Alfa Romeo dominierte in den Anfangstagen der Automobil-Weltmeisterschaft die Szene. Doch schon nach zwei Jahren zog sich das dem italienischen Staat gehörende Unternehmen aus der Königsklasse des Motorsports zurück. Erst in den frühen 1960er-Jahren brachten Privatfahrer die Marke zurück ins Grid. 1968 scheiterte dann ein Comeback bei Cooper. Teamchef John Cooper glaubte nicht daran, mit einem Motor der Italiener aus der Krise fahren zu können. Daher sperrte Cooper sein Team zu. 1970 und 1971 platzierte Alfa Romeo seine Motoren bei McLaren und March. Beide Rennwagenhersteller setzten im Auftrag des Mailänder Autobauers zusätzliche Fahrzeuge ein. Doch am Ende sahen die Verantwortlichen die Sinnlosigkeit des Unterfangens ein.
Nach dem Gewinn der Markenweltmeisterschaft fühlt sich Alfa Romeo reif für die Formel 1!
Die Sportabteilung Autodelta konzentrierte sich auf Sportwagen. 1973 erschien ein neuer 12-Zylindermotor mit drei Litern Hubraum. Das von Carlo Chiti konstruierte Aggregat des Typs Tipo 115-12 verfügt über einen Zylinderwinkel von 180 Grad. Das galt damals als probates Mittel, um den Schwerpunkt eines Rennwagens abzusenken. Auch Ferrari fuhr in seinen Sportwagen und Formel 1-Boliden damals einen ähnlichen Motor. 1975 übernimmt als das deutsche Willi Kauhsen Racing Team die Einsätze der Tipo 33TT12 in der Markenweltmeisterschaft. Das Team gewann sieben der acht WM-Läufe und holt den Titel des Markenweltmeisters nach Mailand. Allerdings zählten die 24 Stunden von Le Mans 1975 nicht mehr zur Meisterschaft, was dem Erfolg etwas von seinem Glanz nahm.
Doch nach dem Erfolg ist der Weg frei für ein Comeback in der Königsklasse. Die Wahl der Verantwortlichen fällt auf Brabham. Das vom ehemaligen Weltmeister Jack Brabham gegründete Team gehört inzwischen Bernie Ecclestone. Alfa Romeo sagt dem Briten seine Zwölfzylindermotoren exklusiv zu. Das ist für den schon immer geschäftstüchtigen Ecclestone ein gutes Geschäft. Denn bisher musste Brabham für seine Cosworth-Motoren bezahlen. Den flachen Zwölfzylinder aus Italien gibt es kostenlos. Dazu erhöht Sponsor Martini seine Zahlungen, wenn der Motor aus Italien stammt. Neben diesen handfesten finanziellen Gründen spricht für das neue Triebwerk auch, dass der Motor mit 500 PS Leistung stärker als der Ford Cosworth DFV ist, den ein Großteil des Felds fährt.
Der Zwölfzylinder als Mailand ist groß, schwer und unzuverlässig!
Doch der Zwölfzylinder aus Mailand wiegt deutlich mehr als der bewährte britische V8. Das relativiert den Leistungsvorteil.Zunächst drehen Carlos Reutemann und Carlos Pace im Cockpit der Boliden des Teams am Lenkrad. Das Team gewinnt – anders als im Vorjahr – keinen Grand Prix. In der Konstrukteurswertung fällt es auf den neunten Platz zurück. Carlos Reutemann will sich den Brabham und seinen chronisch unzuverlässigen Motor bald nicht weiter zumuten und kündigt. Nach neun Ausfällen in zwölf Rennen wechselt der Argentinier vor dem Großen Preis von Italien zu Ferrari. „El Cole“ nimmt dabei in Kauf, dass ihm Enzo Ferrari für die verbleibenden drei Saisonrennen gar kein Auto anbieten kann.
