von Tom Schwede am 13.02.2015

Lloyd LT – Urvater aller Minivans

„Alles (also) schon mal dagewesen“ … Diesen Satz haben wir alle schon einmal gehört. Und manchmal erinnert man sich noch Jahre später an die Verwendung dieses Satzes. Bei mir war das am vergangenen Wochenende der Fall, als ich auf der Bremen Classic Motorshow diesen Lloyd LT (= Lloyd Transporter) entdeckte.

Lloyd-LT600

Lloyd LT 600 – LT steht dabei für „Lloyd Transporter”, denn der Begriff Minivan war noch nicht erfunden.

Plötzlich war ich wieder 16 Jahre alt. Bereits damals beschäftigte ich mich mit Autos, las regelmäßig die „auto motor und sport“. Schließlich wollte die Entscheidung für das erste eigene Auto, das sich langsam am Horizont abzeichnete, gut überlegt sein. Finanzieller Realismus spielt in diesem Alter (zum Glück) oft eine nachgelagerte Rolle. Also beschäftigte ich mich mit allen möglichen Fahrzeugen. Irgendwann rückte der Renault Espace in den Fokus meines Interesses. Der von Matra entwickelte Renault gefiel mir einfach. Der hohe Anteil von Verbundwerkstoffen faszinierte mich.

Die optische Nähe zum Schnellzug TGV machte den europäischen Vater aller Minivans sowieso zum Mitglied der automobilen Avantgarde. Als ich bei einem Benzingespräch mit meinem Großvater den Renault Espace thematisierte, da antwortete Opa trocken: „Alles schon mal dagewesen“, um mir anschließend vom Lloyd LT zu erzählen. Da es damals noch keine Google-Bildersuche gab, blieb das Auto für mich bis zum vergangenen Wochenende jedoch gesichtslos. Gleichwohl erinnerte an Opas Bericht, dass der „Großraum-Personenwagen“ aus Bremen auf der Technik des bekannten Lloyd LP 400 basierte.

Lloyd war eine Marke aus dem Autoreich von Carl F. W. Borgward!

Borgward war in den 1950er-Jahren Bremens größter Arbeitgeber. Sein erstes Geld verdiente der Autobauer mit billigen Lieferfahrzeugen, die Borgward ab Mitte der 1920er-Jahre anbot. Mit der Übernahme der Marke Lloyd wurde der Unternehmer PKW-Hersteller. Lloyd war in den 1930er-Jahren in die Mittel- und Oberklasse vertreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Lloyd für Kleinwagen. Der Volksmund nannte sie wegen ihres einfachen Aufbaus „Leukoplastbomber“. Denn die mit Kunstleder bezogene Karosserie aus Sperrholz ruhte auf einem einfachen Holzrahmen.

Den Antrieb übernahmen günstige Zweitaktmotoren – fertig war im gebeutelten Nachkriegsdeutschland ein echter Verkaufsschlager. Ihr Erfolg machte die Borgward-Gruppe zeitweise nach VW und Opel zum drittgrößten deutschen Autobauer. Ende 1952 stellte Lloyd einen Lieferwagen auf Basis des Kleinwagens LP 300 vor und bot diesen auch als sechsitzigen Kleinbus (LT 500/6) an. Wie beim Kleinwagen sorgte der Materialmangel für kreative Lösungen. Denn die Karosserie des „Minivans“, der diesen Namen noch nicht kannte, ist eine Fachwerk-Konstruktion aus Holz. Auf diesem sitzt die Außenhaut aus dünnem Blech.

Plaste und Elaste gab es auch im Westen!

In den Anfangsjahren fertigt Borgward die Türen, die Seitenteile und die Dachhaut aus Kunstharz. Trabant lässt Grüßen. 1955 stellte Lloyd die Produktion auf luftgekühlte Viertaktmotoren um. Aus dem LT 500/6 wurde der LT 600/6. Dieser wurde bevorzugt in die USA verkauft, das spülte wertvolle Devisen in die Kasse des Unternehmens. Dessen Geschichte jedoch schnell zu Ende ging. Denn 1961 meldeten die Borgward-Werke die Pleite an. Das Unternehmer fand keine Geldgeber, die bereit waren, eine Zwischenfinanzierung zu gewähren.

Mit der Pleite der Borgward-Werke 1961 endete auch die Geschichte des LT 600. Rund 25.000 Exemplare des Lieferwagens waren zuvor entstanden, fast 20.000 davon als Sechssitzer. Überlebt haben nur wenige Exemplare. Vermutlich gibt es in Deutschland deutlich weniger als 50 fahrbereite Exemplare. Denn viele der Fahrzeuge wurden im Alltag bei Fahrdiensten und im Lieferverkehr schnell verschlissen. Der Wegfall des Herstellers machte den Unterhalt irgendwann schwierig.


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