XK 140 standen 6.087 Roadster und Cabriolets noch 2.797 Coupés (Fixed Head Coupé) gegenüber. Als 1961 dessen Nachfolger Jaguar XK 150 in den Ruhestand fuhr, blickte Jaguar „nur“ noch auf 3.193 offene Fahrzeuge und schon 3.457 Coupés mit festem Dach zurück. Kein Wunder, dass Jaguar beim 1961 vorgestellten Jaguar E-Type von Anfang an das Coupé in den Vordergrund stellte. Insofern war es durchaus überraschend, dass die MG-Division der British Motor Corporation bei ihrem ein Jahr später präsentierten MGB nur noch einen Roadster anbot.

MGB Berlinette Coune
Seitenansicht des MGB Berlinette Coune – Karosseriebauer Jacques Coune schuf für den MGB ein völlig neuen Look.

Beim Vorgänger MGA gab es ein – für die damalige Zeit typisches – „Fixed Head Coupé“. Doch beim neuen MGB fehlt dieses Angebot. Das überrascht, da der Neue ansonsten ein modernes Auto war. Mit dem MGB löste sich MG vom stabilen Leiterrahmen als Fundament des Fahrzeugs. Der MGB war der erste MG mit selbsttragender Karosserie. Zudem verfügte der neue Roadster als erstes Auto der British Motor Corporation über eine definierte Knautschzone. Sie sollte beim Crash so viel Energie absorbieren, dass Fahrer und Beifahrer einen Aufprall gegen eine unbewegliche 200-t-Barriere mit bis zu einem Tempo von 48 km/h (30 mph) überleben. Gut möglich, dass die Entwickler bei so vielen Neuerungen einfach nicht in der Lage waren, auch noch ein Coupé zu entwickeln.


Jacques Coune schloss diese Lücke gerne!

Das fehlende Coupé animierte sofort mehrere Karosseriebauer, um zumindest ein Hardtop für den MGB anzubieten. Zu ihnen gehörte aus Jacques Coune (1924-2012) aus Brüssel. Der ehemalige Rennfahrer handelte zunächst zusammen mit seinem Vater mit Auto-Ersatzteilen. Daneben vervollständigte Familie Coune im Auftrag des belgischen Panhard-Importeurs Paul Sterckx importiere Teilesätze zu ganzen Fahrzeugen. Auch Belgien erhob damals für ein ganzes Auto höhere Zölle als für ein in Teilen geliefertes Fahrzeug. Die Montage der Fahrzeuge sollte im Land Arbeitsplätze schaffen.

Mitte der 1950er-Jahre gründete Jacques Coune in der Brüsseler Avenue de la Couronne eine eigene Autowerkstatt. Hier betreute Coune vor allem hochwertige Sportwagen und Luxusmobile. Wobei der Belgier von Anfang an auch die Individualisierung der Fahrzeuge anbot. Dazu zählte auch die Fertigung von Hardtops für Fahrzeuge wie den MGA, den Fiat 1500 Spider oder den Auto Union 1000 SP Roadster. Daneben handelte Jacques Coune als erster offizieller Abarth-Stützpunkt außerhalb Italiens mit Carlo Abarths Auspuffanlagen und Rennsport-Fahrzeugen. Die Geschäfte liefen offenbar gut, denn in seiner Freizeit trat Jacques Coune mit einem Ferrari 166 MM bei Sportwagen-Rennen an.

1964 stellte Jacques Coune den MGB Berlinette Coune vor!

Ab Anfang der 1960er-Jahre nahm der Karosseriebau in der Autowerkstatt von Jacques Coune eine immer stärkere Rolle ein. Es trat deshalb als Carrosserie Jacques Coune auf. Im Januar 1963 präsentierte sich die Carrosserie Jacques Coune erstmals auf dem Brüsseler Automobilsalon und zeigte dort einen offenen Volvo Amazon. Ebenfalls auf dem Messestand standen die von der Carrosserie gebauten Kombis des Peugeot 404 und der Heckflosse von Mercedes-Benz. Doch alle drei Ideen erfüllten nicht die Erwartungen des Unternehmens. Beim Volvo plante Jacques Coune den Bau von bis zu fünf Fahrzeugen pro Monat. Am Ende entstanden in zwei Jahren nur vier Exemplare. Die hohen Preise schreckten mehr Kunden ab.

MGB Berlinette Coune
Doch der MGB von Jacques Coune war genauso hübsch wie teuer. Wer wollte, der bekam fürs gleiche Geld auch einen Jaguar E-Type. Doch 56 Kunden wählten den individuellen Weg.

Doch von diesem Rückschlag ließ sich Jacques Coune nicht entmutigen. Der Belgier registrierte, dass die Kunden britischer Roadster bei ihm gerne Hardtops orderten. Von dieser Erkenntnis war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Entwurf eines komplett neuen Karosseriekleids für den damals neuen MBG. Auf dem Brüsseler Automobilsalon 1964 stellte die Carrosserie Jacques Coune den MGB Berlinette Coune vor. Das – so viel Subjektivität muss erlaubt sein – bildschöne Coupé fand verständlicherweise beim Publikum sofort großen Anklang. Mit ihm schloss der belgische Karosseriebauer die Lücke, die MG ließ. Denn überraschenderweise bot der britische Hersteller von seinem Hoffnungsträger zunächst keine geschlossene Version an.

Insgesamt 56 MGB Berlinette Coune entstanden!

Das belgische Karosseriekleid für den MGB erinnert entfernt an den Ferrari 275 GTB. Denn bei seiner MGB Berlinette Coune beschränkte sich Jacques Coune nicht nur darauf, den MGB mit einem Dach zu schließen. Coune änderte auch die vorderen Kotflügel, um die Scheinwerfer etwas nach hinten zu versetzen und sie mit einer Plexiglasscheibe abzudecken. Die Frontscheibe des MGB ersetzte Jacques Coune durch eine größere Panoramascheibe. Am Heck entschied sich der Karosseriebauer für eine – damals als sportlich geltende – Abrisskante. In der Frontscheibe des Renault R8 fand Coune die passende Heckscheibe. Unter die MGB Berlinette Coune hängte der Belgier – als Abarth-Händler wohl selbstverständlich – einen Abarth-Sportauspuff.

Die ersten sechs Coupés entstanden mit einer Stahl-Karosserie. Weitere 50 Exemplare bekamen eine Kunststoff-Karosserie. Das war für die kleine Werkstatt ein Erfolg. Die Mehrzahl der Fahrzeuge fanden in Belgien und den Niederlanden einen Kunden. Auch die British Motor Corporation erwarb ein Fahrzeug, um es ausführlich zu testen. Doch zu einer weiteren Zusammenarbeit kam es nicht. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass das Coupé preislich auf dem Niveau des Jaguar E-Type und des Porsche 356 lag. Stattdessen kam im Oktober 1965 der MGB GT auf den Markt und entzog der Carrosserie Jacques Coune den Boden für ihre MGB Berlinette Coune.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Frontansicht des MGB Berlinette Coune

Foto: Tom Schwede

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.



Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert