von Fabian P. Wiedl und Tom Schwede am 28.06.2025

Fred Stalder und R.O.C. – Leidenschaft und Präzision für den Motorsport

In den 1980er- oder 1990er-Jahren Motorsport kamen Motorsport-Interessierte an R.O.C. kaum vorbei. Ob in den Dünen Afrikas, auf Bergrennstrecken, in Le Mans oder im Getümmel der Supertourenwagen – der Name stand für französische Präzision und leidenschaftlichen Einsatz.

Frank Biela, 1993

Frank Biela gewann 1993 für R.O.C. überlegen das „Championnat de France de Supertourisme“. Der Deutsche fuhr einen von Audi 80 Quattro von R.O.C. (Foto: Audi)

Für Fred Stalder (1942-2024) begann der Motorsport als Hobby – mit ersten Einsätzen bei Rallyes. 1970 stieg der an der Grenze zur Schweiz aufgewachsene Franzose in die Formel Renault ein. Dort traf Stalder auf Fahrer wie Alain Cudini und Jacques Laffite. Zwei Jahre später folgten einige Rennen in der Formel 2 und am Berg, wofür sich Stalder einen neuen Pygmée MDB17 kaufte. Doch die gewünschten Erfolge stellten sich hier nicht ein.

Von der Werkstatt zum eigenen Team: Die Geburt von R.O.C.

So wechselte der Rennfahrer 1973 auf die Langstrecke, fuhr gemeinsam mit Jacques Henry in der European 2-Litre Sportscar Championship. Zunächst liefen die Einsätze unter der Bewerbung der Werkstatt von „Old Jack“ Henry. Doch bald trat Fred Stalder selbst als Bewerber auf. 1974 entstand dafür die „Societe R.O.C. – Racing Organisation Course“, die die Rennsport-Aktivitäten vom Brot- und Butter-Geschäft Stalders, der Teile für die Uhrenindustrie herstellte, trennte.

Chevron B36 in Le Mans

Le Mans 1979: Eine der sechs Chevron B36, die 1979 mit dem Simca-ROC 2.0L S4 antraten wird nach dem Rennen abgeschleppt. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Herzstück des Teams war ein gemeinsam mit dem Schweizer Hans Funda entwickelter Zweiliter-Vierzylinder auf Basis eines Simca-Motors: knapp 300 PS bei nur 130 Kilogramm Gewicht – kaum schwerer als ein Motorroller. Der ROC-Chrysler war besonders in Frankreich bis in die 1980er-Jahre bei französischen Langstrecken-Teams ein beliebtes Triebwerk und für R.O.C. damit ein Geschäftsmodell. Stalder fuhr bis 1978 selbst Rennen, konzentrierte sich dann ganz auf die Rolle als Teamchef.

Audi und VW statt Simca: Neue Wege nach dem Chrysler-Rückzug

Nach dem Verkauf von Chrysler Europa an Peugeot 1978 verlor der ROC-Motor seine Grundlage. Denn Peugeot hatte kein Interesse an dem Einsatz des „alten“ Motors. R.O.C. und Fred Stalder blieben dem Motorsport treu. Schon 1981 wurde Marc Sourd mit R.O.C. französischer Bergmeister. Und 1983 fuhr Sourd für R.O.C. mit einem Ralt RT3-Volkswagen zu einigen Laufsiegen und Platz drei in der französischen Formel 3-Meisterschaft.

Aus der Wüste auf das Eis

Aus der Wüste auf das Eis: Kurz nach dem Einsatz bei der Rallye Paris–Dakar trat R.O.C. mit seinen Audi Quattro bei den „24h sur Glace de Chamonix” an. Im Cockpit saß dabei auch Henri Pescarolo. (Foto: Eddi Laumanns)

1985 trat R.O.C. bei der Rallye Paris–Dakar an. Drei Audi Quattro A2 bereitete das Team in seiner Werkstatt in Annemasse mit großem Aufwand vor: 340-Liter-Tanks, verstärkte Aufhängungen, zusätzlicher Kühleinlass. Das Dakar-Projekt hatte zwar keine finanzielle Unterstützung vom Audi-Werk, doch es hatte Rückendeckung von VAG Frankreich. Bernard Darniche, Xavier Lapeyre und Hubert Rigal fuhren zwei der drei Fahrzeuge ins Ziel – ein Achtungserfolg.

Supertourisme und STW waren für R.O.C. die große Bühne

Parallel zur Formel 3 trat R.O.C. regelmäßig im Championnat de France de Supertourisme an – 1982 mit dem Audi 80, ab 1983 mit dem Audi Coupé GT5E. Der große Durchbruch kam 1986: Xavier Lapeyre holte mit dem Audi 200 Quattro den Supertourisme-Meistertitel. 1988 stieg das Team auf den Audi 80 Quattro Turbo um. Marc Sourd gewann im Debütjahr bereits ein Rennen. Doch bis zum erneuten Meistertitel von Lapeyre (knapp vor Sourd) vergingen noch drei Jahre.

