von Fredo Steckgaard am 09.11.2025

Aus dem Archiv: Zandvoort, 1976 – Schatten, Stil und ein stiller Held

Als ich dieses Foto sah, wusste ich sofort: Das ist einer dieser eingefrorenen Momente, die mehr erzählen als ganze Rennberichte. Zandvoort 1976 – Tom Pryce im Shadow. Ein Fahrer und sein Auto, eingefangen in einem Moment, der mehr erzählt als ganze Rennberichte. Beides Symbole für eine Zeit, in der Motorsport noch gefährlich ehrlich war.

Zandvoort 1976: Tom Pryce im Shadow

Zandvoort 1976: Tom Pryce im Shadow – ein stiller Held in einem Moment voller Stil, Tempo und Tragik. Ein Blick zurück auf eine andere Formel-1-Zeit. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Der Brite aus Wales galt als eines der größten Talente seiner Zeit. Tom Pryce war schnell, kontrolliert und technisch brillant. Keine laute Geste, kein Glamour – einfach ein Rennfahrer, wie ihn die 1970er-Jahre hervorbrachten: kompromisslos auf der Strecke, bescheiden daneben. Sein Team, Shadow, war ähnlich gestrickt: klein, ehrgeizig, mit mehr Herz als Budget. Der Shadow DN5 war ein schlanker, aerodynamisch geschliffener Rennwagen. Ein Kind der Zeit, als die Formel 1 noch roch nach Öl, Gummi und Mut.

1976 war kein einfaches Jahr für Shadow.

Die Tabatip- und UOP-Schriftzüge auf dem tiefschwarzen Chassis leuchteten im Sonnenlicht, während das Meer in Zandvoort nur ein paar hundert Meter entfernt rauschte. Kein Paddock-Luxus, keine Hospitality-Zelte. Nur Sand, Asphalt und die unverkennbare Stimme der V8 von Cosworth sowie der V12 von Alfa Romeo, B.R.M. und Ferrari. Shadow Racing, das Team des amerikanischen Unternehmers Don Nichols, gehörte seit 1973 zum schnellsten Zirkus der Welt. Doch dort blieb bisher der ganz große Durchbruch aus.

Anders als in der CanAm-Serie, wo Shadow um Siege und Titel fuhr, sprangen in der Formel 1 und der Automobil-Weltmeisterschaft nur an guten Tagen ein paar Punkte heraus. Technische Probleme und Pech verhinderten oft bessere Resultate – doch Tom Pryce zeigte immer wieder, was in ihm steckte. 1975, knapp ein Jahr nach seinem Debüt in der Königsklasse, fuhr der Waliser seinen Shadow in Österreich erstmals aufs Podest. Anfang 1976 wiederholte Pryce diesen Erfolg in Brasilien.

Tom Pryce gab dem Team Hoffnung:

Pryce beeindruckte die Fans mit seinem Kampfgeist und seiner Eleganz, die er besonders auf nasser Strecke zeigte. All das machte ihn bei Kollegen und Fans gleichermaßen beliebt. In Zandvoort qualifizierte Pryce seinen Shadow auf einem guten dritten Platz. Schneller als der Waliser waren nur Ronnie Peterson im March und James Hunt im McLaren. Jean-Pierre Jarier im zweiten Shadow lag nach dem Training auf dem 20. Platz. Dem Franzosen fehlten im Training fast zwei Sekunden auf seinen Teamkollegen.

Im Rennen verpasste Tom Pryce als Vierter das Podium nur knapp – ihm fehlten lediglich 6,94 Sekunden auf den Sieger James Hunt. Vielleicht liegt genau darin der Zauber dieses Bildes: ein Moment, eingefangen zwischen Aufbruch und Tragik. Denn nur ein Jahr später, beim Großen Preis von Südafrika 1977, endete das Leben des erst 27-jährigen Tom Pryce auf schreckliche Weise – ein Unfall, der die Formel 1 erschütterte und bis heute nachhallt.

Erst beim Großen Preis von Mexico musste ich an den Unfall von Tom Pryce denken!

Denn Pryce verunglückte, als zwei Streckenposten im Rennen die Strecke überquerten. Sie wollten auf der anderen Seite der Strecke einen brennenden Boliden löschen. Pryce, der im Windschatten von Hans-Joachim Stuck unterwegs war, sah die Personen auf der Strecke nicht. Er hatte keine Chance mehr auszuweichen und erfasste einen 19 Jahre alten Sportwart mit einem Tempo von etwa 280 Kilometern pro Stunde. Der Streckenposten wurde durch die Luft geschleudert und war auf der Stelle tot.

Sein Feuerlöscher traf Pryce und riss ihm den Helm vom Kopf. Pryce erlitt dadurch schwerste Kopfverletzungen und starb vermutlich Sekundenbruchteile nach dem Unfall. Sein Wagen fuhr steuerlos weiter die Start-Ziel-Gerade entlang, touchierte auf der rechten Seite eine Leitplanke und kollidierte schließlich in der ersten Kurve (Crowthorne) mit dem Ligier von Jacques Laffite. Die beiden Fahrzeuge kamen im angrenzenden Kiesbett zum Stehen, Laffite blieb unverletzt.

Unser Bild zeigt einen kurzen Augenblick, bevor sich der Schatten senkte.

Beim Großen Preis von Mexiko, als Liam Lawson auf zwei Streckenposten zuraste, musste ich unwillkürlich an den Unfall von Tom Pryce denken. Doch unser Archiv-Foto erinnert an den Rennfahrer so, wie man ihn in Erinnerung behalten sollte: konzentriert, elegant, ganz im Flow des Fahrens. Der Helm tief im Cockpit, die Hände ruhig am Lenkrad, der schwarze Shadow in der Sonne von Zandvoort – ein kurzer Augenblick, bevor sich der Schatten senkte.


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