Anschließend sitzen Rolf Stommelen, der schon den Großen Preis von Deutschland mit dem Ersatzwagen von Brabham bestritt, und Larry Perkins im Brabham BT45. Doch auch sie können mit dem Rennwagen keine Bäume ausreißen. Am angestrebten WM-Titel fahren Brabham und Alfa-Romeo so weit vorbei. Ins zweite Jahr geht die britisch-italienische Allianz mit John Watson und Carlos Pace als Stammpiloten. Als der Brasilianer Pace bei einem Flugzeugunglück ums Leben kommt, übernimmt Hans-Joachim Stuck das Cockpit. Stuck fährt für Brabham sogar zweimal aufs Podest. Am Ende des Jahres liegt der Deutsche damit in der WM-Wertung vor seinem Team-Kollegen. Zusammen ziehen beide für die britisch-italienische Allianz Platz fünf in der Konstrukteurswertung an Land.
1977 geht es aufwärts – 1978 kann Brabham wieder siegen!
Obwohl Stuck der schnellere Pilot ist, muss der lange Deutsche sein Cockpit räumen. Denn mit Niki Lauda ist der aktuelle Formel 1-Weltmeister verfügbar. Bernie Ecclestone fackelt nicht lange und holt Lauda ins Team. Der Österreicher gewinnt 1978 zwei Grand Prix und sichert dem Team und seinem Motorenbauer den dritten Platz in der Konstrukteurswertung. Zu den Siegen gehört auch der Erfolg des legendären Staubsauger Brabham BT46B beim Großen Preis von Schweden. Ein Erfolg, der den Umbruch unterstreicht, den die Formel 1 damals vollzieht. Denn Lotus hat in der Formel 1 gerade den Ground-Effect eingeführt. Am Lotus 77 sorgen die Gestaltung des Unterbodens und seitliche Dichtleisten dafür, dass sich der Rennwagen beim Fahren an der Strecke festsaugt.
Damit steigen die Kurvengeschwindigkeiten und sinken die Rundenzeiten. Jetzt ist der breite V12 von Carlo Chiti ein echter Nachteil. Denn mit ihm lässt sich der Unterboden nicht so effizient gestalten, wie es die Konkurrenz praktiziert. Wer den Unterboden optimal gestalten will, der benötigt jetzt einen möglichst schmalen Motor. Die Idee eines Lüfters, der beim Fahren unter dem Autos für Unterdruck sorgt, um es auf die Straße zu saugen, entsteht aus der Verlegenheit heraus. Brabham kann den Unterboden nicht so gestalten, wie Lotus es praktiziert. Doch die FIA verbietet den Trick sofort. Immerhin dürfen Lauda und das Team den Sieg behalten. Der „Staubsauger“ fährt nach nur einem Rennen ins Museum. Und Chiti sieht ein, dass der breite Motor ein Problem ist.
1979 folgt ein neuer Motor – trotzdem will Niki Lauda nicht mehr im Kreis herumfahren!
Für die Saison 1979 baut Autodelta auf Druck von Brabham-Chef Ecclestone einen neuen Zwölfzylinder. Das neue Triebwerk hat einen Zylinderwinkel von 60 Grad. So kann auch Brabham den Unterboden so gestalten, dass der benötigte Ground-Effect entsteht. Doch das Tipo 1260 getaufte Triebwerk steht erst beim zweiten Saisonlauf in Brasilien beiden Brabham-Piloten zur Verfügung. Zudem ist auch das neue Triebwerk unzuverlässig. Niki Lauda fällt elfmal aus. Nur zweimal bringt der Österreicher den Brabham BT 48 bei WM-Läufen ins Ziel. Immerhin gewinnt Lauda im September in Imola den nicht zur Weltmeisterschaft zählenden „Dino Ferrari Grand Prix“. Kurz nach diesem Erfolg tritt der Österreicher entnervt während des Trainings zum Großen Preis von Kanada zurück.