1992 drehte Sourd den Spieß um, gewann den Titel vor Lapeyre. Als Audi 1993 nach dem DTM-Ausstieg Werksfahrer Frank Biela nach Frankreich zu R.O.C. entsandte, dominierte dieser die neue „Klasse 2“ auf Anhieb – und holte sofort den Titel. 1994 und 1995 fuhr das Team im deutschen Super-Tourenwagen-Cup (STW) ebenfalls an der Spitze mit. Doch der größte Triumph folgte 1996: Emanuele Pirro gewann mit dem Audi A4 Quattro die STW – mit neun Siegen und 15 Podestplätzen in 18 Rennen.

Le Mans: Der letzte Akt

Nach Audis Rückzug aus dem Tourenwagensport orientierte sich R.O.C. wie der Hersteller neu – in Richtung Le Mans. Das Team kaufte zwei Reynard 2KQ und rüstete sie mit selbstvorbereiteten aufgeladenen VW-Vierzylindern aus. Das Debüt 2000 endete noch mit Motorschäden. Doch 2001 erreichten Jordi Gené, Jean-Denis Delétraz und Pascal Fabre mit dem ROC-2KQ Platz fünf im Gesamtklassement und gewannen die LMP675-Klasse. Ein Jahr später trat das Team letztmals in Le Mans an, schied jedoch aus.

Reynard 2KQ von R.O.C.

2002 trat R.O.C. das letzte Mal unter dem eigenen Namen in Le Mans an. Der Reynard 2KQ VW (vorne) fiel jedoch vorzeitig aus. (Foto: Martin Lee)

Das Le-Mans-Projekt war übrigens eine Rückkehr. Denn schon 1991 trat R.O.C. in Le Mans an. Doch der mit viel Aufwand gebaute ROC 002 Cosworth hielt in Le Mans nur sechs Stunden durch. Zudem litt der von Automobiles Louis Descartes (ALD) eingesetzte Gruppe C trotz eines modernen und teuren Kohlefaser-Monocoques unter deutlichem Übergewicht. Der ROC 002 war daher nicht konkurrenzfähig und kehrte nach dem Rennen in Le Mans nur noch einmal auf die Rennstrecke zurück.

Motorräder mit dem Namen ROC – aber etwas anderer Herkunft

Eine Fußnote blieb, dass der Name ROC in den 1990er-Jahren auch in der Motorrad-Weltmeisterschaft auftauchte. Denn von 1992 bis 1997 setzten mehrere Teams ROC-Yamahas ein. Auch das Yamaha-Werksteam griff zeitweise auf die französischen Chassis zurück. Diese Motorräder stammten von dem Konstrukteur Serge Rosset – einem engen Freund und Geschäftspartner Stalders. Die Namensnutzung sollte dem Projekt Seriosität verleihen.

2007 unterstützte R.O.C. das „Swiss Spirit” getaufte Projekt, einen Lola B07/10 mit dem 3,6 Liter Turbo V8 aus dem Audi R8 einzusetzen. Doch das ursprünglich auf drei Jahre ausgelegte Projekt trat nur einmal in Le Mans an. Fred Stalder zog sich anschließend weitgehend aus dem Motorsport zurück, verwaltete bis zu seinem Tod im März 2024 die Immobilien und Firmen der Familie. Es war ein stiller Abgang nach über 30 Jahren Motorsportgeschichte. Trotzdem war R.O.C. mehr als nur ein Team: Es war Ausdruck von Präzision, Leidenschaft und französischem Sportsgeist.


Meisterschaftsgewinne und Erfolge:

  • 1981: Marc Sourd im Martini MK31-ROC (Formel 2) – Championnat de France de la montagne (Bergmeisterschaft)
  • 1986: Xavier Lapeyre im Audi 200 Quattro – Championnat de France de Supertourisme
  • 1991: Xavier Lapeyre im Audi 80 Quattro – Championnat de France de Supertourisme
  • 1992: Marc Sourd im Audi 80 Quattro – Championnat de France de Supertourisme
  • 1993: Frank Biela im Audi 80 Quattro – Championnat de France de Supertourisme
  • 1996: Emanuele Pirro im Audi A4 Quattro – ADAC Super-Tourenwagen-Cup
  • 2001: Jordi Gené, Jean-Denis Delétraz und Pascal Fabre im Reynard 2KQ, Klassensieg LMP675 in Le Mans

Weitere eingesetzte Fahrzeuge:

  • Lola T292
  • Chevron B36
  • Ralt RT3-VW
  • Audi Coupé GT5E
  • Audi Quattro

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