Meinung und Kommentar

Medienkritik: Formel 1 bei RTL

Um Formel 1 Rennen ohne Werbeunterbrechung sehen zu können, abonnierte ich schon vor rund 10 Jahren Pay-TV. Kurz nach dem Ende des Studiums war das, denn nach dem Einstieg ins Berufsleben wollte ich mir ja auch mal etwas leisten. Wenn ich trotzdem im Urlaub mal die Formel 1 bei RTL sehen muss, dann wird mir immer schnell klar, dass besseres Fernsehen seinen Preis hat.

TV Formel 1 bei RTL ist eine Herausforderung
Formel 1 bei RTL – in unseren Augen ist das eine Herausforderung.

In den Herbstferien war es mal wieder so weit. Ich musste die Formel 1 bei RTL gucken. Denn im Ferienhaus der Schwiegereltern haben wir kein Sky. Zudem liegt es so weit abseits, dass das Handy nur EDGE bietet. Der mobile Zugriff auf SKY, den der Sender inzwischen anbieten, bleibt damit ein Traum. Also mussten Junior und ich RTL schauen. Ich war wirklich überrascht, wie kastriert die durch Werbepausen finanzierten Übertragungen heute sind.Bei allem Verständnis dafür, dass RTL mit dem Produkt Formel 1 natürlich Geld verdienen will, die Übertragung war ein Trauerspiel.

Bereits in der vierten Runde zeigt RTL die ersten Werbespots. Immerhin ist das Geschehen aus Suzuka in einem kleinen Teil des Bildschirms weiter verfügbar. Die Moderatoren nennen das freundlich „Split-Screen“. Das ist gelogen. Denn der Begriff suggeriert, dass sich Werbung und Rennen den Bildschirm teilen. In der Realität bleibt für das Rennen jedoch maximal ein Fünftel der Fläche des Bildschirms. Zu erkennen ist auf dieser kleinen Fläche eigentlich nichts.

Formel 1 bei RTL– TV-Genuss sieht anders aus

Es ist nicht das einzige Problem. Denn das Rennen ist turbulent gestartet. Da gibt es Einiges aufzuklären. Doch wir warten während der Übertragung vergeblich auf eine Wiederholung des Rennbeginns. Bei SKY ist das ein gewohnter und geliebter Standard. Kurz nach dem Start gibt es im Pay-TV in der Regel aufschlussreiche Wiederholungen des Starts. RTL-Kommentator Heiko Wasser scheint unsere Erwartungshaltung zu kennen. Denn Wasser erklärt, dass RTL an die Bildauswahl der Weltregie gebunden ist leider keine Wiederholung des Starts senden dürfe.

Bereits in Runde sechs nimmt RTL trotzdem Einfluss auf die Bildgestaltung. Denn nun folgt ein „richtiger“ Werbeblock. Die Aufgabe des RTL-Kommentators ist offensichtlich auch, das Publikum bei der Stange zu halten. Denn statt das Renngeschehen zu erklären, kündigt der Heiko Wasser ein Gewinnspiel an. Das gibt es dann tatsächlich am Ende des Werbeblocks kurz bevor RTL wieder das LIVE-Bild zeigt. So macht man Free-TV 😉 Nur am Rande sei erwähnt, dass der Experte Christian Danner, der bei RTL während der Übertragung mit Wasser am Mikrofon sitzt, in einem Einspieler den Hauptgewinn des Gewinnspiels vorstellt.

Was ist hier Werbung? Was ist hier Programm?

Mir zeigt das Ganze nur, wie eng bei RTL Kommerz und Journalismus verbunden sind. Rechtlich ist das alles natürlich ok. Doch Journalismus lebt auch von Moral und Integrität. Und da ist das, was der Kölner TV-Sender Programm nennt, nicht ganz so sauber. Auf der Strecke in Japan drehten die Protagonisten während des Werbeblocks satte drei Runden. Das ist ein Drittel der bisherigen Renndistanz. Im Vergleich wirkt SKY auf einmal richtig billig.

Doch zurück zum Geschehen auf der Strecke. Kaum ist RTL zurück im Weltbild gibt es einen Nachtrag zum Start. Die Rennleitung hat Romain Grosjean für seinen erneuten Startunfall mit einer 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe belegt. Erklärungen zu dieser – Angesichts des Wiederholungstäters Grosjean – ungewöhnlich geringen Strafe folgen nicht. Es bleibt nicht die einzige Lücke an diesem Morgen. Denn als die Weltregie kurze Zeit später endlich auch die Kollision zwischen Kimi Räikkönen und Fernando Alonso umfassend beleuchtet, steht der RTL-Zuschauer im Abseits.

