Deutsche Rennsport-Meisterschaft: Wie es zur Gründung der DRM kam!

von Tom Schwede am 14. Sep 2024

Ende der 1970er-Jahre war die „Deutsche Rennsport-Meisterschaft“ (DRM) nach der Formel 1 die wohl wichtigste europäische Motorsportserie. Im ersten Teil unser Serie über die von 1972 bis 1985 ausgetragene DRM blicken wir zurück, wie es zu ihrer Gründung kam.

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1982 erlebte die DRM noch einmal eine große Zeit. Die Super-Tourenwagen der Gruppe 5 kämpften gegen die Boliden der Gruppe 6. Doch schon 1983 gingen die Teilnehmerzahlen dramatisch zurück. Denn die Gruppe C-Rennwagen waren teurer als die bisherigen Rennwagen. Das konnten sich immer weniger Piloten leisten. – Foto: Udo Klinkel

„Too big to fail“ – es gibt Dinge, die sind so groß, dass ihr Ende nicht vorstellbar ist. Trotzdem kommt dieses manchmal schneller als gedacht. Die legendäre „Deutsche Rennsport-Meisterschaft“ (DRM) ist so ein Fall. Ende der 1970er-Jahre galt die DRM nach der Formel 1 als wichtigste europäische Motorsportserie. Doch nur wenige Jahre später gingen ihr – auch nach einer von der FISA vorgegebenen Regeländerung – die Teilnehmer aus. 1985 war die DRM Geschichte. Im ersten Teil unser Serie über die „Deutsche Rennsport-Meisterschaft“ blicken wir zurück, wie es zu ihrer Gründung kam.

Anfang der 1970er-Jahre war vieles möglich. Die Welt war im Aufbruch. Im Rückblick wirkt es fast so, als ob damals der Fortschritt Standard war. Verantwortlich dafür war eine ausgeprägte – ja fast radikale – Anlehnung bestehender Normen. Das gesellschaftliche Klima färbte auch auf den Motorsport ab. In der Formel 1 debütierten 1971 profillose Reifen. Dazu wuchsen den Rennwagen immer mehr Spoiler. Innerhalb weniger Monate sahen die zuvor genutzten Rennwagen wie Relikte einer abgelaufenen Zeit aus. In diesem Umfeld entstand in der damaligen Bundesrepublik die Deutsche Rennsport-Meisterschaft (DRM). Auch sie war ein völliger Neuanfang, der konsequent auf alte Zöpfe verzichtete.

Zuvor galt für die Meisterschaftswertung: komplizierter ging es kaum!

Die bis 1970 ausgetragene „Deutsche Automobil-Rundstrecken-Meisterschaft“ (DARM) zeichnete sich durch komplizierte Regeln aus. Das war notwendig, um die in der DARM gestatteten Serientourenwagen der Gruppe 1 mit Spezialtourenwagen (Gruppe 2), Serien-GT (Gruppe 3) oder Spezial-GT (Gruppe 4) gemeinsam um einen Titel kämpfen zu lassen. Dieses Ansinnen führte dazu, dass die Piloten bei den Veranstaltungen der DARM in insgesamt 13 Klassen um Punkte (12, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 Punkte für die ersten zehn Plätze einer Klasse) kämpften. Wobei die Klassen unterschiedliche Rennen fuhren – sich am Ende aber alle in einer Wertung wiederfinden sollten. Schon das war unübersichtlich!

Doch endgültig unübersichtlich – oder sagen wir „unfair“ – waren die „Gutpunkte“. Sie entschieden bei Punktgleichheit über die endgültigen Platzierungen. So gewannen die Piloten von GT-Fahrzeugen „Gutpunkte“, wenn sie schneller als die vergleichbaren Tourenwagen fuhren. Weitere „Gutpunkte“ erhielten Fahrer, die mindestens 90 Prozent der Distanz des jeweiligen Klassensiegers zurücklegten und deren Durchschnittsgeschwindigkeit dabei maximal 10 Prozent unter der des Klassensieger lag. In der Theorie sorgte das für perfekte Chancengleichheit. Doch wie sollte ein Zuschauer an der Strecke – ohne Rechenschieber – verstehen, warum der BMW 700 da unten auf der Strecke in der Meisterschaftswertung gerade einen Porsche aus dem vorherigen Rennen verdrängte?

Das muss einfacher gehen: Auftritt Deutsche Rennsport-Meisterschaft!

