von Wilhelm C. Droll am 09.07.2025

Vision aus Aluminium: Wie der ECV3 zeigen sollte, was British Leyland noch konnte

Effizient, leicht und vollgepackt mit Ideen, die ihrer Zeit weit voraus waren – der ECV3 war British Leylands Antwort auf die Ölkrise. Entwickelt vom Team um Rover-Legende Spencer King, sollte er zeigen, was technisch möglich ist, wenn man Visionen statt Verkaufszahlen folgt. Warum es trotzdem beim Prototyp blieb?

ECV3 von British Leyland

Spart Gewicht, Platz und Benzin: Der ECV3 blieb Prototyp – und war dennoch ein Meilenstein der Effizienzforschung. Heute gehört er zum Bestand des British Motor Museum, das dort zu Hause ist, wo 1981 der ECV3 entstand (Foto: British Motor Museum)

In den 1970er-Jahren schockten zwei Ölpreiskrisen die Welt. Praktisch alle Autobauer begannen von ihnen angeregt mit dem Bau sparsamer Konzeptfahrzeuge. Unabhängig von ihrem technischen Nutzen waren sie auch ein Instrument, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. „Seht her, wir können auch sparsam“, lautete ihre Botschaft. Bei British Leyland (BL) nahm sich die 1979 gegründete Forschungsabteilung BL Technology unter der Leitung des legendären Charles Spencer King des Themas an.

Der Neffe der Land Rover-Erfinder Maurice und Spencer King, war ein Urgestein der Firma und seit 1945 bei Rover. 1959 wurde „Spen King“ – als Nachfolger seines Onkels Maurice – Chefingenieur und prägte in dieser Rolle zunächst den Rover P6 und dann den Range Rover. Nach der Übernahme von Rover durch die Leyland Motor Corporation verantwortete King auch den Triumph Stag und den Triumph TR7. Zusammen mit David Bache entwarf King auch den Rover SD1, die als Rover Vitesse die DTM gewann.

Spencer King übernahm BL Technology

Bei BL Technology kümmerte sich Spencer King ab 1979 um die Zukunft, klingt etwas auch nach einem Abstellgleis. Auch wenn schon im Mai 1980 das Konzeptauto ECV2 fertig war – wobei ECV für „Energy Conservation Vehicle“ stand. Es verschaffte King und BL die gewünschte Aufmerksamkeit. Der britischen Regierung als Eigner gefiel, dass die Firma den Bau des Versuchsfahrzeugs aus eigenen Mitteln finanzierte. Denn so konnte Premierministerin Margaret Thatcher die Subventionspraxis der europäischen Partner bei ähnlichen Projekten kritisieren.

Losgelöst davon sahen King und seine Mitarbeiter im auf dem ADO88 (und nicht auf dem Metro, wie es oft heißt) basierenden ECV2 nur einen Entwicklungsträger für Fahrwerk und Aerodynamik. ECV2 war ein Zwischenschritt dahin, wie sich BL das Auto der 1990er-Jahre vorstellte – wohlgemerkt mit einer ganzen Dekade Vorlauf. Herzstück des Prototyps war ein – damals noch geheimer – Dreizylinder. Er drückte den Verbrauch im seinerzeit üblichen ECE-Drittelmix auf 5,136 Liter pro 100 Kilometer.

British Leyland ECV3: Revolutionär – und seiner Zeit voraus.

Unmittelbar nach der Vorstellung des ECV2 kündigte Spencer King den ECV3 an. Dieser Prototyp werde extrem aerodynamisch und solle außergewöhnlich leicht sein, so der Entwicklungschef. Dazu würde ein CVT-Getriebe helfen, den Verbrauch weiter zu senken. Denn bei Versuchen mit dem Triumph Dolomite sank dieser dank CVT um zwölf Prozent. Die Ankündigungen zeigten, dass im Mittelpunkt der Entwicklungen das Kraftstoffsparen stand. Es ging um Grundlagenforschung und nicht um die Entwicklung eines Serienmodells.