Wobei das fast schon tragisch ist. Denn ausgerechnet in diesem Moment, als die Weltregie für Aufklärung sorgt, versucht das Team von RTL journalistisch zu arbeiten. So überdeckt ein Interview mit Nico Rosberg in einer weiteren „Split-Screen Schaltung“ einen großen Teil des Hauptbilds. Das Interview ist – wie immer bei Rosberg – interessant und aufschlussreich. Aber es ist nicht live und läuft zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Alonso verliert durch den Ausfall wertvolle Punkte. Das könnte sich im Kampf um die WM noch rächen. Im Sinne echter Sportberichterstattung setzte RTL mit dem Einspielen des Rosberg-Interviews definitiv den falschen Schwerpunkt.

Sportberichterstattung ist das bei RTL nicht!

Mit dem nächsten Werbeblock wartet RTL – immerhin – bis zur 19. Runde. Zehn Runden sind seit der letzten Werbepause vergangen. Heiko Wasser scheint im Ansatz zu wissen, dass das nicht lange her ist. Es klingt fast nach einer Entschuldigung, wenn der Kommentartor den Werbeblock als „Abbiegen“ bezeichnet. Zudem erklärt Wasser dem Publikum, dass es ihm der frühe „Boxenstopp“ ermöglichen soll, im Anschluss nichts zu verpassen. Es ist ein leeres Versprechen, es kommt völlig anders.

Denn natürlich sendet RTL auch beim Ausfall von Sergio Pérez Werbung. Was da passiert ist, das wird auch in der verbleibenden „Übertragung“ nicht klar. Als RTL seinen „Boxenstopp“ beendet sind die Bergungsarbeiten nur ein Detail am Streckenrand. Die Erklärung zum Ausfall des Sauber-Piloten bleibt auch aus, als das Weltbild später den von Reportern umlagerten Pérez im Fahrerlager zeigt. Immerhin nutzt das „Reporter-Duo“ diese Einblendung, um echte Kompetenz zu beweisen. Denn Wasser und Danner teilen ihrem Publikum mit, im Getümmel leider kein RTL-Mikrofon entdeckt zu haben.

Die „Reporter“ kommentieren nur Wichtiges

Die „Reporter“ sind während des gesamten Rennens in ihrer eigenen Welt. Teilweise wirken sie so, als ob sie nicht in Suzuka sondern auf dem heimischen Sofa sitzen. Nach zehn Runden Sendung folgt der nächste Werbeblock. Es ist fast schon eine Erlösung, dass jetzt acht Werbespots dem Zuschauer genügend Zeit zur Erholung geben. Nach der Werbepause nimmt die Verwunderung zu. Mehrfach beziehen sich die „Reporter“ auf Szenen, die die Zuschauer gar nicht gesehen konnten. Denn auf ihren Bildschirmen lief ja Werbung.

Als ich am späten Nachmittag ein paar Minuten der Wiederholung des Rennens ansehe, klärt sich dieses Wirrwarr auf. Offensichtlich kommentieren die „Reporter“ das Rennen durch. Sie wissen offenbar, dass ihr Arbeitgeber die Werbeblöcke in der Wiederholung anders schneidet. Und so komme ich in der Wiederholung in den Genuss des Duells zwischen Bruno Senna und Romain Grosjean. In der Live-Reportage war nicht ersichtlich, wie Senna mit einem sehenswerten Überholvorgang vor der Mutkurve 130R den Lotus-Fahrer kassierte.

Am Ende freue ich mich richtig auf SKY

RTL verdiente während der Live-Reportage mit sechs weiteren Werbespots nochmals Geld. Kurz vor dem Ende folgte dann nochmals eine „Split-Screen Werbung“. Mir gibt das wieder Zeit zur Erholung. Denn es ist schwer zu ertragen, mit welchen Nebensächlichkeiten sich die „Reporter“ bei RTL aufhalten. Mehrere Minuten lang spekulieren die „Reporter“ darüber, was die japanische Lebensgefährtin von Jenson Button zum Zweikampf des Partners mit ihrem Landsmann Kamui Kobayashi denken könnte.

Mich interessiert das nicht, doch offenbar sind in dieser Dauerwerbesendung solche Gedankenspiele wichtig. In der Auslaufrunde, die bei Siegen von Sebastian Vettel immer ein ein emotionaler Moment ist, geht RTL nochmals in die Werbung. Ich suche die Fernbedienung, um frustriert den Fernseher abzuschalten. Denn ich habe genug gesehen und weiß jetzt ganz genau: Formel 1 bei RTL ist unerträglich. Wenn in 25 Jahren meine Rente nur knapp zum Leben reichen sollte, dann arbeite ich lieber als Nachtwächter, als zum werbefinanzierten Fernsehen zurückzukehren. Denn wenn Dir die Übertragung der Formel 1 bei RTL genug Motorsport bietet, dann ist Dir die Formel 1 vermutlich egal.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
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Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!