Zum 30. Geburtstag der Gruppe C blicken wir die Geschichte dieser spannenden, aber auch gefährlichen Sportwagen-Epoche zurück. Lesen Sie im zweiten Teil, wie Jaguar das „Solo für Porsche“ beendete.
Die Sportkommission FISA und der Automobilweltverband FIA richtete Anfang 1982 ihr globales Sport-Reglement neu aus und definierte drei Gruppen – statt der zuvor sechs Fahrzeugkategorien. Für die Tourenwagen-Europameisterschaft oder nationale Serien sahen die Regelhüter die Gruppe A vor. Um einen Tourenwagen in der Gruppe A einsetzen zu können, musste der Hersteller das Basisfahrzeug innerhalb von 12 Monaten mindestens 5.000-mal bauen. Für die Gran-Turismo-Fahrzeuge, die Anfang der 1980er-Jahre in der Rallye-Weltmeisterschaft ihre Heimat hatten, definierten sie die Gruppe B. In dieser Kategorie mussten die Hersteller nur noch die Fertigung von 200 straßentauglichen Exemplaren des „Grundmodells“ pro Jahr nachweisen.
Über diesen beiden Klassen positionierte die FIA mit der Gruppe C eine Klasse für Sportprototypen. In dieser Kategorie reichte ein Einzelstück ohne Straßenzulassung zur Teilnahme aus. Voraussetzung war nur, dass der Motorblock von einem Hersteller stammt, der zuvor mindestens ein Fahrzeug in der Gruppe A oder in der Gruppe B homologierte. Mit einem rigiden Verbrauchsreglement verlagerte die FISA bei den Sportprototypen den Fokus der Entwickler weg von der Spitzenleistung hin zur Effizienz. Porsche dominierte die erste Saison der Gruppe C so nachhaltig, dass Ford seinen Ford C100 nach nur einer Saison wegen Erfolglosigkeit aus der Sportwagen-Weltmeisterschaft zurückzog.
Mehr als ein „Solo für Porsche“
Auch Lancia schaffte es nicht, den 1983 vorgestellten Lancia LC2 auf das Niveau der Porsche zu bringen. Bis zum Rückzug im Frühjahr 1986 konnten die Italiener mit ihrem Rennwagen nur zwei Läufe der Sportwagen-Weltmeisterschaft für sich entscheiden. Neben dem Boykott-Rennen von Kyalami, als nur ein britischer Porsche 956 an den Start ging, siegte Lancia 1985 in Spa-Francorchamps. Das war das Rennen in dem Stefan Bellof tödlich verunglückte. Den Lancia trieb ein V8 von Ferrari an. Dieser Turbomotor war deutlich durstiger als die Motoren von Porsche.
Auch wenn die Siegerlisten der Gruppe C in den Anfangsjahren heute wie ein „Solo für Porsche“ wirken, gab es in den Rennen durchaus auch andere Fabrikate. Schon zum Debüt der neuen Klasse boten die klassischen Rennwagenfabriken Lola mit dem „T610“ und March mit dem „82G“ passende Rennwagen an. Sie stellten sich dem Wettbewerb meistens mit Motoren von Cosworth (Lola) oder Chevrolet (March). Daneben gab es Anfang der 1980er-Jahre in der Sportwagenszene auch Teams, die eigene Fahrzeuge an den Start brachten.
Neben dem Team des Schweizers Peter Sauber trat dabei insbesondere das Team von Jean Rondeau positiv in Erscheinung. Rondeau gewann bereits 1980 mit einem eigenen Sportwagen in Le Mans. Der Franzose ist damit bis heute der einzige Fahrer, der in Le Mans gleichzeitig als Pilot und als Hersteller siegen konnte. Auch in die neue Fahrzeugklasse startete Rondeau erfolgreich. Denn ein Rondeau M 382 gewann in Monza das erste Gruppe C-Rennen der Geschichte. Der Sauber SHS C6 war mit seinem Motor aus dem BMW M1 dahinter allenfalls für Podestplätze gut.
