Fahrberichte: Audi

Test Audi R8 V10 – Großer Sauger mit viel Druck

Nach neun Jahren hat Audi die zweite Generation des Mittelmotorsportwagens Audi R8 vorgestellt. Ich war mit dem neuen Audi R8 V10 bereits auf Probefahrt.

Als Audi 2006 seinen ersten R8 für die Strasse vorstellte, war das eine mutige Entscheidung. Schließlich denken Autofans beim Stichwort Mittelmotor-Sportwagen traditionell mehr an Maranello oder Modena als an Neckarsulm oder Ingolstadt. Inzwischen ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Der Audi R8 hat mit fast 27.000 gebauten Exemplaren längst bewiesen, dass es für einen Supersportler mit vier Ringen einen Markt gibt.

Was ist neu beim Audi R8 des Jahrgangs 2015?

Mit der zweiten Generation des R8 will Audi jetzt die Erfolgsgeschichte fortsetzen. Der neue Audi R8 folgt dem Zeitgeist, ist steifer und leichter als sein Vorgänger. Beim Erreichen beider Ziele spielt Kohlefaser eine wichtige Rolle. Denn dem Verbundwerkstoff kommt beim neuen R8 eine tragende Rolle zu. Immerhin 13 Prozent der tragenden Teile des neuen R8 sind aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK).

Audi spricht daher beim Rahmen des Sportwagens von einem Multimaterial-Audi Space Frame (ASF). Er entsteht – wie das gesamte Fahrzeug – in der Nähe von Neckarsulm in einer speziellen Manufaktur. Die Böllinger Höfe hat Audi im Herbst 2014 extra für den Bau der zweiten Generation des Audi R8 eröffnet.

Anders als Mercedes beim AMG GT setzt Audi im R8 weiter auf einen großvolumigen Saugmotor mit 5,2 Litern Hubraum. Obwohl im Vorfeld unter den Audi-Fans das Gerücht kursierte, dass der ursprünglich für Bentley entwickelte 4,0-Liter-V8-Biturbo als neue Basismotorisierung auch in den R8 einziehen könnte. Gut möglich, dass Audi das in Zukunft im Zuge einer Modellaktualisierung nachholt.

Doch zunächst galt das Augenmerk der Entwickler offensichtlich dem bewährten V10-Saugmotor. Neu ist die kombinierte Saugrohr- und Benzindirekteinspritzung. FSI plus MPI nennt Audi das. Im unteren Drehzahlbereich spitzt das System den Kraftstoff nur in das Saugrohr (MPI) ein. Vorteil ist eine im Vergleich zum reinen FSI-Motor sauberere Verbrennung. Erreicht der Motor ein mittleres Drehzahlniveau, schaltet das Einspritzsystem schrittweise die direkte Einspritzung (FSI) in die Brennkammern dazu.

Zudem verfügt der V10 im R8 jetzt auch über eine Start-Stopp-Automatik sowie eine Zylinderabschaltung. Die legt jeweils eine ganze Zylinderbank lahm. Der R8 ist dann wie einst der legendäre Audi quattro als Fünf-Zylinder unterwegs. Interessant, dass die Techniker dabei alle 30 bis 60 Sekunden die lahmgelegte Bank wechseln, um ein Auskühlen der Katalysatoren zu verhindern. Dazu gibt es beim neuen R8 noch den Segelbetrieb. Der Sportwagen kuppelt dann selbständig aus und gleitet mit Leerlaufdrehzahl durch die Landschaft.

Lohn der Maßnahmen ist, dass der Kraftstoffverbrauch des Zehnzylinders im Vergleich zum Vorgänger um bis zu 13 Prozent sinkt. Im NEFZ-Zyklus verbraucht der „kleine“ R8 mit 540 PS jetzt nur noch 11,4 Liter pro 100 Kilometer. Beim Vorgänger lag dieser Wert noch bei 13,1 Litern. Der plus mit 610 PS konsumiert im Vergleichszyklus 12,3 statt zuvor 12,9 Litern.

Im Innenraum zieht das aus dem TT bekannte virtuelle Cockpit auch in den R8 ein. Im Gegenzug verschwindet der zentrale Monitor, den im Vorgänger noch Teil des Cockpits war. Das schafft Platz für die neue „Monoposto“-Architektur. Denn im neuen Audi R8 ist der Platz am Lenkrand von einem großen und stark ausgeprägten Bogen umgeben. Das vermittelt die Atmosphäre eines Rennwagen-Cockpits. Und erinnert nebenbei an den gleichnamigen Rennwagen R8, der von 2000 bis 2005 fünfmal in Le Mans siegte.

