130 Jahre Škoda und ein Comeback in Le Mans: Der Škoda Sport ist zurück!
Der Škoda Sport, der erste und bisher einzige tschechische Le-Mans-Renner, kehrte 75 Jahre nach seinem Debüt an der Sarthe am vergangenen Wochenende auf die große Bühne im Herzen Frankreichs zurück – und erzählte dabei mehr als nur Motorsportgeschichte.
Mein Opa fuhr mehr als 70 Jahre nur Mercedes – aus Überzeugung, aus Prinzip und weil er es konnte. Andere Automarken kamen bei ihm meist nicht gut weg. Es gab nur wenige Ausnahmen. So hatte Opa für Škoda immer warme Worte. Und das, obwohl sonst schon „Pan Tau“ oder „böhmisches Glas“ für den strengen Antikommunisten Reizworte aus einer Welt hinter dem Eisernen Vorhang waren. Für die Zuneigung zu Škoda gab es zwei Gründe: den Škoda Superb aus den 1930ern, dem Opa einst als junger Kfz-Lehrling in Bad Bramstedt begegnete, und das tapfere Le-Mans-Projekt von 1950.
Denn Opa war selbst Motorsportler, fuhr vor dem Krieg Motorradrennen, war während des Kriegs zeitweise Motorradartist in der Truppenunterhaltung und fuhr nach diesem Sportwagenrennen. Später besuchten wir als Zuschauer gemeinsam Langstreckenrennen in Le Mans und am Nürburgring. Insofern weckte die Pressemitteilung von Škoda, die von der Rückkehr des Škoda Sport nach Le Mans berichtete, natürlich sofort mein Interesse. Während der Le Mans Classic ging der originale Rennwagen von 1950 am vergangenen Wochenende wieder in Le Mans auf die Strecke.
24. Juni 1950: Der Moment, der Škoda unsterblich machte
Exakt 75 Jahre nach seinem ersten Auftritt kehrte der Škoda Sport an die Sarthe zurück. Für Škoda war diese Rückkehr ein Teil der Feierlichkeiten, die den 130. Geburtstag der Marke in diesem Jahr begleiten. Als der Škoda ins französische 24-Stunden-Rennen ging, begann dieses noch mit dem traditionellen Le-Mans-Start. Die Rennwagen standen auf einer Seite der Strecke, die Piloten nahmen am gegenüberliegenden Streckenrand Aufstellung. Auf das Kommando des Rennleiters sprinteten sie um Punkt 16:00 Uhr über die Strecke und sprangen in ihre Wagen, um loszufahren.
Im Fall des Teams von Škoda war es Werksfahrer Václav Bobek vorbehalten, in den offenen Zweisitzer mit der Startnummer 44 zu hechten. Der Škoda Sport basierte auf dem 1101-„Tudor“-Serienmodell. Er war der erste (und bislang letzte) rein tschechische Rennwagen in Le Mans, den dazu noch eine vollständig tschechische Besatzung steuerte. Im Rennen hielt der Škoda Sport lange mit den Führenden seiner Klasse mit. Denn der handgefertigte Sportwagen mit Aluminiumkarosserie fuhr sich in der Nacht in der Klasse bis 1.100 cm³ auf Rang zwei vor und lag sogar auf Platz fünf im Leistungsindex.
In Kalten Krieg war ein Škoda in Frankreich eine Überraschung!
Doch ein defekter Sicherungsring eines Kolbenbolzens beendete das Abenteuer nach 13 Stunden. Bis zum Ausfall war der Škoda mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 126 km/h unterwegs. Das beeindruckte viele der Beobachter, die der Auftritt von Škoda sowieso überraschte. Schließlich war 1950 der Kalte Krieg und die dahinterstehende bipolare Welt längst Realität. Denn die weltumspannende Allianz, die Hitler und seine Verbündeten besiegte, zerbrach noch im Friedensjahr 1945. Denn die UdSSR unter Josef Stalin wollte sich den Norden des Irans einverleiben.
Den sowjetischen Diktator lockten die Ölquellen des zentralasiatischen Königreichs. Die USA unter Präsident Harry S. Truman intervenierten scharf, drohten 1946 der UdSSR sogar mit dem Einsatz von Atombomben. Und zeitgleich, während in Le Mans 60 Autos um den Sieg kämpften, begann in Korea der erste Stellvertreterkrieg zwischen den Blöcken. Insofern war der Start eines Teams aus der damaligen ČSSR, einem Vasallenstaat der UdSSR, alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Klein, leicht, clever – ein Ingenieurskunstwerk
Der Rennwagen aus Mladá Boleslav war ein Kuriosum in der Startaufstellung des härtesten Langstreckenrennens der Welt. Škoda ging beim Aufbau des Wagens klug vor. Denn die Basis stammte vom 1101-„Tudor“-Serienmodell – viele Komponenten waren Standardteile. Der auf 2.150 mm verlängerte Radstand, zusätzliche Scheinwerfer für die Nacht und gezielte Kühlluftführungen zu den Trommelbremsen verhalfen dem Rennwagen zur notwendigen Wettbewerbsfähigkeit.
Der Verbrauch von nur 12 Litern auf 100 km war für damalige Verhältnisse extrem niedrig und sparte wertvolle Boxenstopps. Dabei spielte wohl auch das Gewicht von gerade einmal 700 Kilogramm – inklusive Werkzeug und Ersatzteilen – eine Rolle. Den Antrieb des Wagens übernahm ein wassergekühlter Vierzylinder mit 1.089 cm³ Hubraum und 50 PS Leistung bei 5.200 U/min. Die Elektrik kam von PAL, der Kraftstoff war eine Mischung aus Benzin, Ethanol und Aceton.
Das entsprang alles dem Willen zum Erfolg!
Doch nach dem Ausfall verschwand der Rennwagen in der Versenkung. Erst Jahre später wurde einer der zwei gebauten Škoda Sport wiederentdeckt. Sechs Jahre dauerte die behutsame Restaurierung, bei der möglichst viele originale Bauteile erhalten blieben. Seit 2022 ist der Le-Mans-Veteran wieder regelmäßig auf Rennstrecken unterwegs. Dabei trägt er immer noch einige Spuren jahrzehntealter Duelle auf seiner hübschen Aluminiumhaut.
Beim diesjährigen Comeback – 75 Jahre nach dem historischen Start – gehörte der Wagen erneut zu den Publikumslieblingen. Mit der Startnummer 44 und derselben Eleganz wie damals belegte der Škoda Sport einen respektablen 36. Platz im Leistungsindex. Doch unabhängig davon ist der Škoda Sport mehr als ein Rennwagen. Er ist ein Denkmal für Pioniergeist, für Technik unter schwierigsten Bedingungen – und für die Fähigkeit, Brücken zu bauen, selbst in Zeiten des Kalten Krieges.
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