Mercedes-Benz und der konsequente Abschied vom Taxi
von Tom Schwede am 02. Jan 2025Taxis und Mercedes-Benz bildeten lange eine untrennbare Einheit. Die Langlebigkeit und der Komfort der Fahrzeuge aus Stuttgart-Untertürkheim rechtfertigten auch höhere Preise. Mit dem Diesel-Motor verbesserte Mercedes-Benz die Wirtschaftlichkeit der eigenen Fahrzeuge im Taxi-Betrieb weiter. Doch nun ist das alles Geschichte. Mercedes-Benz bietet selbst keine Taxis mehr an. Und wenn man etwas darüber nachdenkt, dann ist das sogar konsequent!
Ich war etwa zehn Jahre alt und fragte meinen Vater, warum er keinen Mercedes-Benz fahre. Mein Vater – inzwischen auch schon mehrere Jahrzehnte Sternfahrer – konnte sich damals keinen Wechsel in einen Mercedes vorstellen. Deshalb antwortete er mir: „Wenn ich einen Mercedes fahren will, dann frage ich Opa oder rufe mir ein Taxi.“ Diese Antwort beschrieb treffend das Image, für die Marke der damaligen Daimler-Benz AG Anfang der 1980er-Jahre stand. Mercedes fahren wohlhabende Rentner und Taxifahrer. Erst mit dem Ende 1982 vorgestellten 190er der Baureihe W201 begann sich das Image des Autobauers und seiner Marke zu verändern.
Vier Jahrzehnte später ging es dem Taxi an den Kragen!
Denn mit dem Baby-Benz sprach die Marke nun auch etwas jüngere Kunden als zuvor an. Das eng mit dem 190er verbundene Comeback im Motorsport unterstützte die Imageveränderung zusätzlich. Doch an der Tatsache, dass die meisten Taxis einen Stern trugen, änderte sich zunächst lange nichts. In Deutschland blieben die Begriffe Taxi und Mercedes-Benz bis weit in dieses Jahrtausend eine untrennbare Einheit. Inzwischen ist die Vielfalt im Gewerbe der Mietdroschken größer. Das liegt auch daran, dass der Stuttgarter Autobauer mit der 2023 neu eingeführten E-Klasse (W214) ab Werk zurzeit keine speziell auf das Taxi-Gewerbe ausgerichtete Variante mehr anbietet. Damit folgt die größere E-Klasse der kleineren C-Klasse (W206), deren Taxi-Version bereits 2021 entfiel.
Und auch von der B-Klasse gibt es ab Werk inzwischen keine Taxi-Version mehr. Damit ist der Rückzug des einstigen Marktführers aus der Branche abgeschlossen. Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren. Fakt ist, dass die speziell auf die Bedürfnisse von Taxifahrern ausgerichteten Versionen – trotz Mehrausstattung – am Ende mit einem Rabatt von circa 40 Prozent im Vergleich zu den Standardmodellen in den Preislisten des Autobauers standen. Dem gegenüber steht ein Markt von 6.000 bis 7.000 neuen Taxis, die pro Jahr auf die Straße kommen. Zuletzt sicherten sich die Stuttgarter davon „nur“ noch knapp die Hälfte. Denn besonders Volkswagen und Toyota erkannten den Wert der rollenden Werbeträger. Sie bauten in den letzten zwei Jahrzehnten ihren Marktanteil im Markt der Droschken kontinuierlich aus.
Die B-Klasse passt nicht mehr zum gewollten Image!
Doch auch die Mercedes-Kunden griffen immer häufiger zu günstigeren Modellen. Statt in einer E-Klasse saßen Taxifahrer und -Kunden im Laufe der Zeit immer häufiger einer kompakten B-Klasse. Traditionalisten unter den Autofreunden haben mit den beiden kleinen Mercedes-Modellen der A- und B-Klasse schon seit ihrer Einführung Schwierigkeiten. Doch die Enkel der Schöpfer von Ikonen wie dem Mercedes-Benz 300 SL (W194) oder des legendären 600ers der Baureihe W100 zwangen gesetzliche Vorgaben zur Konstruktion von Autos der Kompaktklasse. Denn die Vorgaben zum Flottenverbrauch waren mit den Modellen der frühen 1990er-Jahre (190er, E-Klasse, S-Klasse und SL) und ihren Sechs- und Acht-Zylindermotoren beim besten Willen nicht zu erfüllen.
So entstand 1998 der Smart und schon ein Jahr zuvor die A-Klasse. Sie startete als „Mini-Van“ und mit einem innovativen Sandwich-Boden. Der hätte gut auch Batterien einer Elektroversion oder eine Brennstoffzelle und ihre Wasserstofftanks aufnehmen können. Doch dazu kam es nie in größeren Stückzahlen. Und so verwandelte sich die A-Klasse 2012 zu einem konventionellen Vertreter der Golf-Klasse. Wegen der von Renault bezogenen Motoren sagen böse Zungen, dass die A-Klasse inzwischen ein Renault Mégane mit Stern sei. Schon ab 2005 ergänzte mit der B-Klasse ein weiterer Kompaktvan das Programm des Stuttgarter Autobauers. Und besonders dieses Fahrzeug stand bald auch an den Taxi-Ständen. Das war zunächst auch kein Problem. Doch inzwischen will die Marke wieder eine Luxusmarke sein. Diesen Anspruch bedient die B-Klasse, die ebenfalls Motoren von Renault nutzt, beim besten Willen nicht!
Zurück zu den Wurzeln?
Daher nimmt der Autobauer den Verlust der einstmals treuen Kunden aus der Taxibranche in Kauf. Denn die Marke strebt nach Höherem. Die Verantwortlichen wollen zurück in die Zeit, wo ein Mercedes-Benz automatisch für die Spitze des Automobilbaus stand. Da passt es offenbar nicht mehr ins Bild, wenn für die Mehrzahl der Menschen der Berührungspunkt mit der Marke eine Mietdroschke der B-Klasse ist. Und so ist der Abschied vom Geschäft mit den Personenbeförderungsunternehmern am Ende sogar nachvollziehbar. Denn ich erinnere mich mit Grausen an eine Taxi-Fahrt in Mainz zurück. Ich wusste nicht, dass ein Mercedes so viele Warn-Lampen hat. Wobei man das positiv sehen muss, denn das Auto fuhr trotzdem! Denn damit unterstrich es eigentlich den Anspruch der Marke auf Unzerstörbarkeit.
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