von Fredo Steckgaard am 21.07.2025

Höllenritt auf Sand: Wie ein Sunbeam 350hp die 150 Meilen-Marke durchbrach

Im Sommer 1925 durchbrach Sir Malcolm Campbell eine magische Grenze: 150 Meilen pro Stunde! Die Zutaten dazu waren ein Flugmotor, ein walisischer Strand, ein Schuss Pioniergeist und sehr viel Wagemut.

Sir Malcolm Campbell

Sir Malcolm Campbell in seinem Sunbeam 350hp (Foto: Heveningham Concours)

Am 21. Juli 1925 schrieb der britische Rennfahrer Sir Malcolm Campbell Automobil-Geschichte. Mit einem Sunbeam 350hp knackte Campbell am Strand von Pendine Sands in Wales als erster Mensch die Marke von 150 Meilen pro Stunde – das entspricht über 241 km/h. Die Fahrt war ein Meilenstein des frühen Automobilsports. Die Fahrt war Campbells zweiter Weltrekord – und bereits der dritte für den Sunbeam, den zuvor schon Kenelm Lee Guinness auf Rekordkurs brachte.

Die Frage, wie schnell ein Auto sein kann, beschäftigte die Autobauer bereits kurz nach der Erfindung des Automobils. Schon 1899 durchbrach Camille Jenatzy die Marke von 100 Kilometern pro Stunde. Der Belgier überschritt diese Marke mit seinem Elektroauto La Jamais Contente. Drei Jahre später schraubte William Vanderbilt den Rekord auf 122,45 Kilometer pro Stunde hoch. Es war der erste Weltrekord, den ein von einem Verbrenner angetriebenes Auto erzielte.

Der Erste Weltkrieg stoppte die Rekordjagd – beschleunigte aber den Fortschritt

Die 200-km/h-Marke knackte 1906 Fred Marriott mit seinem Dampfwagen Stanley Rocket. Der Amerikaner war am Strand von Daytona Beach 127,66 mph (= 205,45 km/h) schnell — allerdings wurde dieser Rekord erst viel später offiziell anerkannt. 1911 schraubte Bob Burman den offiziellen Rekord an gleicher Stelle mit seinem Blitzen Benz auf 228,10 km/h hinauf. Sein in Mannheim gebauter Benz trieb ein 21,5 Liter großer Vierzylinder an. Hubraum galt in diesen Tagen als Rezept der Stunde.

Bob Burman 1911 am Steuer des Blitzen-Benz

Bob Burman 1911 am Steuer des Blitzen-Benz, geschmückt mit der Geschwindigkeitskrone – Foto: Mercedes-Benz

Im Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Motortechnik mit großen Schritten weiter. Besonders die Flugmotoren waren Meisterwerke ihrer Zeit. Der Krieg wirkte wie ein technologischer Katalysator. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich eine völlig neue Motorgeneration. Fortschritte bei der Ventilsteuerung, der Zuführung des notwendigen Kraftstoffs, der Metallkunde sowie der Gusstechniken führten zu einer einfachen Gleichung: Aus weniger Gewicht holten die Techniker deutlich mehr Leistung als zuvor.

Aus Flugmotoren wurden Auto-Triebwerke!

Dabei entstanden neue Rekordjäger, wie der Sunbeam 350hp. Er war ein Fahrzeug der Superlative: Unter der schmalen, windschnittigen Aluminiumkarosserie arbeitete ein 18,3 Liter großer ursprünglich für Seeflugzeuge entwickelter V12-Flugmotor. Louis Coatalen, Technischer Leiter bei Sunbeam entwarf den Wagen. Kenelm Lee Guinness trat mit ihm im Mai 1922 in Brooklands zu ersten Rekordfahrten an. Der Sprössling der Brauerei-Familie fuhr im Sunbeam den „fliegenden Kilometer“ mit 133,75 Meilen pro Stunde (ca. 215 km/h).

Kenelm Lee Guinness beim Großen Preis von Frankreich 1923

Kenelm Lee Guinness beim Großen Preis von Frankreich 1923 am Steuer eines Sunbeam – Foto: Bibliothèque Nationale de France

Es war der letzte Landgeschwindigkeitsrekord, der auf einer klassischen Rennstrecke aufgestellt wurde. Louis Coatalen verbesserte den Sunbeam 350hp in den kommenden Jahren weiter. Doch an weiteren Rekordfahrten nahm Guinness nicht mehr teil, um sich auf den Grand-Prix-Sport zu konzentrieren. Im September 1924 beendete ein schwerer Unfall beim Gran Premio de San Sebastián die Karriere des Unternehmers, der bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Fabrik zur Produktion von Zündkerzen gründete.

