Wie die FISA der Langstrecke F1-Motoren verpasste!
Nach dem Turbo-Zeitalter der 1980er kehrte die Formel 1 ab 1989 zurück zu ihren Wurzeln – zumindest bei den Motoren und setzte auf 3,5 Liter große Sauger. Um mehr Hersteller von diesen Triebwerken zu überzeugen, sollten bald auch Sportwagen F1-Motoren nutzen. Die Idee ging auf, denn am Ende zog es mit Peugeot und Mercedes-Benz zwei Sportwagen-Hersteller in die Königsklasse.
Mit den Turbos explodierten in der Formel 1 die Kosten. Wo zuvor ein paar Cosworth DFV für die Saison reichten, benötigten die Teams nun mehrere Motoren pro Wochenende. Ab 1989 sollten neue Sauger mit maximal 3,5 Litern Hubraum und bis zu zwölf Zylindern die Kosten senken. Nur Ferrari und Larrousse-Motorenpartner Lamborghini setzten tatsächlich auf zwölf Zylinder. McLaren-Partner Honda vertraute auf einen Zehnzylinder.
Nur die Spitzenteams hatten moderne Motoren!
Auch Wiedereinsteiger Renault stellte Williams einen V10 bereit. Ford lieferte Benetton exklusiv den neuen Cosworth HB – ein V8 wie der legendäre Cosworth DFV. Zakspeed erhielt einen V8 von Yamaha. Die übrigen Teams griffen auf Kundenmotoren von Cosworth (DFZ und DFR) oder Judd zurück. Zu ihnen zählte auch Lotus, im Vorjahr noch mit Turbos von Honda unterwegs. Es war der Anfang vom Ende des ehemaligen Erfolgsteams.
Mit 39 Autos wirkte die Szene stabil. Doch nur knapp ein Drittel davon verfügte über ein modernes Triebwerk. Über das ganze Jahr konkurrenzfähig waren davon nur die Autos, die über Triebwerke von Honda, Renault und Ferrari verfügten. Der Ford HB bei Benetton war erst am Ende des Jahres voll auf der Höhe der Wettbewerber. Bester Judd-Pilot war Nelson Piquet im Lotus, der fünfmal in die Punkte fuhr.
1990 blamierten sich zwei weitere Neueinsteiger!
Den Verantwortlichen der FISA (Fédération Internationale du Sport Automobile) war klar, dass die Szene neue Motoren benötigte. Denn wer keinen konkurrenzfähigen Antrieb hatte, ging der Szene auf Dauer verloren. Doch schon die Neueinsteiger Lamborghini und Yamaha taten sich schwer – trotz Unterstützung ihrer Werke im Rücken. Wobei zumindest der von Lamborghini Engineering entwickelte V12 aus Modena im Laufe der Zeit besser wurde. Auch wenn sich McLaren später gegen den Motor entschied.
Ein „Life“ genannter W12 erwies sich als totaler Reinfall. Auch das 180°-Konzept des V12 von Motori Moderni passte nicht in die Zeit. Denn es ließ den Designern nicht genug Raum, um den Unterboden in die Aerodynamik des Rennwagens einzubinden. Motori-Moderni-Chef Carlo Chiti hätte dies klar sein sollen. Denn sein langes Festhalten am flachen V12 störte schon zehn Jahre zuvor Brabham, als Chiti mit Alfa Romeo das britische Team belieferte.
Ecclestones Ausweg „ProCar“ kam nicht ins Rennen
Offenbar sah F1-Promoter Bernie Ecclestone diese Motor-Probleme voraus. Deshalb entstand die Idee, mit einer „ProCar“ genannten Silhouetten-Formel das Rahmenprogramm der Formel 1 aufzupeppen. In dieser Meisterschaft sollten optisch an die Serie angelehnte Fahrzeuge rennen. Unter ihrem Kunststoffkleid sollte jedoch reine Renntechnik mit F1-Motoren sitzen. Ecclestones Firma MRD baute mit dem Alfa Romeo 164 ProCar einen Prototypen.
Bei ihm kam ein 3,5 Liter großer V10-Saugmotor von Alfa Romeo zum Einsatz. Das Triebwerk mit einem Bankwinkel von 72° entstand eigentlich für die Königsklasse. Doch als Fiat das bisherige Staatsunternehmen Alfa Romeo erwarb, legte Alfa Romeo auf Anweisung aus Turin die F1-Pläne auf Eis. Denn Fiat besaß damals auch die Mehrheit an Ferrari. Fiat hatte kein Interesse, beide Töchter in der Königsklasse gegeneinander fahren zu lassen.
