von Fredo Steckgaard am 12.07.2025

Der Stier für die Rennstrecke: Lamborghini Diablo GTR

In unserem Online-Archiv stieß ich neulich auf zwei etwas grobkörnige Aufnahmen, die zwei Lamborghini Diablo GTR auf der Rennstrecke zeigen. Der eine in Silber, der andere in Weiß mit blauen Akzenten und einem Aufkleber von „Mécaniques Modernes & Classiques“ auf der Tür. Ich war sofort elektrisiert.

Silberner Lamborghini Diablo GTR bei einem Classic-Meeting auf dem Circuit du Val de Vienne.

Silberner Lamborghini Diablo GTR bei einem Classic-Meeting auf dem Circuit du Val de Vienne. (Foto: Tom Schwede)

Also fragte ich unseren Lautsprecher, Oldtimer-Moderator Tom woher die Bilder stammen. Die Antwort kam prompt: „Ein Classic Meeting in Val de Vienne, Frankreich, irgendwann in den frühen 2000ern. Kein offizielles Rennen, mehr ein Trackday – aber immerhin mit echtem Lärm und einigen coolen Autos.“ Leider hatte ich bisher nicht das Vergnügen, den Diablo GTR live auf der Strecke zu sehen. Die Bilder sind für mich daher kleine Schätze. Zeit also, ein paar Fakten und Erinnerungen auszugraben und diesem wilden Stier den Platz einzuräumen, den er verdient.

Der Diablo – die Renaissance der Wut

Als Lamborghini Anfang der 1990er-Jahre (mal wieder) in wirtschaftlich rauem Fahrwasser segelte, war der Diablo ein Hoffnungsträger. 1990 als Nachfolger des Countach vorgestellt, war er moderner, breiter und schneller, aber auch schwerer und luxuriöser. Der 5,7-Liter-V12 leistete anfangs 492 PS und sorgte dennoch für eine Höchstgeschwindigkeit jenseits der 320 km/h – damals eine magische Grenze. Im Laufe der Jahre wurde der Diablo kontinuierlich weiterentwickelt:

  • 1993 kam der Diablo VT mit Allradantrieb.
  • 1995 folgte der Diablo SV („Super Veloce“) mit 517 PS und Hinterradantrieb.
  • Es gab Roadster, GT, SE30 und diverse Sondermodelle – der Diablo war offenbar ein echter System-Baukasten für Lamborghini-Enthusiasten.

Doch trotz aller Modellpflege: Für die Rennstrecke war der Diablo eigentlich nix. Seit 1994 gehörte Lamborghini jedoch dem indonesischen Konzern Megatech, der damals von der Familie Suharto kontrolliert wurde. Öffentlich trat insbesondere Tommy Suharto, der Sohn des damaligen Präsidenten Suharto, auf. Die neuen Eigner gaben den Auftrag: „Macht aus dem Diablo einen Rennwagen.“

Lamborghini goes Racing: Der Diablo SV-R

Lamborghini sollte also (wieder) in den Motorsport einsteigen. Doch statt sich gleich mit Porsche, McLaren oder Ferrari auf internationalem Terrain zu messen, wählten die Verantwortlichen lieber eine bodenständigere Variante: einen eigenen Markenpokal. Für diesen Zweck entstand der Diablo SV-R, basierend auf dem Diablo SV. 31 Exemplare baute Lamborghini – alle ausschließlich für den Motorsport. Es war das erste echte Lamborghini-Kundensportmodell überhaupt. Der SV-R bekam:

  • ein aufgeräumtes Cockpit mit Überrollkäfig,
  • Recaro-Schalensitze,
  • Feuerlöschanlage,
  • ein Gewindefahrwerk,
  • Rennbremsen von Brembo,
  • einen sperrigen, aber effektiven Heckflügel.

Der V12 leistete rund 540 PS, das Gewicht sank um etwa 200 Kilogramm im Vergleich zur Straßenversion. Der Diablo SV-R war typisch Lamborghini: laut, unvernünftig und wunderschön. Ab 1996 fand er in der „Lamborghini Supertrophy“, einem Markenpokal, der in Europa im Rahmenprogramm von GT- und Langstreckenrennen stattfand, sein natürliches Einsatzgebiet. Auch bei den 24 Stunden von Le Mans war der schnelle Stier 1996 in einem Demonstrationslauf zu sehen. Das lief zwar außer Konkurrenz, war aber spektakulär.

