Cadillac Allanté und die längste Fertigungslinie der Welt!

von Nikolaus Karl am 24.03.2025

General Motors hatte die Krise der 1970er hinter sich gelassen – und bekam wieder Lust, sich mit den europäischen Luxusmarken zu messen. Doch wie beweist man Stil und technologische Überlegenheit? Mit einem Cabrio, das zwischen zwei Kontinenten pendelt! Gemeinsam mit Pininfarina entstand ab 1986/87 der Cadillac Allanté.

Pressefoto des Cadillac Allanté
Dieses Pressefoto des Cadillac Allanté verteilte Pininfarina 1990 auf dem Genfer Autosalon (Foto: Industrie Pininfarina).

Die Ölkrise traf die US-Autoindustrie hart. Sie benötigte fast ein Jahrzehnt, um zu alter Stärke zurückzukehren. Doch besonders in der Luxusklasse blieben die Importeure weiterhin stark. Daimler-Benz und Jaguar verdienten mit ihren offenen Sportwagen viel Geld. Das lag auch daran, dass die amerikanischen Hersteller offene Fahrzeuge aus Angst vor Schadenersatzforderungen mieden. Hier wirkte das Buch „Unsafe at Any Speed“ von Ralph Nader nach.

Die Rückkehr der offenen Autos!

Dieses Buch löste 1965 eine Debatte über die Sicherheit von Autos aus – und veränderte die Automobilindustrie nachhaltig. In den USA wurden Cabrios zum Auslaufmodell. 1976 stellte General Motors (GM) mit dem Cadillac Eldorado Convertible das vorerst letzte amerikanische Cabriolet ein. Erst sechs Jahre nach dem letzten offenen Cadillac traute sich Chrysler wieder an ein neues Cabrio. Auf Basis seiner kompakten K-Plattform entstand mit dem Chrysler LeBaron Convertible das erste neue amerikanische Cabrio.

GM traute sich nur vorsichtig an neue Cabrios heran. Der Buick Riviera Convertible (1983) und das Cadillac Eldorado Convertible (1984) waren keine Eigenentwicklungen – ASC (American Sunroof Corporation) übernahm den Umbau. 1987 kamen der Chevrolet Camaro und der Pontiac Firebird dazu. Das war ein gutes Geschäft für Heinz Prechter, den deutschen Gründer der American Sunroof Corporation. Doch inzwischen war auch bei GM die Zeit reif für ein echtes Cabrio.

Pininfarina, der Cadillac Allanté und die „Allanté Air Bridge“!

In Zusammenarbeit mit dem Designstudio Pininfarina entstand der Cadillac Allanté. Er gilt bis heute als eines der exklusivsten Modelle der Marke Cadillac. Denn er verbindet auf einzigartige Weise amerikanische Ingenieurskunst mit italienischem Design. Teil des Deals mit Pininfarina war, dass der Karosseriebauer die Rohkarosserien des Roadsters in Italien fertigte. Anschließend wurden sie an Bord speziell modifizierter Boeing 747-Jumbos zur Endmontage ins Cadillac-Werk Hamtramck bei Detroit transportiert.

Modelljahr Besonderheiten des Modelljahrs
1987 – Debütjahr 4,1-Liter-V8 (HT4100) mit 170 PS und 3-Gang-Automatik – Vollständig digitales Cockpit und hochwertige Lederausstattung serienmäßig – Elektrisch verstellbare Sitze und ein Bose-Soundsystem als Standard
1988 Leistungssteigerung des 4,1-Liter-V8 auf 180 PS – Verbesserte Dichtungen für das Softtop zur Reduzierung von Windgeräuschen – Optimierte Federung für ein besseres Fahrverhalten
1989 Einführung des 4,5-Liter-V8 mit 203 PS und verbesserter Kraftstoffeinspritzung – Neues, optionales adaptives Fahrwerk „Speed-Sensitive Suspension“ (SD²C) – Überarbeitete Sitze für besseren Komfort
1990 Einführung eines neuen, überarbeiteten Armaturenbretts mit analog-digitalen Instrumenten – Verbesserte Klimaanlage mit besserer Luftverteilung – Überarbeitung des Fahrwerks für mehr Fahrkomfort
1991 Neue Getriebeübersetzungen für eine sanftere Kraftentfaltung – Einführung eines überarbeiteten ABS-Systems für bessere Bremsleistung – Verbesserte Dämmung zur Geräuschreduzierung im Innenraum
1992 Letzte größere Überarbeitung vor der Einstellung des Modells – Einführung des 4,6-Liter-Northstar-V8 mit 295 PS und einer modernen 4-Gang-Automatik – Umfassende Überarbeitung des Fahrwerks für bessere Dynamik – Neu gestaltetes Interieur mit hochwertigeren Materialien – Außendesign mit überarbeiteten Stoßfängern und neuen Leichtmetallfelgen
1993 – Finaljahr Optimierung des Fahrwerks für ein noch sportlicheres Fahrverhalten – Verbesserte Motorsteuerung zur Optimierung der Leistungsentfaltung

Die Fans tauften die Jumbos liebevoll „Allanté Air Bridge“ – eine Luftbrücke für Autos. Denn die Karosserien reisten einmal um den halben Globus, bevor sie in Detroit fertiggestellt wurden. Ein aufwendiger Luxus, der sich im Preis niederschlug. Ein bereits luxuriöser Buick Riviera kostete „nur“ 26.000 Dollar. Die Chevrolet Corvette mit 33.000 Dollar etwas teurer. Doch für den Cadillac Allanté verlangten die GM-Händler in den USA beim Debüt 1987 stolze 54.000 Dollar.

