Monument britischer Beharrlichkeit: Rolls-Royce Phantom VI

von Tom Schwede am 18.02.2025

Fast ein Vierteljahrhundert Produktionszeit – und am Ende stehen gerade einmal 374 gebaute Exemplare. Während anderswo längst Hunderttausende Exemplare eines Modells vom Band rollten, zelebrierte Rolls-Royce mit dem Phantom VI die hohe Kunst der Gelassenheit. Statt um Massenproduktion ging es den Briten um Perfektion und Individualität.

Rolls-Royce Phantom VI

Ein Auto, das länger gebaut wurde, als so mancher Kleinwagen hält – und dabei seltener blieb als ein Lottogewinn. Der Rolls-Royce Phantom VI war kein Auto für Ungeduldige oder Sparfüchse, dafür aber ein Meisterwerk des Luxus. (Foto: Rolls-Royce Motor Cars)

Das wird auch bei den Karosserien deutlich. Denn der Phantom VI, eingeführt 1968 und bis 1993 gebaut, war der letzte Rolls-Royce mit klassischem, maßgefertigtem Karosseriebau. Während sich der Rest der Automobilindustrie längst in Richtung selbsttragender Karosserien bewegte, hielten die Verantwortlichen in Crewe an einer Tradition fest, die damals schon wie aus der Zeit gefallen wirkte.

Die Kunden orderten bei Rolls-Royce „nur“ ein Chassis und ließen dieses im Anschluss von H. J. Mulliner Park Ward individuell einkleiden. Dass diese noble Schneckenpost-Methode nicht massentauglich war, versteht sich von selbst. H. J. Mulliner Park Ward war damals eine Tochter des Autobauers und entstand aus der Vereinigung der zuvor unabhängigen Karosseriebauer H. J. Mulliner und Park Ward.

Technisch entwickelte sich der Rolls-Royce Phantom VI stetig weiter!

Unter dem Blech entwickelte sich der Rolls-Royce Phantom VI über die Jahre stetig weiter. Der Hubraum des V8-Motors wuchs von 6,25 auf 6,75 Liter. Die altmodische Viergang-Automatik der ersten Jahre wich einer moderneren Dreigang-Variante. Das Bremssystem bekam eine Frischzellenkur mit Hochdruckhydraulik und einer verbesserten Kühlung der Bremstrommeln an der Hinterachse. Davon unbeeindruckt blieb sich der Phantom VI über die gesamte Bauzeit hinweg treu.

Denn das Design blieb unverändert riesig, imposant und elegant. Das machte den Rolls-Royce zum Auto für gekrönte Häupter, Staatsoberhäupter und Exzentriker mit zu viel Geld und Geduld. Denn der Phantom VI kostete am Ende seiner Bauzeit bis zu eine Million US-Dollar. Und weil jedes Auto einzeln gefertigt wurde, dauerte es bis zur Auslieferung eines bestellten Fahrzeugs stets eine gefühlte Ewigkeit. Damit gehörte der Rolls-Royce Phantom VI fast automatisch zu den exklusivsten Autos seiner Zeit.

Kugelsicher? Nur beim Fahrgast!

Ein besonderes Kapitel sind die sieben „Special Limousines“. Äußerlich kaum von einem normalen Phantom VI zu unterscheiden, wiesen sie einige interessante Details auf. So gab es im Fond kugelsicheres Glas und eine Panzerung, während der arme Chauffeur ungeschützt blieb. Wahrscheinlich hielten die Kunden das Personal für ersetzbar – falls ein Angreifer einmal keinen Respekt vor der Noblesse des Fahrzeugs zeigen würde.

Rolls-Royce in Crewe

Die Fabrik von Rolls-Royce in Crewe Anfang der 1970er-Jahre. (Foto: Rolls-Royce Motor Cars)

Auch die britische Monarchie war dem Phantom VI zugetan. Königinmutter Elizabeth hatte ihr persönliches Landaulette. Ihre Tochter, Königin Elizabeth II., besaß gleich zwei Exemplare. Eines davon erhielt den charmanten Spitznamen „Oil Barrel“ – aufgrund seines erhöhten Dachs und einer speziellen Plexiglasstruktur, die den Insassen mehr Kopffreiheit bot. Die zweite königliche Phantom-VI-Limousine, „Lady Norfolk“, wurde 1987 ausgeliefert und ist bis heute Teil des königlichen Fuhrparks.

Der Phantom VI alterte in Würde

Im Laufe der Zeit wurde es immer schwieriger und teurer, die alten Karosserie- und Fahrwerksteile aus der Silver-Cloud-Ära zu bauen. 1991 nahm Rolls-Royce den letzten Kundenauftrag für einen Phantom VI an. Zwei Jahre später verließ das letzte Exemplar Crewe: ein prachtvolles, schwarz-rotes Landaulette mit luxuriösem rotem Leder vorn und samtweichem roten Fondbereich. Ursprünglich wollte Rolls-Royce dieses Fahrzeug als Beispiel britischer Automobilkunst selbst behalten.

Doch wirtschaftliche Zwänge machten diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. So verabschiedete sich der Phantom VI in Würde – als letztes Beispiel einer untergegangenen Ära des handgefertigten automobilen Luxus. Denn während anderswo längst Computer, Aerodynamik und Kunststoff Einzug hielten, blieb dieses Auto ein Denkmal der britischen Beharrlichkeit – oder, je nach Sichtweise, des britischen Starrsinns.


Gefallen gefunden?

Helfen Sie uns, besser zu werden – wie fanden Sie diesen Artikel?

Anzeigen:

Unterstützen Sie uns – mit einem Klick!

Wenn Sie unseren Amazon-Link nutzen, unterstützt das direkt unseren Blog. Sie profitieren von gewohnter Amazon-Qualität, wir von einer kleinen Provision. Und so hilft uns jeder Einkauf, den Sie über unseren Amazon-Link tätigen, hochwertigen Content für Sie zu erstellen. Ohne zusätzliche Kosten für Sie!

Zu Amazon …

Für echte Auto-Enthusiasten: Geschichten, Tests und Kult aus der Garage der Zeit

Seit 2007 dreht sich bei AutoNatives.de alles um Oldtimer, Youngtimer und die faszinierende Geschichte des Motorsports.

Wir feiern automobiles Kulturgut und bringen regelmäßig spannende Geschichten über klassisches Blech und legendäre Rennsport-Momente.

Wir lassen Klassiker aufleben und prüfen moderne Autos!

Doch damit nicht genug: Auch aktuelle Modelle kommen bei uns auf den Prüfstand – authentisch, leidenschaftlich und mit dem unbestechlichen Popometer unserer Redakteure.

Alles zusammen macht AutoNatives.de zum Blog, das Auto-Geschichte lebendig werden lässt und moderne Technik auf Herz und Nieren prüft.