Der Diablo GTR – das ultimative Biest

Und dann kam der GTR: Auf der IAA 1999 in Frankfurt, das war kurz nachdem Volkswagen mit Audi den Sportwagenhersteller übernahm, präsentierte Lamborghini den Diablo GTR als ultimativen Trackday-Diablo. Technisch basierte der GTR auf dem Diablo GT, dem kompromisslosesten Straßendiablo. Doch der GTR war, vom Zwang der Zulassungsvorschriften befreit, nochmals eine deutliche Stufe radikaler:

  • Motor: 6,0-Liter-V12, 590 PS bei 7300 U/min
  • Drehmoment: 640 Nm
  • Getriebe: 5-Gang-Handschaltung mit geänderter Übersetzung
  • Gewicht: circa 1350 Kilogramm
  • Karosserie: Vollcarbon-Front, verbreiterte Kotflügel, riesiger Heckflügel
  • Sonderausstattung: Schnellbetankung, pneumatische Wagenheber, Renn-Tankanlage, sequenzieller Feuerlöscher

Nur 30 Exemplare bot Lamborghini zu einem Preis von 250.000 Dollar (zuzüglich landesüblicher MwSt.) und ohne Straßenzulassung an. Der GTR war ein reiner Rennwagen, ein wütendes Ungetüm mit sechs Litern Hubraum, offenen Endrohren und einem Geräusch, das man nicht vergisst. Und genau zwei dieser 30 Fahrzeuge waren 2005 oder 2006 – Tom weiß es nicht mehr – in Val de Vienne auf der Strecke. Ohne Werkslackierungen, ohne Sponsorenaufkleber-Wirrwarr. Nur ein paar Enthusiasten mit Zeit, Geld und vor allem Benzin im Blut.

Keine echte Rennkarriere – aber ein Kultobjekt

Das fasst auch die Karriere des Lamborghini Diablo GTR zusammen. Denn Spuren eines nennenswerten Motorsport-Erfolgs gibt es nicht. Es gab nie ein GTR-Werksteam. Die Fahrzeuge wurden an Privatfahrer verkauft – vor allem für Trackdays, Clubrennen oder Demoläufe. In Le Mans oder der FIA GT tauchte der GTR nie offiziell auf. Wäre der GTR doch nur ein paar Jahre früher erschienen! Dann wäre er sicherlich in der BPR Global GT Series angetreten, so blieb ihm nur die französische GT-Serie.

Lamborghini Diablo GTR

Der zweite Lamborghini Diablo GTR, den Tom und Karla in Val de Vienne sahen. Die drei Namen auf der Seite deuten auf einen Rennsporteinsatz hin. Und tatsächlich traten Nicolas Comar und Michel Mhitarian 2004 einmal mit dem GTR in der französischen GT-Meisterschaft an. (Foto: Tom Schwede)

Doch auch ohne Motorsportkarriere war der GTR eine Ansage und wohl ein letztes Aufbäumen, bevor auch Lamborghini ein Teil des VW-Konzerns wurde. 2001 endete die Diablo-Produktion. Der Nachfolger hieß Murciélago, war moderner, kultivierter, sauberer. Der GTR war dagegen ein mechanisches Monster, das Öl schwitzte, den Fahrern den Schweiß auf die Stirn trieb und Zuschauer elektrisierte. Wenn ich die beiden GTR auf den Bildern so betrachte, denke ich an eine Ära zurück, die es heute so nicht mehr gibt.

Fazit: Der GTR als Fossil einer wilden Zeit

Denn der Lamborghini Diablo GTR kam ohne die Dinge aus, die heute zum Rennsport (und vielen Trakcdays) dazugehören. Er hat dagegen keine Fahrer-Assistenzsysteme, kennt keine Balance-of-Performance und keine PR-Sprechblasen. Lamborghini selbst würde es heute wohl formulieren: „Il coraggio di osare“ – der Mut, etwas zu wagen. Pure Fahrkunst trifft rohe Technik. Im Idealfall verschmelzen Mensch und Maschine zu einer Einheit.

Der Diablo GTR war der letzte echte, brutale Lamborghini-Rennwagen, bevor das Zeitalter der Rechenschieber begann. Und auch wenn die Fotos aus Val de Vienne qualitativ keine Preise gewinnen, sie zeigen genau das: Leidenschaft, Lärm und Legende. Ich hoffe, ich sehe irgendwann einmal einen Diablo GTR selbst auf der Strecke. Bis dahin bleiben mir diese zwei Bilder und der Gedanke an das, was möglich war, wenn man einfach nur ein Auto bauen wollte, das alles andere hinter sich lässt.


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