Von Zeit zu Zeit kaufe ich Fotosammlungen auf, die Amateure bei Motorsport-Veranstaltungen der 1970er und 1980er-Jahre geschossen haben. Dabei fiel mir kürzlich das Foto eines MTX 2-01 in die Hände. Das war eine Überraschung. Denn das Foto entstand offensichtlich am Nürburgring. Mir war vorher nicht klar, dass der Rennwagen aus der CSSR dort vor der Wende zum Einsatz kam. Deshalb ging ich der Sache nach.
Die Antwort war einfach: Miran Velkoborský trat mit dem MTX 2-01 beim Lauf der Interserie im Herbst 1977 in der Eifel an. Das Rennen lief auf der 2,292 Kilometer langen „START ZIELSCHLEIFE“ des Nürburgrings. Das Programmheft weist den Rennwagen offiziell als „Kavalier Siemax“ aus. Das dürfte ein Tippfehler gewesen sein. Gemeint war – wie es auch auf der Front des Wagens stand – „Kavalier Simax“. Das verweist auf einen bis heute aktiven tschechischen Glashersteller und sein Laborglas („Borosilikatglas“).
Ganz schön viel Kapitalismus – für ein Auto aus dem Ostblock!
Als Bewerber trat das „UAMK CSSR Racing Team“ aus Prag auf. Auch das passte perfekt zu den Kontrahenten. Denn die traten unter Namen wie „Team Warsteiner“ (Jörg Obermoser, TOJ SC 303), „Barho-Autoteile“ (Helmut Bross, Lola T 294) oder „Lester Ray Racing with Polarroof“ (Richard Jenvey, Vogne-Ford) an. Insofern war der Gast aus der CSSR auf den zweiten Blick schon nicht mehr ganz so exotisch, wie angenommen. Das Rennen am Nürburgring lief für den MTX 2-01 übrigens nicht sehr erfolgreich. Pilot Miran Velkoborský fiel nach einem Unfall vorzeitig aus.
Bleibt die Frage, wer war Miran Velkoborský? Velkoborský war in den 1970er und 1980er Jahren ein bekannter tschechoslowakischer Sportwagen-Pilot, trat bei Rundstrecken- und Bergrennen an. In der Datenbank von RacingSportscars ist sein Name eng mit Fahrzeugen von MTX beziehungsweise Metalex verbunden. Gleichzeitig wird die Sache an diesem Punkt auch etwas traurig. Denn als ich Infos für diesen Artikel suche, finde ich einen Facebook-Eintrag: Miran Velkoborský (* 18. Juli 1946 – † 7. September 2024) starb vor vier Tagen.
MTX – da war doch was?
Vor ein paar Monaten beschäftigten wir uns hier im Blog ausführlich mit Motorsport im ehemaligen Ostblock. Im Artikel über die Formel Easter ging es auch um die Formel-Rennwagen von MTX beziehungsweise Metalex. Der Hersteller von Sport- und Rennwagen war in der damaligen CSSR zu Hause. Seit 1969 entstanden in der Werkstatt von Metalex Monoposto für die Formel Easter. Sie dominierten zeitweise die Szene hinter dem Eisernen Vorhang. In den 1970er-Jahren verdrängten die Rennwagen aus der CSSR zeitweise die zuvor (und später) Erfolgsmodelle aus der „DDR“.
Kein Wunder, dass Metalex bis 1989 mehr als 150 Rennwagen für die Formel Easter und ihren Nachfolger Formel Mondial baute. Dazu kamen mindestens zehn weitere Fahrzeuge für die damals in der CSSR ausgeschriebene „Formula Škoda“. Im Ostblock waren auch die Autocross Buggys und Rallye-Fahrzeuge aus Prag bekannte Größen. In der Wendezeit entstanden bei MTX auch einige Rennwagen für die Formel Ford. Außerdem sorgte der Sportwagen MTX Tatra V8 kurz nach der politischen Wende für Aufmerksamkeit.
Der MTX 2-01 war der erste Rennsportwagen von Metalex!