Trotzdem verlor Rondeau Ende 1982 seinen Hauptsponsor und damit die wirtschaftliche Grundlage für sein Team. Angesichts der Dominanz der Porsche verloren die Geldgeber des Franzosen die Lust, das Hinterherfahren zu bezahlen. Denn wer keinen Porsche hatte, der stand in der neuen Sportwagenklasse in den Anfangsjahren auf verlorenem Posten. Entsprechend schwierig war es, Sponsoren zu gewinnen, die bereit waren, das Team zu unterstützen. Und ohne Geld dreht sich im Motorsport traditionell kein Rad.
Einführung der Gruppe C-Junior
Um die Felder zu füllen, ließen die Veranstalter bei vielen Rennen 1982 weiterhin Rennwagen der Gruppe 6 und Gruppe 5 zu. Diese Fahrzeuge waren in diesen Tagen billig und vergleichsweise günstig im Unterhalt. Um kleinen Privatteams einen Anreiz zu bieten, ebenfalls in die Gruppe C umzusteigen, ergänzte die FISA das Reglement ab 1983 um die „Gruppe C Junior“. In dieser zweiten Liga der Sportprototypen standen den Teams „nur“ 330 Liter für 1.000 Kilometer Renndistanz zur Verfügung. Zudem beschränkten die Regelhüter die Tankkapazität der Fahrzeuge auf 55 Liter und legten ein Mindestgewicht von 700 kg fest.
Separate Preisgeldtöpfe und eigene Titel sorgten dafür, dass tatsächlich einige kleinere Teams die neue Kategorie für sich entdeckten. Mit Rennwagen von Herstellern wie Alba, Tiga, Spice oder der Ecurie Ecosse und Motoren aus dem BMW M1 oder von Cosworth entwickelte sich schnell eine Szene in der Szene. Und nebenbei ein Experimentierfeld für Hersteller wie Mazda, die sich nicht sofort in der großen Kategorie dem Wettbewerb mit Porsche stellen wollten. Mazda nutzte den Mikrokosmos der ab 1984 „Gruppe C2“ genannten Junior-Kategorie, um die Wankelmotoren des Hauses im Motorsport zu etablieren.
Mazda stellt sich Wettbewerb
Während Mazda sich in der Gruppe C2 nach Europa traute, traten die anderen japanischen Hersteller zunächst nur in der Heimat an. Toyotas japanische Rennsportabteilung „Tom’s“ baute schon im Startjahr 1982 ihren ersten Gruppe C-Sportwagen. Doch die „Tom’s Celica C“ stellte sich nur beim WM-Lauf in Fuji den Wettbewerbern aus Europa. Auch ihre Nachfolger blieben zunächst der ab 1983 mit Sportwagen der Gruppe C ausgetragenen „All Japan Sports Prototype Championship“ vorbehalten. Erst 1985 traute sich Toyota nach Le Mans.
Nissan benötigte noch ein Jahr mehr, um sich für den Start in Frankreich zu entscheiden. Das Werksteam Nissan Motorsport trat in Zusammenarbeit mit Chassis-Partner March erstmals 1986 in Le Mans an. Wobei die Britisch-Japanische Koproduktion zu diesem Zeitpunkt schon beurteilen konnte, wie sich ein Gruppe C-Sieg anfühlt. Denn im Oktober 1985 entschied Nissan das Heimspiel in Fuji für sich. Der heftige Regen am Fuße des Mount Fuji bewog die Mehrzahl der Teams zur Aufgabe des Rennens. Kazuyoshi Hoshino, Akira Hagiwara und Keiji Matsumoto hielten ihren March 85G mit Nissan-Motor auf der Strecke und beendeten es schließlich als Sieger.
Auftritt: Jaguar
In Le Mans führte – trotz großer Anstrengungen – bis einschließlich 1987 kein Weg an Porsche vorbei. Trotzdem sollte sich die Sportwagenszene in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre verändern. Der Erfolg der Stuttgarter rief Neider auf den Plan. In den USA veranstaltete die IMSA Sportwagen-Rennen nach einem GTP genannten Reglement. Es kannte im Unterschied zu den Regeln der Gruppe C kein Verbrauchslimit. Zudem gab es bei den Regeln für die Fahrzeuge einige kleinere Unterschiede. Die beispielsweise dem Porsche 956 den Start in den USA verwehrten. 1982 stellte in den USA „Group 44 Racing“ mit dem Jaguar XJR-5 einen GTP vor.