Wie wirkt der neue Audi R8 auf mich?

Audi hat es mit dem Audi R8 geschafft, einen echten Mittelmotor-Sportwagen erfolgreich am Markt zu etablieren. Das ist – zumindest in dieser Preisklasse – zuvor keinem der deutschen Hersteller gelungen. Allenfalls BMW spielte mit dem BMW M1 von 1978 bis 1981 kurz in dieser Liga mit. Doch vom M1 entstanden in drei Jahren insgesamt deutlich weniger als 500 Exemplare. Das brachte Audi selbst im achten Baujahr des R8 alleine in Deutschland auf die Straße.

Insofern tritt der neue Audi R8 ein großes Erbe an. Die wesentlichen Abmessungen haben sich wohl auch deshalb nicht verändert. Nur in der Breite gibt es mit einem Plus von vier Zentimetern eine „größere“ Veränderung. Auffällig ist der große Kühlergrill mit Wabenoptik an der Fahrzeugfront. Diese Waben zieren auch die ebenso auffälligen Lufteinlässe an der Fahrzeugseite.

Die gesamte Seitengestaltung läuft jetzt auf diese Einlässe zu. Wo beim Ur-R8 von 2006 ein fast schon unscheinbares seitliches Loch nur die Funktion der Motorlüftung erfüllte, haben die Designer beim Neuen der Seite jetzt eine klare Kontur gegeben. Fast so, als ob sie der Luft auch optisch ihren Weg weisen wollten. Damit wirkt der neue Audi R8 aggressiver und dynamischer als sein Vorgänger. Auch wenn er für Thomas Majchrzak nicht die Aggressivität seiner Wettbewerber aus Italien oder Großbritannien erreicht.

Wie fährt sich der 2015er Audi R8?

Bereits mit dem 540 PS starken „Basismotor“ ist der Audi R8 hervorragend motorisiert. Der 5,2 Liter große Sauger hat mit dem Leergewicht des Sportwagens von rund 1,6 Tonnen im wahrsten Sinne ein leichtes Spiel. Den Sprint von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde legt der R8 V10 in 3,5 Sekunden auf den Asphalt. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 320 Kilometern pro Stunde. Schon das sind wahrlich beeindruckende Werte. Zumal auch der Standardmotor mit einem überragenden Ansprechverhalten aufwartet.

Im Audi R8 V10 plus wird es trotzdem nochmal um einiges druckvoller. Denn als plus stellt der V10 satte 610 PS zur Verfügung. Dazu legt der Langhuber auch beim Drehmoment um 20 Newtonmeter zu. Bis zu 560 Newtonmeter stemmt der Saugmotor auf seine Kurbelwelle. Ich bin beide Versionen gefahren und war überrascht, wie viel mehr Biss der „Große“ hat. Wobei ein Teil dieses Eindrucks auf das härtere Fahrwerk des Topmodells zurückgeht. Es macht das Leistungsvermögen des Allrad-Sportwagens noch unmittelbarer spürbar.

Überhaupt ist das Fahrwerk des R8 in meinen Augen der eigentliche Star. Es reagiert extrem direkt auf Lenkbefehle und hat auch nichts gegen eine schnelle Abfolge von Richtungswechseln einzuwenden. Was ich – wenn auch nicht ganz freiwillig – auf einer portugiesischen Autobahn testen konnte. Denn dort platze einem vorausfahrenden Kleinwagen der linke Vorderreifen und schleuderte mir seinen Innenkotflügel direkt vor das Auto.

An eine Notbremsung war nicht zu denken. Schließlich fuhr dicht hinter mir ein portugiesischer Auto-Fan, der den Sportwagen mit dem Abstand seiner Motorhaube und einer Zigarrenschachtel mit seinem Handy filmte. Ich bin sicher, dass die Keramikbremsanlage des Testwagens sein – natürlich nur durch das Filmen eingeschränktes – Reaktionsvermögen überfordert hätte. Also zirkelte ich den R8 im Slalom durch das Trümmerfeld – ohne eines der größeren Teile zu überfahren.

Auf der Rennstrecke, wo auch Don Dahlmann den Rennsport-Genen des R8 nachgespürt hat, fällt später auf, wie neutral der Mittelmotor-Sportwagen grundsätzlich auf der Strasse liegt. Das Geheimnis dahinter ist – auf der Straße – der dynamische Allradantrieb. Der Sportwagen kann den Antrieb zur Stabilisierung der Fahrsituation je nach Bedarf zu 100% an die Vorderachse oder an die Hinterachse abgeben.