Niki Lauda erklärt, er wolle nicht mehr im Kreis herumfahren und beendet vorerst seine Motorsport-Karriere. Zu diesem Zeitpunkt ist auch die Geduld von Brabham-Chef Bernie Ecclestone längst aufgebraucht. 1980 wird sein Team wieder den guten alten Ford Cosworth DFV nutzen. Das kostet zwar Geld, verspricht aber dafür mehr Erfolg. Schließlich will Ecclestone mit Brabham an die Spitze des Felds. Ihm ist klar, mit diesem Partner klappt das nicht. Die britisch-italienische Allianz bleibt mit drei Siegen in vier Jahren weit hinter den Erwartungen zurück. Nach der Ankündigung von Brabham, 1980 zum Ford Cosworth DFV zurückzukehren, sondiert der bisherige Motorlieferant den Markt. Doch die Italiener blitzen bei allen damaligen Topteams ab. Niemand will ihren V12 einsetzen.
Die häßliche Scheidung von Brabham
Schon 1977 baute Carlo Chiti einen Testträger, um seine Motoren ohne den Einsatzpartner auf der Teststrecke seines Arbeitgebers in Balocco testen zu können. Chiti will damit die Leitungsfähigkeit des eigenen Motors unterstreichen. Autodelta testet diesen „Alfa Alfa“ regelmäßig. Am Lenkrad des Alfa Romeo 177 sitzt dabei überwiegend Vittorio Brambilla. Im August 1978 steigt zum Vergleich auch Niki Lauda in den Rennwagen. Der Österreicher äußert sich anschließend sehr zurückhaltend über den „Alfa Alfa“. Autodelta verzichtet daher auf einen zeitweise geplanten Einsatz des Autos beim Heimrennen in Monza. Ein Jahr später ist die Situation eine andere. Der Autobauer will – gerade nach der Investition in einen neuen Motor – weiter in der Formel 1 antreten.
Schon in Belgien und Frankreich darf sich das Werksteam Autodelta zweimal in der Königsklasse versuchen. Dabei feiert der inzwischen zwei Jahre alte Testträger doch noch sein Renndebüt! Damit ist erstmals seit Ende 1951 wieder ein Werkswagen von Alfa Romeo in der Formel 1 am Start. Das ist im Rückblick fast schon irrwitzig, denn das Auto nutzt den alten eigentlich längst aussortierten flachen Zwölfzylinder. Ein Erkenntnisgewinn für das neue Triebwerk ist mit dem Typ 177 nicht möglich. Immerhin meistert Bruno Giacomelli sowohl in Zolder als auch in Dijon die Qualifikationshürde. Doch mehr als ein 17. Platz in Frankreich springt in den beiden Rennen nicht heraus. Autodelta-Chef Carlo Chitti verzichtet auf weitere Einsätze mit dem alten Rennwagen.
Autodelta baut ein neues Fahrzeug!
Innerhalb weniger Wochen stellt Autodelta mit dem Alfa Romeo 179 einen Rennwagen für den schmalen V12 auf die Räder. Pünktlich zum Heimrennen in Italien ist der neue Bolide einsatzbereit. Bruno Giacomelli qualifiziert diesen auf dem 18. Startplatz. Zum Vergleich schickt Autodelta zusätzlich Vittorio Brambilla mit dem alten 177 ins Rennen. Auch für die Überseerennen in Kanada und in den USA kündigt Autodelta den Einsatz von zwei Autos an. Das nutzt Bernie Ecclestone, um den Bruch mit Alfa Romeo beschleunigen. Zunächst setzt Max Mosley als Anwalt von Brabham durch, dass Autodelta als neues Team in Kanada eine Vorqualifikation bestreiten muss. Zudem tritt Brabham trotz des Vertrags mit Alfa Romeo in Kanada mit dem neuen BT49 mit Ford-Cosworth DFV an.