Als der mit dem 5,3 Liter großen V12 des Jaguar XJS ausgerüstete Rennwagen 1983 den zweiten Platz der IMSA-Meisterschaft einfuhr, wagte sich das Team über den großen Teich. 1984 ging der Jaguar XJR-5 als erste Katze seit mehr als 20 Jahren in Le Mans an den Start. Tom Walkinshaw, der mit seinem Team „Tom Walkinshaw Racing“ (TWR) damals für den britischen Autobauer in der Tourenwagen-Europameisterschaft unterwegs war, legte parallel dazu einen Gruppe C-Sportwagen mit Jaguar-Motor auf Kiel. Walkinshaw verpflichtete für seinen Sportwagen-Einstieg mit Tony Southgate einen gestandenen Konstrukteur aus der Formel 1.
Im August 1985 stellte TWR den Jaguar XJR-6 genannten Rennwagen der Öffentlichkeit vor. Als erster Gruppe C-Hersteller vertraute TWR-Jaguar dabei auf ein Monocoque aus Kohlefaser. Im Heck des Briten sorgte der rund 700 PS starke und auf 6,2 Liter Hubraum aufgebohrte Jaguar V12-Saugmotor für einen standesgemäßen Antrieb. Bereits beim Debüt, dem Budweiser GT 1000 im kanadischen Mosport, belegte TWR einen dritten Platz – auch wenn der neue Bolide im Training noch nicht die Rundenzeiten der schnellsten Porsche 962C erreichte.
Doch TWR lernte schnell
Beim Saisonfinale 1985, einem 800 Kilometer-Rennen auf dem Shah Alam Circuit in Malaysia lies TWR-Jaguar mit einem zweiten Platz aufhorchen. Im Mai 1986 gelang im heimischen Silverstone der erste Sieg bei einem WM-Lauf. Zum Auftakt der Saison 1987 siegte Jaguar schließlich sogar viermal. Damit ging das Team beim Saisonhöhepunkt in Le Mans, dem fünften Saisonlauf, als Favorit an den Start. Doch ausgerechnet beim wichtigsten Rennen der Saison gelang es den Porsche-Teams nochmals ihre große Erfahrung auszuspielen.
Den Sieg in Le Mans sicherte sich das Porsche-Werksteam, das sich anschließend allerdings aus der Sportwagen-Weltmeisterschaft zurückzog. Damit war der Weg für TWR und Jaguar endgültig frei. Am Ende des Jahres sicherten sich die Briten beide Sportwagen-Titel. TWR gewann die Teamwertung. Jaguar-Pilot Raul Boesel wurde als Sportwagen-Weltmeister Nachfolger des Porsche-Piloten Derek Bell. Im Sommer 1988 gelang mit dem inzwischen zum TWR-Jaguar XJR-9 weiterentwickelten Sportwagen endlich der ersehnte Sieg in Le Mans. Erstmals seit 1980 siegte damit an der Sarthe ein anderes Fabrikat als Porsche.
Mit insgesamt sechs Saisonerfolgen fuhr TWR zudem 1988 erneut zum Team-Titel. Dazu sicherte sich mit Martin Brundle erneut ein Jaguar-Fahrer den Titel der Sportwagen-Fahrer. Doch der Takt des Sports schlug inzwischen schneller als zuvor. Anders als Porsche konnte sich Jaguar nicht über Jahre an der Spitze des Sportwagen-Sports behaupten. Denn inzwischen setzten nicht nur Toyota, Nissan und Mazda Sportprototypen ein. Auch der der alte Kontrahent Mercedes, der schon in den 1950er-Jahren mit Jaguar um Sportwagen-Siege kämpfte, kehrte offiziell auf die Langstrecke zurück.
Lesen Sie in 14 Tagen im dritten Teil unser großen Gruppe C Geschichte, wie die Silberpfeile zurückkehren und wie die FISA die Sportwagen innerhalb von wenigen Jahren mit einer – vielleicht wohl überlegten – Fehlentscheidung vernichtet.
Martin
31. Januar 2012Hast Du eigentlich auch Bilder von den ganzen C Junior / C2 Fahrzeugen?
Tom
31. Januar 2012Ja, warte ab. Hinter die Serie packen wir eine große Galerie.