51,155 Millionen Euro! Fangios legendärer Silberpfeil versteigert
In Stuttgart versteigerte das Auktionshaus RM Sotheby's gestern einen Mercedes-Benz der Baureihe W 196 R. Mit dem Stromlinienwagen trat der Stuttgarter Autobauer 1954 in der Formel 1 an. Der Zuschlag erfolgte bei 46,5 Millionen Euro. Mit Steuern und Gebühren ergibt das einen Preis von 51,155 Millionen.
Mit diesem Preis ist der Rennwagen der bisher teuerste je verkaufte Grand-Prix-Rennwagen. Das überrascht Jüngere möglicherweise, denn heute sind in der Formel 1 vier freistehende Räder vorgeschrieben. Das war 1954, als der Mercedes-Benz W 196 R entstand, noch nicht in den Regeln der Königsklasse verankert. Deshalb trat das Werksteam der Stuttgarter je nach Strecke wahlweise mit dem Stromlinienwagen oder einem klassischen Monoposto an.
Das Debüt in Reims und die Schwäche des Konzepts
Bereits beim Debüt, als die Mercedes am 4. Juli 1954 in Reims Sportgeschichte schrieben, fuhren die Rennwagen „verkleidet“ zum Doppelsieg. Doch schon beim nächsten Einsatz in Silverstone zeigte sich die Schwäche des Konzepts. Denn auf dem ehemaligen Flugplatz bestand die Streckenbegrenzung in den Kurven damals aus Fässern. Die Mercedes-Piloten konnten wegen der schlechten Übersichtlichkeit die Kurven nicht optimal durchfahren.
Deshalb entstand bis zum dritten Einsatz – nur zwei Wochen später auf dem Nürburgring – die Variante mit freistehenden Rädern. Sie war mindestens 50 Kilogramm leichter als die Ursprungsversion. Fortan entschied der Streckenverlauf, welchen Typ des W 196 die Fahrer steuerten. Heute gilt als gesichert, dass vier der Rennwagen eine Vollverkleidung erhielten. Vom leichteren Monoposto baute das Werksteam damals drei Exemplare.
Fangios Triumph mit dem Mercedes-Benz der Baureihe W 196 R in Argentinien
Bei dem jetzt in Stuttgart – im Mercedes-Benz Museum – versteigerten Rennwagen handelt es sich um das Exemplar mit der Fahrgestellnummer 00009/54. Mit ihm trat Juan Manuel Fangio Anfang 1955 in seiner argentinischen Heimat an und gewann dort den Großen Preis von Argentinien. Ein Rennen, das als der heißeste Grand Prix der Geschichte gilt. In Buenos Aires war es 37 Grad warm, was den Asphalt auf mehr als 50 Grad aufheizte.
Umso beeindruckender, dass Juan Manuel Fangio das drei Stunden lange Rennen mit seinem Mercedes-Benz W 196 R im Alleingang bestritt. Denn die Ferrari auf den Plätzen zwei und drei wurden insgesamt von fünf Piloten gesteuert. Maurice Trintignant kam dabei in beiden Ferrari 625F1 zum Einsatz. Auch den zweiten Mercedes, der als Vierter das Ziel erreichte, teilten sich mit Hans Herrmann, Stirling Moss und Karl Kling drei Fahrer. Später saß auch Stirling Moss in dem jetzt versteigerten Rennwagen.
Von Mercedes über Indianapolis zur Auktion
Nach dem Rückzug von Mercedes-Benz aus der Automobil-Weltmeisterschaft blieben die Rennwagen zunächst im Werksbesitz. Zehn Jahre später schenkte Mercedes das Fahrzeug dem Indianapolis Motor Speedway Museum. Das 1956 eröffnete Museum am legendären Brickyard von Indianapolis gehört inzwischen einer Stiftung. 1976 entstand das heutige Museumsgebäude. Es wird seit November 2023 umfangreich renoviert. Gut die Hälfte des dafür veranschlagten Geldes brachte jetzt der Verkauf des Mercedes-Rennwagens ein.
Für die Stiftung ist das ein Gewinn, denn der Mercedes-Benz W 196 R hat keinen Bezug zur Rennstrecke von Indianapolis. Insofern ist der Verlust des Rennwagens aus der eigenen Sammlung zu verschmerzen. Der Schwerpunkt des Museums, das auch die "Indianapolis Motor Speedway Hall of Fame" beheimatet, liegt beim Rennen, das vor der eigenen Tür stattfindet. Erworben hat den Rennwagen ein bisher unbekannter Sammler. Gut möglich, dass der W 196 R in Zukunft nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
So hat jede Geschichte zwei Seiten: Des einen Freud ist des anderen Leid – heißt es im Volksmund. Selten passte dieser Spruch besser zu einem historischen Rennwagen.