Weniger im Fokus standen die Rennsportwagen, die MTX zu Ostblock-Zeiten baute. Für die damals „B5“ genannte Sportwagen-Klasse bei den internationalen Rennen der Ostblock-Staaten entstand schon 1972 der MTX 2-01. Vom offenen Zweisitzer baute MTX drei Exemplare. Sie traten überwiegend bei den Sportwagenrennen hinter dem Eisernen Vorhang an. Die ersten Renneinsätze sind 1972 bei den Veranstaltungen in Most, Havířov und am Schleizer Dreieck dokumentiert.
Auch in den kommenden Jahren beschränkten sich die Einsätze auf Rennen im Ostblock. Wobei zunächst Motoren von Fiat zum Einsatz kamen. Das war in diesen Jahren im Ostblock weniger exotisch, als viele an dieser Stelle denken. Denn bei seinem ersten Einsatz trat der MTX 2-01 gegen Melkus RS 1000, Alfa Romeo 1300 GTA Junior oder Saab Sonett an. Dazu gab es im Feld einen Škoda 1000 MB Studio B5, den ein Motor von BMW antrieb.
Später bekam der MTX 2-01 einen Motor von BMW!
Ab 1976 ging dann auch mindestens einer der MTX 2-01 mit einem BMW-Triebwerk an den Start. Und anders als sein Vorgänger von FIAT gab dieser Motor seine Kraft nicht mehr an ein Getriebe von Škoda ab. Denn mit dem von Alpina getunten BMW-Motor zog auch ein Hewland-Getriebe in den MTX 2-01 ein. Der Eiserne Vorhang war also durchlässiger als gedacht. Ab 1977 durfte der – inzwischen in seine fünfte Saison gehende – Rennwagen auch im Westen antreten.
Miran Velkoborský trat mit dem MTX 2-01 BMW bei den Interserie-Läufen in Kassel-Calden, Wunstorf, am Nürburgring und in Hockenheim an. Wobei Velkoborský in Hockenheim die Qualifikation verpasste. Nach Problemen mit der Benzinpumpe ließen die Verantwortlichen Velkoborský nicht starten. Womit die Ausflüge des MTX 2-01 in den Westen endeten. Denn bis 1980 trat der Rennwagen nur noch im Ostblock an. Anschließend verlieren sich die Spuren des MTX 2-01.
Was ist ein MTX 2-01 heute wert?
Die Quellen, die sich mit dem MTX 2-01 beschäftigen, gehen davon aus, dass Metalex insgesamt drei Exemplare des Sportswagens baute. Eines der Fahrzeuge fand 2020 bei einer Auktion einen neuen Besitzer. Der Zuschlagspreis lag bei £18.870. Selbst wenn dies, die Auktionsunterlagen sind da nicht eindeutig, ein Preis ohne Motor war, wäre das günstig. Zeitgenössische Sportwagen aus dem Westen, wie es der Lola T210 ist, sind in der Regel – trotz deutlich höherer Stückzahlen – teurer.
Wer im Internet nach Fotos des MTX 2-01 sucht, der findet übrigens unterschiedliche Karosserievarianten. Miran Velkoborský trat – zumindest am Nürburgring 1977 – noch mit der klassischen Karosserie an. Andere Bilder zeigen den MTX 2-01 auch mit einer moderner wirkenden Front und teilweise einer deutlich geänderten Cockpiteinkleidung. Sie stammt wohl vom 1977 eingeführten Nachfolger MTX 2-03. Gut möglich, dass dessen Karosserieteile teilweise auch schon beim Vorgänger zum Einsatz kamen.
Metalex stellte den Bau von Rennsportwagen nach zwei Versuchen ein!
Auch mit dem zweiten Sportwagen von Metalex nahm Miran Velkoborský später bei einigen Rennen der Interserie im Westen teil. Doch für Metalex verloren die Rennsportwagen in den 1980er-Jahren an Bedeutung. Denn die Firma konzentrierte sich zunehmend auf den Aufbau von Rallye-Fahrzeugen. Auf Grundlage der Škoda-Typen 120 und 130 sowie des WAS-2105 entstanden von 1974 bis 1985 mehr als 300 Rallye-Fahrzeuge, die Kunden im ganzen Ostblock fanden.
Technische Daten des MTX 2-01:
- 3680 mm Fahrzeuglänge
- 2350 mm Radstand
- 1820 mm Fahrzeugbreite
- 995 mm Fahrzeughöhe
- 585 kg Leergewicht