Der Sunbeam 350hp kam bereits im Sommer 1922 zu Sir Malcolm Campbell

Statt Guinness saß fortan dessen enger Freund Sir Malcolm Campbell im Sunbeam. Campbell, geboren 1885 in Chislehurst, einem Vorort von London, testete den Rekordwagen bereits 1922 unmittelbar nach den Rekordfahrten von Guinness. Doch den bei diesen Fahrten erzielten Marken verweigerte die AIACR (Association des Automobile Clubs Reconnus) die Anerkennung. Die Messung der Geschwindigkeit entsprach nicht den Vorschriften der heutigen FIA.

Campbell lackierte den Sunbeam 350hp in seiner Lieblingsfarbe Blau und bereitete weitere Rekordfahrten vor. Im September 1924 war es so weit. Am Strand von Pendine Sands in Wales schraubte Sir Malcolm Campbell mit dem Sunbeam den Landgeschwindigkeitsrekord auf 146,16 Meilen pro Stunde (235,22 km/h) hoch. Zehn Monate später knackten Campbell und sein Sunbeam die Marke von 150 Meilen pro Stunde. Sie verbesserten den Landgeschwindigkeitsrekord auf 150,76 Meilen pro Stunde (242,80 km/h).

Sir Malcolm Campbell fuhr zu weiteren Bestmarken – an Land und auf dem Wasser

Seinen letzten Rekord fuhr der Brite am 3. September 1935 auf einem Salzsee in Utah. Dort war Campbell mit seinem Blue Bird getauften Rekordfahrzeug 301,13 Meilen pro Stunde (484,62 km/h) schnell. Er war der Erste, der mit einem Auto mehr als 300 Meilen pro Stunde fuhr. Anschließend verlagerte sich Campbells Interesse aufs Wasser. Viermal stellte Sir Malcolm Campbell auch auf dem Wasser einen Geschwindigkeitsrekord auf.

Die Geschwindigkeitsrekorde von Sir Malcolm Campbell:

Datum Ort Fahrzeug Geschwindigkeit Bemerkung
25. September 1924 Pendine Sands (Wales) Sunbeam 350HP 146,16 mph (235,22 km/h) Erster Land-Speed-Record von Campbell
21. Juli 1925 Pendine Sands Sunbeam 350HP 150,76 mph (242,80 km/h) Erster Mensch über 150 mph
4. Februar 1927 Daytona Beach (USA) Napier-Campbell 174,88 mph (281,44 km/h) Wechsel nach Daytona
19. Februar 1928 Daytona Beach Napier-Campbell 206,96 mph (333,05 km/h) Die 200-mph-Marke fällt
24. Februar 1931 Daytona Beach Blue Bird (Napier) 246,09 mph (396,04 km/h) Mit aerodynamisch verbesserter Karosserie
22. Februar 1933 Daytona Beach Blue Bird (Rolls-Royce) 272,46 mph (438,49 km/h) Nochmals gesteigert durch stärkeren Motor
7. März 1935 Daytona Beach Blue Bird (Rolls-Royce) 276,82 mph (445,49 km/h) Letzter Daytona-Rekord
3. September 1935 Bonneville Salt Flats (USA) Blue Bird 301,13 mph (484,62 km/h) Erster Mensch über 300 mph

Der Sunbeam 350hp, den Kenelm Lee Guinness und Sir Malcolm Campbell fuhren, existiert noch. Erst vor wenigen Wochen, Ende Juni war das Rekordfahrzeug umjubelter Stargast des Heveningham Concours in Großbritannien. Die Jagd nach Tempo ging auch nach Guinness und an Campbell weiter. In Deutschland war Rudolf Caracciola bald auf der Autobahn (fast) so schnell wie Campbell auf einem Salzsee. Und nach dem Zweiten Weltkrieg fuhr Donald Campbell, Sohn von Sir Malcolm Campbell, bald 648,73 km/h schnell.


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