Zur Saison 1972 wagten die Verantwortlichen endlich den großen Wurf. Das komplizierte Wertungssystem schreckte zunehmend die Industrie ab. Denn die Verantwortlichen der Autobauer und Importeure fragten sich, wie sie den Kunden erklären sollen, warum ein kleiner Fiat oder ein Mini in der wichtigsten Meisterschaft des Landes vor einem Jaguar oder Porsche landet. Also schickten die Werke und die Importeure nur noch ungern ihre Teams in die Meisterschaft. Doch zum Glück waren in dieser Zeit große Lösungen möglich. Auf Initiative von Hugo Emde, Sport- und PR-Chef des Stoßdämpfer-Unternehmens Bilstein, des Ford-Sportleiters Jochen Neerpasch und von Fritz Jüttner vom Bosch-Renndienst entstand eine automobile Bundesliga.

Waltraud Odenthal, Ford Capri

Mit der Gründung der DRM wollte die ONS besonders den deutschen Herstellern eine geeignete Bühne bieten. In der Division I setzte die ONS auf einen Wettkampf zwischen BMW, Ford und Porsche. Zu denen, die einen Ford Capri an den Start brachten, gehörte Waltraud Odenthal (Foto: Lothar Spurzem).

Denn der Einfluss der Drei reichte, um die „Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland“ (ONS) zur Saison 1972 die Regeln ändern zu lassen. Die ONS schrieb, um der Industrie einen Anreiz zum Engagement zu geben, eine Meisterschaft mit nur noch zwei Divisionen aus. Einziges Merkmal, um ein Auto in die passende Division einzustufen, war fortan der Hubraum. In der „kleinen“ Division II traten alle Fahrzeuge mit einem Hubraum unter zwei Litern an. Die „große“ Division I stand Fahrzeugen von zwei bis vier Liter Hubraum offen. Zudem entfiel die Trennung zwischen Tourenwagen und GT. In beiden Divisionen durften genauso Spezial-Tourenwagen der Gruppe 2 als auch GT-Fahrzeuge der Gruppe 4 antreten.

Mit den neuen Regeln legte die ONS den Grundstein für den Aufstieg der Serie!

Nur die Benennung der Divisionen gab eine Richtung vor. Die ONS wollte, dass die Spitzenfahrer in der großen Division starten. In ihr sollte die Luft brennen, sollten sich sich die im Sport tätigten deutschen Hersteller BMW, Porsche und Ford Köln einen nach Möglichkeit packenden Kampf um die Meisterschaft bieten. Um das Ganze zusätzlich aufzuwerten, garnierte die ONS die Meisterschaft mit einem neuen Namen. Statt „Deutsche Automobil-Rundstrecken-Meisterschaft“ hieß es nun „Deutsche Rennsport-Meisterschaft“ (DRM). Es war, wie wir heute wissen, der Start einer neuen Ära des Motorsports.

Um die Renntage aufzuwerten, schrieb die ONS für Nachwuchsfahrer den neuen Rundstrecken-Pokal als Unterbau der großen Meisterschaft aus. In dieser zweiten Liga beließ es die ONS bei den bewährten 13 Wertungsklassen. Damit stellte sie den zahlreich vorhandenen Alfa Romeo 1300 GTA Junior, Ford Escort 1300 GT, NSU TT und TTS, Morris Mini Cooper S oder Abarth 1000 TCR weiterhin ein Einsatzgebiet zur Verfügung. Und sorgte nebenbei dafür, dass die DRM-Meetings auch ein attraktives Rahmenprogramm hatten. Zum ersten Meisterschaftskalender der neuen DRM gehörten neben neun Rundstrecken auch drei Bergrennen.

Die Gründung der DRM traf den Nerv der Zeit!

Ganz ohne „Unübersichtlichkeit“ ging es nicht. Denn wer in Deutschland bei einem international ausgeschriebenen Rennen antrat, das nicht zur DRM zählte, konnte sich dafür DRM-Zusatzpunkte gutschreiben lassen. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Pilot bei diesen Zusatzrennen mit einem Tourenwagen, einen Sportwagen oder einem Formel-Rennwagen antrat. Mit dieser Regel wollte die ONS Veranstalter internationaler Rennen in ihre Meisterschaft einbinden. Allerdings konnte jeder Pilot diese Option nur einmal pro Jahr nutzen. Trotzdem war die Gründung der DRM eine gute Idee. Allein die Reduzierung der Klassenvielfalt auf zwei Divisionen war ein großer Schritt.

Wobei 1972 wohl noch niemand ahnen konnte, dass diese Klassenaufteilung in den kommenden Jahren für zusätzliche Spannung sorgen sollte. Denn die Fahrer und Teams überlegten bald sehr genau, in welcher Division sie antraten. Versprach der Wechsel der Division ein „einfacheres“ Rennen, dann wurde diese Möglichkeit auch genutzt. Das sollte in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre teilweise sogar über die Meisterschaft entscheiden. Doch zunächst blicken wir im zweiten Teil unser Serie über die Deutsche Rennsport-Meisterschaft in ein paar Tagen auf den schwierigen Start der DRM in der Saison 1972 und die folgenden Jahre der Ford-Dominanz zurück.