Rennsport-Geschichten

Wer erinnert sich noch an den Volvo 850 Kombi in der BTCC?

Es gibt Geschichten bei denen ich heute nicht so genau weiß, was mich an ihnen stärker beeindruckt? Ist es die Geschichte selbst? Oder ist es doch die Tatsache, dass sich die Geschichte vor inzwischen einem Vierteljahrhundert zutrug. Der Einsatz des Volvo 850 Kombi in der BTCC, der britischen Tourenwagen-Meisterschaft ist so ein Fall.

Konzentrieren wir und heute mal auf die Geschichte selbst. Denn die war einfach großartig. Während der Blick auf die Zeitspanne, die inzwischen vergangen ist, mich am Ende nur nachdenklich macht. Blicken wir also einfach nur ins Jahr 1994 zurück. Damals kehrt der schwedische Autobauer Volvo auf die Bühne des Motorsports zurück. Die Einsätze in der Tourenwagen-Europameisterschaft mit dem Volvo 240 Turbo liegt schon ein paar Jahre zurück. In den letzten Jahren trat Volvo im internationalen Motorsport nicht besonders in Erscheinung.

Doch jetzt wollen die Schweden es wissen und verkünden den Einstieg in die Britische Tourenwagen-Meisterschaft. Die BTCC im Großbritannien stand lange im Schatten der DTM in Deutschland. Doch auf dem Kontinent setzten die Verantwortlichen seit 1993 auf die Klasse 1 und irre sündhaft teuren Hitech-Rennwagen. Die Gruppe A und ihre (vergleichsweise) seriennahen Rennwagen füllten in Deutschlands bekanntester Rennserie nur noch das Feld auf.

Die BTCC in Großbritannien entschied sich für einen anderen Weg. Bereits ab 1991 fuhr die britische Meisterschaft mit Supertourenwagen. Bei diesen Rennwagen durften die Team die Karosserie des Fahrzeugs äußerlich kaum verändern. Zudem beschränkten die Regelmacher der BTCC den Hubraum auf zwei Liter. Wobei sie mit Rücksicht auf Ford und Mazda (Xedos 6) die Anzahl der Zylinder auf sechs festsetzten. Ab 1994 übernahm die FIA dieses Regelwerk fast unverändert in ihrem Klasse-2-Reglement.

Das lockte auch Volvo mit dem Fünfzylinder in die BTCC!

Die Aussicht, einen Supertourenwagen unter dem Patronat der FIA weltweit einzusetzen, lockte neben Alfa Romeo auch Volvo ab 1994 nach Großbritannien. Denn die BTCC bot die höchste Konkurrenzdichte an Klasse-2-Rennwagen. Das machte die britische Rennserie zum ultimativen Gradmesser der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.  Zusammen mit Entwicklungspartner und Einsatzteam Tom Walkinshaw Racing (TWR) stellte sich Volvo der Herausforderung.

Volvo 850 Kombi
Volvo stellte den Volvo 850 Kombi aus der BTCC zum 20. Juniläum auf der Techno Classica aus.

TWR war zuvor mehr als ein Jahrzehnt als Werksteam für Jaguar tätig. Zunächst setzte das Team den Jaguar XJS in der Tourenwagen-Europameisterschaft ein. Ab 1987 brachte Walkinshaw in der Gruppe C und der Sportwagen-Weltmeisterschaft die Sportwagen der Briten an den Start. Daneben rannte TWR jedoch im Tourenwagen-Sport weiter mit Fahrzeugen von Rover und Holden. Deshalb war das Team eine gute Wahl, um das Comeback von Volvo zu begleiten.

Zudem half das Engagement dem Unternehmer Tom Walkinshaw, der in diesen Jahren zunächst bei Benetton und später bei Ligier in der Formel 1 tätig war, sein Team weiter auszulasten. Denn obwohl TWR auch nach dem Ende der Gruppe C den Sportwagen treu blieb, erst mit dem Auftrag von Volvo kam frisches Geld rein. Doch Volvo und TWR wussten, dass die Trauben in der BTCC traditionell hoch hingen und ihre Ernte für Neueinsteiger grundsätzlich schwierig ist.

Volvo und TWR finden einen Trick, Druck vom Team zu nehmen!

Denn der Autobauer und sein Einsatzteam entscheiden sich für den Einsatz des Volvo 850 Kombi. Damit brechen sie bewusst mit der Tradition, dass bei Tourenwagen-Rennen nur Limousinen und Coupés zum Einsatz kommen. Doch die Wahl des ungewöhnlichen Rennwagens ermöglichte es der schwedisch-britischen Allianz, den Rennwagen ohne großen Druck in Ruhe zu entwickeln. Schließlich erwartet niemand ernsthaft von einem Kombi Rennsiege.

Volvo 850 Kombi
Ein Blick in den Kofferraum des ungewöhnlichen Rennwagens

Trotzdem war das Ganze ein ernsthaftes Projekt. Das unterstrichen auch die Piloten, die Volvo verpflichtete. Denn neben Tourenwagenstar Rickard Rydell griff auch der ehemalige Formel-1-Pilot Jan Lammers in Lenkrad des Volvo 850 Kombi. Der in der Regel beherzte Fahrstil beider Piloten machte die Kombi schnell zu Publikumslieblingen. Der markige Sound des Fünfzylinders von Volvo verstärkte das noch. Und alles zusammen maximierte die Aufmerksamkeit für Volvo. Nebenbei sagt der Trick mit dem Volvo 850 Kombi viel über Tom Walkinshaw aus, denn der Schotte war mit allen Wassern gewaschen! Nach einem Entwicklungsjahr mit dem Kombi wechselten Volvo und TWR in der BTCC zur Limousine.

Trotzdem blieb der Kombinationskraftwagen von Volvo auf der Rennstrecke aktiv. Am 24-Stunden-Rennen am Nürburgring nahm Volvo-Tuner Heico Sportiv in den Jahren 1995 und 1997 mit Kombis aus Schweden teil. Auch hier gehörten die ungewöhnlichen Rennwagen zu den Publikumslieblingen. Gleichzeitig startete Volvo in der BTCC durch. Denn der Volvo 850 war als Limousine sofort einer der schnellsten Rennwagen. Schon 1995 ging Rickard Rydell bei 13 der 24 Saisonrennen vom besten Startplatz ins Rennen. Doch im Rennen konnte der Schwede im schwedischen Auto die Performance nicht immer bestätigen.

Die Meisterschaft 1995 ging an John Cleland im Vauxhall Cavalier. Rydell wurde mit vier Laufsiegen immerhin Dritter der Gesamtwertung. Diesen Erfolg bestätigte der Schwede auch im folgenden Jahr. Ab 1997 setzte das Team mit dem Volvo S40 ein neues Auto ein. Im Debütjahr des neuen Rennwagen fiel Rydell auf den vierten Platz der Gesamtwertung zurück. Doch Volvo und TWR entwickelten ihr Einsatzgerät kontinuierlich weiter. 1998 fuhr Rickard Rydell nach fünf Jahren bei Volvo endlich zum langersehnten BTCC-Titel und krönte ein Projekt, das mit dem Volvo 850 Kombi in der BTCC seinen Anfang nahm.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!