Im Dezember 1982 wurde klar, was „Spen King“ und BL Technology damit meinten. Denn ECV3 verfügte über:

  • einen Aluminiumrahmen als tragendes Gerüst,
  • eine Karosserie, die zu großen Teilen aus Kunststoff bestand
  • sowie verklebte Fenster.

Der cW-Wert 0,24 kann sich auch mit vier Jahrzehnten Abstand noch sehen lassen. Das Gesamtgewicht lag bei 664 Kilogramm. Beim Sparen des Gewichts half auch der 1,1 Liter große Dreizylindermotor, der gerade einmal 84 Kilogramm schwer war.

Effizienz stand im Mittelpunkt

Wie beim Vorgänger lag das Hauptaugenmerk also wieder auf der Effizienz. Mit einem Verbrauch von 5,765 Litern im ECE-Drittelmix sah der ECV3 zunächst nach einem Rückschritt aus. Aber anders als der Kleinwagen ECV2 war der ECV3 ein vollwertiger Viersitzer. Er bot – obwohl mit 3,84 Metern Länge fast 60 Zentimeter kürzer – mehr Platz als ein 4,43 Meter langer Ford Sierra. Fast scheint es, als ob Spencer King mit dem ECV3 dem Vorbild von Sir Alec Issigonis’ Mini folgte und Platz in den Mittelpunkt stellte.

Heimlicher Star des ECV3 war sein 1.133 Kubikzentimeter großer Dreizylinder. Er ähnelte konzeptionell dem ebenfalls von Spencer King für den Triumph Dolomite Sprint entworfenen Vierzylinder, nutzte dessen Technik, mit nur einer Nockenwelle vier Ventile pro Zylinder zu öffnen und zu schließen.

  • Leistung: 71 PS bei 5.000 U/min
  • Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h (115 mph)

Heute gilt der Dreizylinder als wichter Entwicklungsschritt zur 1989 vorgestellten K-Serie von Rover.

Ungewöhnlich war die Karosseriekonstruktion des Autos. Denn – wie einst beim Rover P6 – verfügte auch der ECV3 nicht über eine selbsttragende Karosserie. Stattdessen war das tragende Element des Versuchsfahrzeugs ein aus Aluminium gefertigter Basisrahmen. An diesem hing die aus Kunststoffpaneelen und verklebten Scheiben bestehende Außenhaut.

  • Rohgewicht der Karosseriekonstruktion: 138 kg
  • Vergleich: etwa 50 % weniger als eine vergleichbare Stahlkarosserie

Besonders der Einsatz von Aluminium als tragendes Element war ungewöhnlich. Erst 1994 stellte Audi mit seiner Space-Frame-Technik ein ähnliches Konzept vor. Auf seiner Webseite schreiben die Deutschen heute, dass die Entwicklung der Audi Space Frame-Technik gut ein Jahrzehnt vor ihrer Einführung im Audi A8 begann. Gut möglich, dass „Spen King“ und BL Technology mit ihrem ECV3 das Vorbild gaben. Und irgendwie wirkt die Dreiliter-Version des Audi A2 wie ein Wiedergänger des britischen Versuchsfahrzeugs.

British Leyland ging die Zeit aus!

British Leyland fehlte die Zeit, um seine Ideen in Serie zu bauen. Denn statt eigenen Ideen zu folgen, setzte der britische Autobauer ab 1983 auf eine Kooperation mit Honda. Doch am Ende waren Modelle wie der auf dem Honda Civic basierende Triumph Acclaim der Sargnagel für Leyland. Ab Mitte der 1980er-Jahre nannte sich das Unternehmen Rover Group, denn der Name Leyland war verbrannt. Die meisten Ideen der Versuchsabteilung BL Technology verschwanden in den Archiven.

