Haben Journalisten ein Problem mit Meinungsfreiheit?
von Tom Schwede am 14. Jul 2014Blogger sind Kinder der Meinungsfreiheit. Das freie Publizieren ist glücklicherweise im Internetzeitalter kaum zu verhindern. In Nordafrika hat das zum Ende mehrerer Diktaturen beigetragen. Auch in demokratischen Gesellschaften verursachen Blogger Veränderungen. Damit sorgen sie offensichtlich für Zukunftsängste. Anders ist ein Artikel der „Auto Bild“ nicht zu erklären. Der Artikel „Sollen Blogger Autos testen?“ („Auto Bild“…
Blogger sind Kinder der Meinungsfreiheit. Das freie Publizieren ist glücklicherweise im Internetzeitalter kaum zu verhindern. In Nordafrika hat das zum Ende mehrerer Diktaturen beigetragen. Auch in demokratischen Gesellschaften verursachen Blogger Veränderungen. Damit sorgen sie offensichtlich für Zukunftsängste. Anders ist ein Artikel der „Auto Bild“ nicht zu erklären.
Der Artikel „Sollen Blogger Autos testen?“ („Auto Bild“ 27/2014, Seite 28) zeigt, wie dünnhäutig und verunsichert einige Vertreter der Presse auf Blogger reagieren. Die etablierten Medien verstehen sich gern als vierte Gewalt im Staat. Als oft stimmgewaltige Vertreter des Volks haben sie in der Vergangenheit durchaus ihren Teil zur (politischen) Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung beigetragen.
Doch es gibt kein natürliches Recht, das diese Rolle ausschließlich Zeitungen und Zeitschriften zuschreibt. Immer häufiger machen Blogger den etablierten Medien ihre Gatekeeper-Funktion streitig. Bislang sprachen im Wesentlichen vier Gründe für die Blogger: Geschwindigkeit, Nachhaltigkeit, das kostenfreie Informationsangebot und ihre Glaubwürdigkeit.
Geschwindigkeit
Blogs haben Leser. Das macht sie für die Industrie interessant. Sie unterstützt deshalb Blogger – genauso wie sie Journalisten unterstützt. Daher können Blogger längst auch auf Veranstaltungen Autos ausprobieren, bevor die Modelle bei den Kunden stehen. Dabei profitieren Blogger vom Medienvorteil Geschwindigkeit.
Der stellt – besonders – die Presse vor ein Problem. Denn die Publikation auf Papier erfordert mehr Zeit. Zeit für den Druck. Zeit für den Transport. Zeit für den Kauf. Für den Kunden ist der Kauf – im Vergleich zum Klick im Internet – eine fast schon beschwerliche Angelegenheit.
Trotzdem halten Zeitschriften an ihrem Geschäftsmodell fest. Das erinnert an Kaiser Wilhelm II., der das Auto für eine vorübergehende Erscheinung hielt.
Nachhaltigkeit
Blogger-Texte sind nicht nur kurze Zeit „im Handel“. Sie bleiben oft über Jahre im Netz verfügbar. Das läppert sich. Einige meiner Fahrberichte haben inzwischen mehr Leser erreicht, als einige deutsche Autozeitungen pro Ausgabe am Kiosk verkaufen. Die Suchbegriffe, die die Besucher in dieses Blog führten, outen sie hauptsächlich als Neuwagenkäufer. Gut möglich, dass in einem oder zwei Jahren Gebrauchtwagenkäufer an ihre Stelle treten.
Zeitungen und Zeitschriften könnten diesen Markt ebenfalls bedienen. Sie verfügen über Jahrzehnte lang gefüllte Archive. Bisher heben sie diesen Schatz nicht. Das erinnert an IBM-Chef Thomas Watson. Der sah 1943 auf der Welt Platz für vielleicht fünf Computer.
Kostenvorteil
Anders als Presseorgane sind Besuche von Webseiten kostenlos. Zumindest wenn wir an dieser Stelle die Kosten des Internetzugangs und des Endgeräts ignorieren. Den Boom des Internets spüren die Zeitungen und Zeitschriften in der eigenen Kasse. Die Zeiten, als etablierte Medien Umsatzrenditen weit jenseits von 20 Prozent erwirtschaften, sind vorbei.