Teuer? Klar. Aber alles eine Frage der Perspektive!

Ein stolzer Preis – aber alles eine Frage der Perspektive. Denn GM zielte mit dem Allanté auf Käufer europäischer Luxusmodelle wie den Mercedes-Benz SL oder den Jaguar XJ-S. Wer sich einen Mercedes 500 SL fahren wollte, musste mit $60.000 noch tiefer in die Tasche greifen. Und auch ein Jaguar XJ-S war mit $50.000 nicht unbedingt ein Schnäppchen. GM forderte die Europäer mit einem im Vergleich zu seinen Wettbewerbern deutlich moderneren Auto heraus.

Der Mercedes SL der Baureihe R107 debütierte bereits 1971, der Jaguar XJ-S vier Jahre später. Auch wenn sowohl Daimler-Benz als auch Jaguar ihre Roadster über die Jahre kontinuierlich pflegten, war der Cadillac Allanté 15 Jahre jünger – praktisch zwei Autogenerationen. Das zeigte sich an vielen Details. So gab es im Cadillac ab 1989 ein elektronisch gesteuertes Fahrwerk, das als „Speed-Sensitive Suspension“ (SD²C) bekannt war.

Der Cadillac verschob viele Maßstäbe!

Natürlich könnte man sagen: Wer kein Fahrwerk bauen kann, braucht Spielereien wie ein adaptives Dämpfersystem. Aber damals, 1989, war das eine echte Sensation! Heute sind solche Systeme Standard, doch damals stand die Computertechnik im Auto noch am Anfang. Unsere Heimcomputer rechneten in dieser digitalen Steinzeit meist noch mit 8 Bit. Auch wenn Apples Macintosh, Commodores Amiga und der Atari ST zu Hause gerade ein neues digitales Zeitalter mit 16 Bit einläuteten.

SD²C stammte von Delco Electronics. Es regulierte die Härte der Stoßdämpfer in vier Stufen, abhängig von der Geschwindigkeit und den Straßenbedingungen. Dazu wertete ein Mikroprozessor Sensordaten aus und stellte die Dämpferhärte automatisch ein: weichere Dämpfung bei niedriger Geschwindigkeit für mehr Komfort, härtere Dämpfung bei hoher Geschwindigkeit für bessere Fahrstabilität. Dies war in den späten 1980er-Jahren eine technische Innovation, aber auch anfällig für Defekte.

Ebenfalls fortschrittlich war das digitale Dashboard des Allanté.

Ein digitales Instrumenten-Display gab es bereits 1976 im Lagonda Series 2. GM bot digitale Instrumente nur zwei Jahre später im Cadillac Seville erstmals an. Auch das erstklassige Soundsystem, die hochwertige Lederausstattung und elektrisch verstellbare Sitze unterstrichen den Anspruch des Cadillac Allanté. Mit dem abnehmbaren Hardtop war der Roadster auch in weniger sonnigen Gegenden der USA gut gerüstet.

Modelljahr Gebaute Exemplare
1987 3.363
1988 2.569
1989 3.296
1990 3.101
1991 2.500
1992 1.931
1993 4.670
Summe 21.430

Den Antrieb übernahm Cadillacs HT4100. Dieser war 1982 der erste Aluminium-Motorblock von Cadillac. Er verfügte über gusseiserne Zylinderlaufbuchsen und eine elektronische Kraftstoffeinspritzung. Mit 4,1 Litern Hubraum leistete das Triebwerk im Allanté zunächst 170 PS. Ab dem Modelljahr 1988 bot Cadillac im Allanté auch eine 4,5 Liter große Variante des HT an. Damit standen bereits 203 PS zur Verfügung. Im Finaljahr 1993 spendierte GM dem Allanté den neuen Northstar-V8 mit 295 PS.

Nur 21.430 Allanté entstanden!

Die letzte Allanté-Karosserie verließ Anfang Juli 1993 das Pininfarina-Werk in Turin. 14 Tage später rollte sie als letzter Allanté in Hamtramck vom Band. Am 16. Juli 1993 stellte damit das längste Fertigungslinie der Autogeschichte seinen Betrieb ein. Bis dahin bauten Pininfarina und General Motors 21.430 Exemplare des Cadillac Allanté. Die Mehrzahl von ihnen blieb in den USA. Nach Deutschland exportierte General Motors offiziell nur eine Handvoll Exemplare.

Der Cadillac Allanté war bis heute der letzte Versuch von GM, mit einem exklusiven Roadster gegen die europäischen Luxusmarken anzutreten. Doch trotz technischer Innovationen und Pininfarina-Design konnte er sich nicht durchsetzen – heute genießt er jedoch unter Sammlern Kultstatus.


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