Die FISA störte die Rolle des ACO!
Hinter der Idee „ProCar“ stand auch, dass Ecclestone den Erfolg der Sportwagen missfiel. Denn die zunehmende Beliebtheit der Langstreckenrennen war perspektivisch eine Gefahr für die Formel 1. Jede Erweiterung des eigenen Angebots, wie sie die von Ecclestone kontrollierte FOCA schon 1985 mit der Formel 3000 betrieb, sicherte immer auch den Erfolg der Königsklasse ab.
Gleichzeitig war der wachsende Erfolg der Sportwagen auch ein Problem für die FISA. Denn sie war auf der Langstrecke allenfalls geduldet. Alle wichtigen Entscheidungen traf Le-Mans-Veranstalter ACO. Insofern hatte es einen gewissen Beigeschmack, als die FISA im Oktober 1988 plötzlich ihre Sportwagen-Weltmeisterschaft reformierte.
Die Ankündigung löste massive Proteste aus!
Auch in der Gruppe C sollten nur noch Fahrzeuge mit Saugmotoren bis 3,5 Liter Hubraum zum Einsatz kommen. FISA-Präsident Jean-Marie Balestre und F1-Chef Bernie Ecclestone argumentierten, dass ein Hersteller so mit einem Motor zwei WM-Serien fahren könne. Ganz neu war die Idee nicht. Denn bereits 1966, als die Formel 1 die 3,0 Liter-Triebwerke einführte, fehlten Motoren. Also schrieben die Regelhüter den Sportwagen bald ebenfalls drei Liter große Motoren vor.
Um den Wechsel einzuleiten, reduzierte die FISA in der Sportwagen-Weltmeisterschaft die bisher gefahrenen Distanzen. Dort war zuvor eine Renndistanz von 1.000 Kilometern oder sechs Stunden Fahrzeit der Standard. Ab 1989 führten die Rennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft nur noch über eine Distanz von 480 Kilometern oder eine Fahrzeit von bis zu drei Stunden. Die 24 Stunden von Le Mans, traditionell der Saisonhöhepunkt der Sportwagen-Szene, verloren ihren WM-Status. Das war ein offener Angriff auf den ACO.
Die neuen Regeln waren ein Affront gegen Porsche
Zudem war es damals unvorstellbar, mit einem Formel-1-Motor 24 Stunden zu rennen. Die Ankündigung der FISA löste massive Proteste der Sportwagen-Teams aus. Besonders empört waren die Porsche-Kunden. Denn der Turbo-Sechszylinder des Porsche 962C wäre ab 1990 nicht mehr regelkonform gewesen. Und dem Sportwagenbauer aus Stuttgart fehlte gerade das Geld, um ein neues Fahrzeug und einen neuen Motor zu entwickeln.
Am Ende kam es zum Kompromiss:
- 1989 blieben die alten Gruppe-C-Autos (mit größeren oder aufgeladenen Motoren und ihren Verbrauchsregeln) weiter zugelassen. Nur Spice brachte auf Basis der neuen Regeln einen Gruppe C1 mit Ford Cosworth DFZ an den Start.
- 1990 blieb es bei der Koexistenz. Allerdings sollten die neuen 3,5-Liter-Autos bevorzugt behandelt werden.
- 1991 wurde die neue 3,5-Liter-Formel auch bei den Sportwagen zum Standard.
Um den neuen Motoren den Start zu erleichtern, reduzierte die FISA die Distanz der Sportwagenrennen 1991 um weitere 50 Kilometer. Gleichzeitig bekamen die 24 Stunden von Le Mans ihr WM-Prädikat zurück. Das klingt wie ein Widerspruch – und war es auch. Denn die Topteams der Sportwagen-Szene verzichteten in Le Mans auf den Einsatz ihrer neuen Sauger und fuhren mit den „alten Autos“. Es gewann Mazda mit einem Wankelmotor.
1991 ging Peugeot mit einem 3,5-Liter-Sauger auf die Langstrecke!
Die neuen Regeln lockten mit Peugeot einen neuen Wettbewerber in den Sportwagensport. Im Sommer 1990 stellte der französische Autobauer mit dem Peugeot 905 seinen ersten Sportwagen vor, der in der Gruppe C um Gesamtsiege kämpfen sollte. Den Antrieb übernahm ein 3,5 Liter großer Saugmotor mit zehn Zylindern. In dem „Peugeot SA35-A1“ genannten Aggregat standen die Zylinder in einem Winkel von 80° zueinander.