Für diese Traumrenditen war übrigens meist gar nicht der tolle Journalismus verantwortlich. Besonders im Auto-Bereich waren es die Kleinanzeigen, die die Rendite brachten. Online-Fahrzeugbörsen haben diesen lukrativen Markt erobert. Interessanterweise waren Branchenfremde die Gründer der erfolgreichen Fahrzeugbörsen.
Zeitungsmenschen fehlte die Vorstellungskraft, mit Anzeigen im Internet Geld zu verdienen. Die Verleger wollten ihr Stammgeschäft nicht kannibalisieren. Das war ein Fehler. Andere machten das Geschäft. Der Rückgang der Anzeigen ist ein wesentlicher Faktor für die aktuelle Zeitungskrise. Scheint so, als ob die etablierte Presse gerade zum zweiten Mal den gleichen Fehler macht.
Statt eigenständige Geschäftsmodelle im Internet zu entwickeln, zeigt – zumindest die „Auto Bild“ – lieber ängstlich auf die bösen Blogger. Das Verhalten erinnert mich an ein Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer. Der bezeichnete die Angst vor einem Fehler, als den größten Fehler, den man im Leben machen könne.
Glaubwürdigkeit
Der Pauschalangriff der „Auto Bild“ auf Auto-Blogger ist jämmerlich. Zumal, wenn man die Vorgeschichte kennt. Wenn Journalisten inzwischen öffentlich so auf Herausforderungen reagieren, sagt das mehr über Journalisten als über Blogger aus. Natürlich dürfen Auto-Blogger Autos testen, um die Frage der „Auto Bild“ an dieser Stelle deutlich zu beantworten. Es gibt kein Meinungsmonopol der etablierten Medien!
Die Welt verlangt – anders als Autor Claudius Maintz – mehr als nur Technokraten, die mit dem Zollstock Herstellerangaben nachmessen. Journalismus schließt Emotionalität nicht vollständig aus. Begeisterung für die Sache hat noch nie geschadet. Wichtig ist, dass trotzdem die notwendige kritische Distanz gewahrt bleibt. Maintz fällt nicht das erste Mal als Kritiker von Auto-Bloggern auf.
Leser haben ein feines Gespür für Glaubwürdigkeit und gute journalistische Arbeit. Sie kehren auch deshalb immer häufiger Zeitungen und Zeitschriften den Rücken, weil die Grenzen zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung nicht immer klar sind. Redaktionen, die zu den 24-Stunden von Le Mans Beilagen ausschließlich mit Pressematerial der im Langstreckensport beteiligten Hersteller füllen, haben diese Grenze längst überschritten.
Die „Auto Bild“ stellt die Attacke gegen Auto-Blogger unter den Deckmantel eines Berichts über Verstimmungen im Verband der Motorjournalisten (VDM). Das ist fast schon feige. Bezeichnend ist, dass der Unmut im VDM von Beate M. Glaser formuliert wird. Die Dame arbeitet für den sog. „Kraftfahrt Berichter“. Das klingt nicht nur nach den Jahren des Wiederaufbaus. Das ist auch optisch in den 1950er-Jahren stehengeblieben.
In der „Auto Bild“ bemängelt Frau Glaser jetzt, Auto-Blogger würden auf Presseveranstaltungen Autos und Gesprächspartner blockieren. Das ist doch ein schwaches Argument. Möchte die Dame Auto-Bloggern wirklich vorwerfen, wenn diese auf einer Presseveranstaltung ihre Arbeit machen?
Warum nur Auto-Blogger und nicht die ebenfalls anwesenden Journalisten die Plätze blockieren, bleibt offen. Es gibt offensichtlich genauso schlechte Journalisten, wie es schlechte Auto-Blogger gibt. Die Auto Bild zeigt, was ich meine. Wer so einen Blödsinn wie den Artikel „Sollen Blogger Autos testen?“ verzapft, muss sich über die Zeitungskrise nicht wundern.
Statt über Autos zu schreiben, haut „Auto Bild“ jetzt also lieber Blogger. Das erinnert mich an das Zitat „Suche nicht nach Fehlern. Suche nach Lösungen“ des Auto-Pioniers Henry Ford. Solange die Presse so arbeitet, ist es wichtig, dass es Auto-Blogger gibt. Denn die beschäftigen sich wenigstens mit Autos.
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