Das stellt die Italiener endgültig bloß. Sie drohen mit dem sofortigen Rückzug. Es kommt zum Kuhhandel. Offiziell verzichtet Bruno Giacomelli aus persönlichen Gründen auf die Teilnahme am Rennen. Vittorio Brambilla tritt mit dem neuen Alfa Romeo 179 ab der dritten Trainingssitzung an, ohne zuvor eine Vorqualifikation zu fahren. Schon eine Woche später in Watkins Glen sitzen beide Piloten im neuen Alfa Romeo 179. Allerdings gelingt nur Giacomelli sich für das Rennen zu qualifizieren. Brambilla verpaßt als 25. knapp die Qualifikation. Und auch Giacomelli kann das Rennen nicht zu Ende fahren. Der Italiener dreht sich bereits in der Startrunde ins Aus.
Veröffentlicht in: Serie: Alfa Romeo in der Formel 1
- Alfa Romeo in der Formel 1: Osella fährt das Material auf
Anfang 1983 übernimmt Euroracing die Werkseinsätze von Alfa Romeo in der Königsklasse. Da Euroracing auf den neuen Turbo-Motor setzt, sind die bewährten Saugmotoren überflüssig. Alfa Romeo entscheidet sich, diese der Osella Squadra Corse zur Verfügung zu stellen. Es ist der Anfang einer Zusammenarbeit, die sich bis Ende 1988 fortsetzen sollte und die schließlich weiter über die Lieferung von Motoren hinausging. - Alfa Romeo in der Formel 1: Euroracing und der Turbo V8
Im Winter 1982/83 registrieren die Verantwortlichen von Alfa Romeo, dass das Werksteam in der Formel 1 den eigenen Ansprüchen konsequent hinterher fährt. Das kostet viel Geld und beschädigt den Ruf. Daher stellt sich Alfa Romeo in der Königsklasse neu auf. Die Werkeinsätze übernimmt ab sofort das zuvor in der Formel 3 erfolgreiche Team von Gianpaolo Pavanello. - Alfa Romeo in der Formel 1: Mario Andretti und der letzte Tanz für Autodelta
Alfa Romeo gilt Anfang der 1980er-Jahre längst als Sanierungsfall. Das damalige Staatsunternehmen schreibt Jahr für Jahr rote Zahlen. Trotzdem tritt das Werksteam Autodelta seit 1979 in der Formel 1 an. Dort fährt das Team trotz hoher Einsätze konstant den eigenen Erwartungen hinterher. - Alfa Romeo in der Formel 1 – Privatfahrer und Versuche mit Cooper, McLaren und March
Nach dem Alfa Romeo in den Anfangstagen die Automobil-Weltmeisterschaft dominierte verließ der Autobauer die Königsklasse Ende 1951 überraschend. Das brachte fast die Weltmeisterschaft ins Wanken. Erst zehn Jahre später holten Privatfahrer das „Quadrifoglio Verde“ in die Formel 1 zurück. Davon inspiriert dachte auch das Werk wieder über ein Formel 1-Engagement nach. Doch ein Comeback mit Cooper zerschlug sich. Bei Einsätzen mit McLaren war Alfa Romeo nicht konkurrenzfähig. Und auch bei March sah es nur etwas besser aus. - Alfa Romeo in der Formel 1 – 1950/51 dominierten die Alfa Romeo Tipo 158 „Alfetta“
Das erste Rennen der Automobil-Weltmeisterschaft gewann 1950 ein Alfa Romeo. Damit knüpfte der italienische Autobauer nahtlos an seine Sporterfolge der Vorkriegszeit an. Bis Ende 2023 standen – mit Unterbrechungen – immer wieder Rennwagen von Alfa Romeo in der Formel 1 am Start. Wir blicken in sechs Teilen auf die umfangreiche Geschichte von Alfa Romeo in der Formel 1 zurück. Im ersten Teil geht es um die Jahre 1950 und 1951 als Alfa Romeo die Formel 1 fast nach Belieben dominierte.
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