ADO15 klingt mehr nach R2D2 und C3PO als nach einem Auto. Trotzdem wechseln wir nicht ins Genre der Science Fiction. Denn hinter dem Entwicklungscode ADO15 (= „Amalgamated Drawing Office Project 15“) verbirgt sich mit dem Mini einer wichtigsten Kleinwagen der Auto-Geschichte. Heute feiert der Mini seinen 65. Geburtstag.
So klein der Mini ist, er liebte von Anfang an offenbar den großen Auftritt. Denn der älteste überlieferte Zeitungsartikel zum Kleinwagen erschien am 26. August 1959 in der seit 1785 erscheinenden altehrwürdigen Tageszeitung „The Times“. Sie stellte ihren Lesern den Mini mit der Überschrift „B.M.C. Baby Cars Set Up A New Standard In Cheap Motoring.“ vor. Ich sehe, wenn ich daran denke, sofort das Mitglied eines vornehmen Clubs in der Londoner City vor mir. Er blickt nach dem Lesen der Überschrift von seiner gebügelten Zeitung auf und fragt sich, wen „billiges Autofahren“ interessiert. Auch die Aussicht, in ein 3,05 Meter langes Auto einzusteigen, wird ihn eher verstören. Denn diese Distanz bewahrt er sich in seinem Auto von seinem Chauffeur.
Trotzdem war die Chance groß, dass auch dieser „Snob“ nicht einmal zehn Jahre später in einem Mini saß!
Der Mini entstand als britische Antwort auf die Suez-Krise. Ich erzähle das bei meinen Moderationen historischer Motorsport-Veranstaltungen immer wieder gerne. Im Juli 1956 verstaatlichte Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser den Sueskanal. Die damals wichtigste Transportroute für Öl aus den Nahen Osten gehörte zuvor einer mehrheitlich britisch-französischen Gesellschaft. Der Suezkanal war insbesondere in Großbritannien von großer Bedeutung für die Erdölversorgung des Landes. Denn das Land förderte noch kein schwarzes Gold aus der Nordsee. Die britischen Inseln hingen vollständig am Tropf der arabischen Welt. Die Folge war, dass während der Suez-Krise in Großbritannien zeitweise das Benzin rationiert wurde.
Leonard Lord, seit Ende 1952 Vorstandschef der British Motor Corporation (BMC) beauftragte daher ein Team der Konzerntochter Morris mit der Konstruktion eines neuen Kleinwagens. Lord gab den Entwicklern folgende Eckdaten vor:
- Das Auto passt in eine Box mit den Abmessungen 10 × 4 × 4 Fuß (3,0 × 1,2 × 1,2 Meter).
- 60 % der Fahrzeuglänge stehen den vier Passagieren zur Verfügung.
- Als Motor kommt ein vorhandenes Aggregat zum Einsatz.
Alec Issigonis übernahm den Auftrag als Projektleiter. Das Projekt bekam das Kürzel ADO15. Wobei die Abkürzung „ADO“ für „Amalgamated Drawing Office“ (= „Zusammengelegtes Zeichenbüro“) stand. Mit dieser Bezeichnung wollten die BMC-Verantwortlichen unterstreichen, dass die 1952 entstandene Firma den Autobauer Austin sowie die Nuffield Organisation mit ihren Marken Morris, MG und Riley in einem Konzern zusammenfaßte.
Das Team für ADO15 bestand aus neun Mitarbeitern!
Heute ist es nicht mehr vorstellbar, aber 1957 bestand das gesamte Team, das den Hoffnungsträger für Großbritannien wichtigsten Autohersteller entwerfen sollte, aus neun Mitarbeitern. Neben dem in Izmir geborenen Projektleiter Issigonis gehörten zur Entwicklungsmannschaft noch die Ingenieure Jack Daniels und Chris Kingham sowie zwei Studenten und vier Technische Zeichner. Mit beiden Ingenieuren verband Issigonis bereits eine erfolgreiche Vergangenheit. Denn gemeinsam mit Daniels entstand 1948 der Morris Minor. Mit Kingham arbeitete Issigonis in seiner Zeit bei Alvis zusammen. Trotz der überschaubaren Mannschaft war schon im Oktober 1957 war der erste Prototyp fertig.
Wegen seiner orangen Lackierung nannte das Team den Prototypen „The Orange Box“. Doch die wahre Revolution steckte unter dem Blechkleid. Genial war das Prinzip, den Frontmotor quer einzubauen und dabei das Getriebe unterhalb des Motors zu montieren. Wobei Motor und Getriebe eine Einheit bilden. Sie teilen sich sogar den Schmierstoff. Der Legende nach skizzierte Alex Issigonis diese Anordnung erstmals auf einer Tischdecke in einem Restaurant. Nach dem Bau des Prototyps benötigte das Team rund zwei Jahre, um ADO15 zur Serienreife zu bringen. Im April 1959 stellte BMC den Kleinwagen ausgewählten Händlern und Journalisten vor.
Der 26. August gilt unter Mini-Freunden als Mini-Geburtstag!
Bis in den August unterlagen Händler und Journalisten noch einer Sperrfrist. In dieser durften sie noch nicht über ADO15 berichten. Denn zunächst bereitete die BMC den Serienanlauf vor. Zunächst entstanden rund 2.000 Vorserienmodelle des Kleinwagens, die sofort an BMC-Händlern in aller Welt gingen. Im August startete im BMC-Werk in Longbridge bei Birmingham offiziell die Serienproduktion. Und am 26. August 1959 kündigte die BMC ihren neuen Kleinwagen sowohl als Austin Seven (auch Austin Se7en) als auch als Morris Mini Minor endlich offiziell an. Am gleichen Tag durften BMC-Händler in rund 100 Ländern ADO15 ihren Kunden präsentieren.
Seitdem feiern Mini-Freunde in aller Welt am 26. August den Geburtstag ihres automobilen Lieblings. Ein Brauch, dem wir uns in diesem Auto-Blog nur allzu gern anschließen. Denn der Kleinwagen, dem auch wir mit unser Blubbernden Rennmaus verfallen sind, setzte Standards und begeistert bis heute sein Fans. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch ADO15, alias Austin Seven und Morris Mini!
Dieser Artikel entstand ursprünglich schon vor ein paar Jahren. Wegen des großen Interesses der Leser überarbeiteten wir ihn zum 65. Geburtstag des Minis leicht.