1985 verließ Spencer King das Unternehmen. Der Abschied zu seinem 60. Geburtstag machte den ECV3 zum Schlusspunkt einer großartigen Karriere – auch wenn der Brite noch bis 2005 als Direktor eines Ingenieurbüros wirken sollte. Doch dort entstanden keine ganzen Fahrzeuge mehr. In seinen späten Jahren zeigte sich der Ingenieur, der 2010 verstarb, erstaunt über den Aufstieg von SUVs zum urbanen Statussymbol und betonte, dass das nicht die Idee war, die ihn den Range Rover erfinden ließ.


Technik und Konstruktion

Karosserie:

  • Strukturrahmen aus Aluminium
  • Nichttragende Kunststoffpaneele
  • Verklebte Scheiben
    → dadurch sehr leicht

Gewicht:

  • 664 Kilogramm – extrem niedrig für ein Fahrzeug dieser Größe

Aerodynamik:

  • cW-Wert von 0,24 – selbst heute noch ein guter Wert

Motor:

  • 1,0-Liter-Dreizylinder
  • Benzineinspritzung
  • Einzelne obenliegende Nockenwelle
  • Leistung: 71 PS bei 5.000 U/min
  • Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h (115 mph)
  • Beschleunigung (0–60 mph): 11,0 Sekunden

Verbrauch:

  • 5,765 l/100 km im ECE-Drittelmix
  • 4,631 l/100 km bei konstant 120 km/h (75 mph)
  • 3,487 l/100 km bei konstant 90 km/h (56 mph)
  • 2,124 l/100 km bei konstant 48 km/h (30 mph)

Hintergrund und Kontext

Der British Leyland ECV3 (Energy Conservation Vehicle 3) von 1981 war ein futuristisches Konzeptfahrzeug aus der Forschungsabteilung von British Leyland. Das besonders kraftstoffsparende Fahrzeug entstand unter der Leitung des Range Rover-Erfinders Spencer King als Zukunftsblick – lange bevor Begriffe wie „CO₂-Ausstoß“ oder „Downsizing“ den Mainstream erreichten.

  • Entwickelt bei BL Technology auf dem ehemaligen Flugplatzgelände in Gaydon – dort befindet sich heute das British Motor Museum.
  • Das ECV3 war nicht für die Serienproduktion vorgesehen, sondern diente von Anfang an als Technologieträger.
  • Der Vorgänger ECV2 basierte noch auf dem Entwicklungsprojekt ADO88 – der ECV3 war eine vollständig eigenständige Konstruktion.
  • „Spen King“ wollte zeigen, dass mit kluger Technik deutliche Verbrauchsreduktionen möglich sind – ohne große Leistungseinbußen.
  • ECV beziehungsweise ECV1 war ein Konzeptmodell, das nie das Labor verließ. Die Fans von BL streiten heute, was ECV1 genau war.

Warum kam der ECV3 nie auf die Straße?

  • British Leyland befand sich Anfang der 1980er-Jahre in einer wirtschaftlich schwierigen Lage.
  • Es fehlten sowohl Kapital als auch der politische Wille, ein derart fortschrittliches Fahrzeug in die Serie zu bringen.
  • Viele Ideen (Leichtbau, Aerodynamik, kleine Turbo- oder Dreizylindermotoren) wurden - teilweise Jahre später – von anderen Herstellern erfolgreich umgesetzt.

Was blieb vom ECV3?

  • Der Prototyp ist heute Teil der Sammlung des British Motor Museum in Gaydon.
  • Einige der Ideen flossen später in die K-Series-Motoren ein.
  • Rückblickend gilt der ECV3 als wegweisend, ging aber im Chaos des sich auflösenden BL-Konzerns unter.
  • Die Studie gehört heute zum Bestand des British Motor Museum in Gaydon. Ende Juli 2025 wird sie auf dem „Hagerty Festival of the Unexceptional“ (Grimsthorpe Castle, PE10 0LY) zu Gast sein.

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