Das ist ein Unterschied zum neuen GT3-Rennwagen Audi R8 LMS. Der darf aus Reglement-Gründen wie der Vorgänger weiter nur die Hinterräder antreiben. Audi hat bei der Konstruktion des neuen Straßenmodells übrigens von Anfang an auch den GT3-Rennwagen im Kopf gehabt. Also nicht wie ursprünglich von den Machern des GT3-Reglements gedacht, später den Rennwagen vom Serienmodell abgeleitet.

Zurück auf der Straße und im Alltag habe ich noch ein anderes Detail gefunden, das die angenehme Detailverliebtheit der Audi-Entwickler dokumentiert. Wer will, der kann mit dem Audi R8 nämlich jederzeit ganz leicht das Heck tanzen lassen. Denn im Dynamik-Modus unterstützt das Fahrdynamiksystem „Audi drive select“ kontrollierte Drifts durch aktives Anstellen und leichte Bremseingriffe beim Übersteuern.

Wie sitze ich im neuen Audi R8?

Mit etwas mehr als zwei Metern Körperlänge geschlagen finde ich tatsächlich Platz am Lenkrad des Sportwagens. Die Position des Oberkörpers ist gut. Zudem gefallen mir die Sitze. Selbst mein breiter Körper findet auf ihnen Platz. Auch die Höhe des Innenraums ist ok. Obwohl ich natürlich finde, dass dem Sportwagen eine Gurney-Beule im Dach gut zu Gesicht stehen würde.

Doch perfekt sitze ich leider nicht. Mich stört die Position des Bremspedals. Es steht ein kleines Stück mehr im Raum als das Gaspedal. Beim Wechsel vom Gas auf die Bremse muss ich immer das gesamte Bein etwas anders ausrichten. Einfach nur den Fuss auf das andere Pedal „abkippen“ kann ich nicht. Das nervt auf Dauer. Auch weil es bei mir zu Spannungen im rechten Oberschenkel führt.

Was hat mir gefallen?

Trotzdem macht das Fahren im Audi R8 eine Menge Spaß. Über meine Begeisterung für das Fahrwerk, das direkte Einlenkverhalten des Sportwagens und das unmittelbare Ansprechverhalten des Motors habe ich schon geschrieben. Doch zum Wohlfühlen trägt auch die Atmosphäre im Cockpit bei. Die „Monoposto“-Architektur vermittelt tatsächlich noch ein Extra-Rennwagen-Feeling.

Lustig – wenn auch nicht jedermanns Geschmack – sind die Sound-Spiele der Audi-Entwickler. Je nach Fahrmodus des „drive select“ Systems spielt der Audi eine etwas andere Tonlage. Im Komfortmodus ist der Sportwagen leise und – was zumindest den Sound betrifft – fast unauffällig. Im Dynamikmodus wird es kräftiger. Die Tonlage erinnert an ein starkes Fauchen. Nicht nur ich mag offensichtlich diesen typischen Klang großer Saugmotoren.

Was hat mit nicht gefallen?

Neben der Position des Bremspedals, die nicht zu meinem Körperbau passt, stört mich am Audi R8 eine Reflexion in der Windschutzscheibe. Ein silberndes Element der „Monoposto“-Architektur spiegelt sich dort im unteren Teil. Wäre das Stück dunkel, würde es sich vermutlich nicht in Scheibe spiegeln. Ich bin gespannt, ob Audi das bis zur Auslieferung der Kundenfahrzeuge nicht noch ändert.

Welcher Audi R8 V10 ist mein Favorit?

Ganz klar der Audi R8 V10 plus … denn mit seinem überragenden Ansprechverhalten und dem Fauchen des Motors erinnert mich der Sportwagen mehr an einen Geparden als an einen Jaguar. Das passt, denn das schnellste Landtier ist sicherlich eine gute Referenz für einen Sportwagen.

Bilder des 2015er Audi R8 V10 plus


Der Audi R8 V10 + ist der schnellste Serien-Audi aller Zeiten. Sein Grundpreis liegt in Deutschland bei 187.400 Euro. Das Grundmodell Audi R8 V10 kostet mindestens 165.000 Euro. Die ersten Kundenfahrzeuge liefert Audi im Herbst aus.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!