Unter der Leitung von Dr. Hermann Hiereth entstand für den C291 bei Mercedes-Benz ein passender 180°-Zwölfzylinder mit Mittelantrieb. Das sollte Torsionsschwingungen reduzieren. Zudem ermöglichte dies, das Sechsganggetriebe etwas nach oben zu verschieben, um mehr Platz für die Venturitunnel des Unterbodens zu schaffen. Doch am Ende war das keine Erfolgsgeschichte. Mercedes-Benz gewann nur ein Rennen.
Die FISA wollte die Sportwagen-WM einstellen!
Ford-Tochter Jaguar vertraute auf den Ford Cosworth HB aus der Formel 1 und holte 1991 die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Anschließend zogen sich Jaguar und Mercedes-Benz vom Sportwagensport zurück. Dazu kam, dass die Porsche-Teams immer weniger Lust hatten, das Feld aufzufüllen. Max Mosley, inzwischen Präsident der FISA, kündigte am 11. November 1991 an, keine Sportwagen-Weltmeisterschaft mehr auszuschreiben.
Besonders Peugeot protestierte laut. Denn die Franzosen hatten viel Geld in ihren Peugeot 905 investiert. Mazda erwarb bei Tom Walkinshaw Racing die Jaguar-Chassis. Als Mazda MXR-01 feierten sie mit einem V10 von John Judd ein Comeback. Dazu kehrte Toyota in den Sportwagensport zurück. Euro Racing brachte zwei Lola T92/10 an den Start. Außerdem kündigte John Mangoletsi das Comeback der Marke BRM an.
Es kam zum Rücktritt vom Rücktritt!
Bereits am 5. Dezember 1991 revidierte die FISA ihre Entscheidung. Sie schrieb doch noch einmal eine WM aus. Der Toyota TS010 gewann den Auftakt. Anschließend dominierte Peugeot die Saison und gewann die verbleibenden fünf Saisonläufe – eigentlich waren zehn geplant. Doch das dünne Feld schreckte einige Veranstalter ab. Da keine Besserung absehbar war, stellte die FISA die 1953 gegründete Sportwagen-WM ein.
Die Toyota TS010 und Peugeot 905 traten auch 1993 nochmals in Le Mans an. Anschließend definierte der ACO für sein Rennen eigene Regeln, die Porsche 1994 geschickt interpretierte. Damit endete das Kapitel der Formel-1-Triebwerke auf der Langstrecke. Zudem stand die Formel 1 wieder uneingeschränkt an der Spitze des Motorsports. Denn nach dem Ende der Sportwagen-Weltmeisterschaft gab es keine Serie mehr, die drohte, die Formel 1 in den Schatten zu stellen.
Von der Langstrecke in die Königsklasse
Gut möglich, dass das der Plan der FISA war. Aber unabhängig davon ging auch der Wunsch auf, über die Sportwagen Hersteller an die Formel 1 heranzuführen. Denn 1994 spannte Peugeot mit McLaren zusammen. Dazu bekannte sich auch Mercedes zur Königsklasse. Doch während Peugeot auf seinen weiterentwickelten V10 aus der Gruppe C vertraute, setzte Mercedes-Benz auf neue von Mario Illien entwickelte V10-Triebwerke.
Diese feierten bereits 1991 als Ilmor bei Leyton House (March) ihr Debüt in der Königsklasse. 1992 setzte auch Tyrrell auf Ilmor. Diese Partnerschaft endete jedoch nach nur einer Saison. Denn als 1993 Sauber in die Formel 1 einstieg, erhielten auch die Schweizer die Ilmor-Triebwerke. Den Einstieg des ehemaligen Sportwagen-Partners unterstützte Daimler-Benz als Sponsor. Auf den Sauber stand: „Concept by Mercedes-Benz“.
Auch Mercedes-Benz kam in die Formel 1, Toyota nicht!
1994 erwarb Daimler-Benz zunächst 25 Prozent an Ilmor und übernahm auch die Namensrechte an den Formel 1-Motoren von Ilmor. Weshalb der Partner aus der Schweiz in seiner zweiten Saison – wie zuvor in der Gruppe C – als Sauber Mercedes antrat. Nur Toyota stieg (noch) nicht in die Königsklasse ein. Denn der japanische Autobauer schickte seinen 3,5 Liter großen V10 aus dem Toyota TS010 lieber in Rente als in die Formel 1 einzusteigen.
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