Der Austin J40: Wie ein Pedalauto zu einer britischen Ikone wurde!
Zwischen walisischem Kohlenstaub und britischer Kindheitsnostalgie: In den 1950er-Jahren baute die Austin Junior Car Factory im walisischen Bargoed kleine Pedalautos für große Träume. Inzwischen lebt die Geschichte des Austin J40 weiter: Beim Goodwood Revival, in Sammlerwerkstätten und durch eine neue Gedenktafel, die diesem besonderen Kapitel der Automobilgeschichte ein Denkmal setzt.
Wer einmal das Goodwood Revival erlebt hat, der weiß: Hier geht es nicht nur um glänzendes Chrom und knatternde Auspuffrohre historischer Rennwagen. Es geht auch um Geschichten. Und eine der charmantesten davon spielt sich Jahr für Jahr im Settrington Cup ab. Hier sprinten Kinder in schicken Rennanzügen zum Start, werfen sich in ihre kleinen Austin J40-Tretautos und treten in die Pedale, was das Zeug hält. Ein Rennen wie aus dem Bilderbuch, mit echter Le-Mans-Atmosphäre und viel kindlicher Ernsthaftigkeit.
Die Austin Junior Car Factory – ein Werk mit Herz und Verstand
Was viele nicht wissen: Hinter diesen Mini-Racern steckt nicht nur nostalgischer Spielzeugcharme, sondern echte Industriegeschichte. Denn gebaut wurden die kleinen Tretautos einst in einer eigenen Autofabrik im walisischen Bargoed, der 1949 eröffneten Austin Junior Car Factory. Die Idee dazu kam von Austin-Chef Leonard Lord, der mit der Gründung auch soziale Zwecke verfolgte. Denn das Werk in Südwales sollte vor allem ehemaligen Bergleuten eine neue berufliche Perspektive bieten.
Berufsbedingt litten viele von ihnen unter den gesundheitlichen Folgen der harten Arbeit unter Tage. Daher konnten sie ihren ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben. Die Austin Junior Car Factory bot ihnen eine neue Chance. Dort sollten sie fortan kleine Autos bauen. Keine Spielzeuge im herkömmlichen Sinn, sondern hochwertige Miniaturen, gefertigt mit der gleichen Sorgfalt wie die großen Austin-Modelle. Und so entstand mit dem Austin J40 ein Pedalauto, das mehr war als nur ein Kindertraum.
Der Austin J40 war eine Miniatur des Austin A40 Devon!
Denn der Austin J40 („J“ für Junior) verfügte über eine Karosserie aus echtem Blech. Zu ihr gehörten eine aufklappbare Motorhaube und ein aufklappbarer Kofferraum. Ihre Lackierung entsprach dem Stil der Zeit. Dazu kamen funktionierende Scheinwerfer, eine Hupe und Sitze mit Kunstlederbezug. Die Räder mit serienmäßigen Dunlop-Reifen waren abnehmbar. Optisch orientierte sich der J40 am A40 Devon, dem in Großbritannien erfolgreichen Kompaktwagen der Nachkriegszeit.
Neben dem Austin J40 bot die Austin Junior Car Factory mit dem etwas größeren Pathfinder ein weiteres Pedalauto an. Von beiden Fahrzeugtypen verließen von 1949 bis 1971 mehr als 32.000 Exemplare die Fabrik in Bargoed. Zu den Glücklichen, die als Kinder ein Austin J40 besaßen, gehörte auch der heutige britische König Charles. 1952 bekam der damalige Prinz zu seinem vierten Geburtstag einen speziell gefertigten J40, der bis heute in der königlichen Sammlung steht. Auch vom späteren Formel-1-Weltmeister Damon Hill gibt es Fotos, die ihn mit seinem J40 zeigen.
Blue Plaque als Denkmal für eine besondere Idee
1971 endete die Produktion der Pedalautos. Die British Leyland Motor Corporation, in der Austin nach zwei Fusionen (1952 mit Morris und 1968 mit Leyland) aufging, fertigte im Werk in Bargoed anschließend noch bis 1999 Ersatzteile. Dann kamen das endgültige Aus und der Abriss der Fabrik. Damit verschwand der letzte sichtbare Hinweis auf die ungewöhnliche Geschichte des Austin J40. Kein Schild, keine Gedenktafel erinnerte mehr daran, dass hier einst Miniaturautos in echter Automobilbau-Manier entstanden.
Das ist jetzt anders. Denn Anfang Juli 2025 wurde in Bargoed eine sogenannte Blue Plaque enthüllt. Diese Gedenktafeln kennzeichnen in Großbritannien historische Orte von besonderer Bedeutung. Die für die Austin Pedal Cars befindet sich in der Nähe des früheren Werkgeländes. Zur feierlichen Enthüllung kamen ehemalige Werksangehörige, Vertreter der Stadt und zahlreiche weitere Gäste. Sie feierten mit der Enthüllung der Plakette die Pedal Cars von Austin.
Ein Klassiker lebt wieder auf!
Besonders emotional war die Präsentation zweier Fahrzeuge mit großer Symbolkraft: einem der ersten Pathfinder und dem letzten J40, der 1971 das Werk verließ. Mit dem dabei nach Bargoed zurückgekehrten Pathfinder fuhr 1949 ein damals fünfjähriger Junge bei der Eröffnungszeremonie vor das Werkstor. Dass der J40 heute wieder so präsent ist, verdankt er nicht nur dem Goodwood Revival, sondern auch der 2020 neugegründeten Firma Austin Pedal Cars.
Jamie und Mark Burnett bieten mit dieser Firma klassische J40, Ersatzteile für sie sowie professionelle Restaurationen an. Und mit dem J40 Continuation gehört auch eine moderne Neuinterpretation des Pedal Cars zu ihrem Angebot. Sie entsteht mit dem gleichen Anspruch an Qualität wie einst und mit viel Liebe zum Detail, aber mit zeitgemäßer Technik. So rollt der J40 dank der Austin Pedal Cars wieder auf den Rennstrecken von Goodwood, in den Werkstätten von Sammlern und direkt in die Herzen vieler Autoliebhaber.
Pedalkraft mit Symbolkraft
Ebenfalls zur Renaissance der Pedal Cars von Austin trug das Buch „The Austin Pedal Car Story (Werbung)“ von David Whyley bei. Es wurde 2024 vom Royal Automobile Club als „Book of the Year“ ausgezeichnet und gilt inzwischen als Standardwerk zur Geschichte des J40. Dass ein „altes“ Pedalauto Denkmal, Buch und Neugründung auslösen kann überrscht. Es zeigt, wie tief der J40 in der britischen Kultur verwurzelt ist. Er war mehr als ein Spielzeug: Er war ein Versprechen an Kinder, an Arbeiter, an eine Zeit, in der ein kleines Auto für Hoffnung stehen konnte.
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