Auto-Erinnerungen

Die 62er: Ford Cortina – das Auto aus der Bobbahn

Mensch wir haben schon wieder Oktober! Da wird es langsam Zeit, um endlich etwas über einen der Höhepunkte des Autojahrs 1962 zu schreiben. Denn das war die Vorstellung des Ford Cortina mit Sicherheit. Im September 1962 lud Ford England dazu 19 Spitzen-Motorsportler nach Italien ein, um der staunenden Fachpresse die neue Mittelklasselimousine des Hauses vorzustellen.

Ford Cortina Lotus beim Einsatz im historischen Motorsport (Foto: Tom Schwede)
Ford Cortina Lotus beim Einsatz im historischen Motorsport (Foto: Tom Schwede)

Ford England, deren Werbespruch in Großbritannien damals „For sportsman only“ lautete, präsentierte den Ford Cortina spektakulär im Eiskanal von Cortina d’Ampezzo. An gleicher Stelle kämpften nur sechs Jahre zuvor die Jugend der Welt um olympische Medaillen. Jetzt trug das neue Mittelklassemodell von Ford Großbritannien den Namen der Olympiastadt zumindest zum Teil im Namen. Passend dazu ersann Ford eine PR-Aktion, die bis heute ihresgleichen sucht.Denn zur Premiere des neuen Ford stützte sich die Elite des damaligen Motorsports mit dem Ford Cortina die Bobbahn herunter.

Es gibt bei YouTube ein wunderbares Video der Vorstellung des Ford Cortina in Cortina d’Ampezzo. Es zeigt, mit welchen Spaß sich Formel 1-Stars wie Jim Clark und Jack Brabham mit der Limousine in die Bobbahn werfen. Ford gelang mit dem Cortina Auto-Bobbing genannten Stunt, lange bevor der Getränkeanbieter Red Bull solche Aktionen zum festen Bestandteil seiner Öffentlichkeitsarbeit machte, ein viel beachteter PR-Erfolg. Die Vorstellung im Rahmen der olympischen Bobbahn passte optimal zum sportlichen Ford Cortina.

Der Ford Cortina war eine Reaktion auf den Mini!

Denn obwohl die Verantwortlichen eigentlich ein Familienauto entwickeln wollten, schufen sie einen der erfolgreichsten Renn-Tourenwagen seiner Zeit. Den Startschuss für die Entwicklung des Cortina gab der Überraschungserfolg eines Wettbewerbers. Denn die British Motor Corporation stellte 1959 mit dem Mini einen Kleinwagen mit vier Sitzplätzen vor, der den Käufern auf der Insel zunehmend gut gefiel. Ursprünglich wollte Ford England einen direkten Wettbewerber zum kleinen Briten entwickeln.

Doch die Berechnungen der Entwickler zeigten, dass sich so ein Kleinwagen nicht rechnen würde. Daher entschied man sich, das neue Volumenmodell in der Mittelklasse anzusiedeln. In dieser Fahrzeugklasse kämpfte Ford England bisher mit dem eigenwilligen Ford Consul gegen Fahrzeuge wie den Morris Oxford und den Vauxhall Victor um Kunden. Beide Konkurrenten gab es seit 1961 in neuen Varianten, deren sachliche Karosseriegestaltung bei den Käufern zunehmend punkten konnten. Fords Antwort setzte daher ein Jahr später ebenfalls auf eine moderne Karosserie.

Unter dem Blech steckte bewährte Technik

Unter dem modernen Kleid steckte eine Menge Bewährtes, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Anders als Ford Köln beim Taunus P4 setzten die Entwickler in Dagenham weiter auf Heckantrieb. Den Kent-Motor mit 1.197 ccm stellte Ford England bereits 1959 im Ford Anglia 105E, dem Auto aus den Harry Potter Büchern, vor. Das auf der Bobbahn vorgestellte Auto stand dann übrigens ab Herbst 1962 als Ford Consul Cortina bei den Händlern. Erst zum Modelljahr 1964 nannte Ford England den Cortina nach dem Ort seiner Vorstellung nur noch Ford Cortina.

Ford Consul Cortina Estate
Ab 1963 gab es die Cortina auch als Kombi. Das Foto zeigt den ersten in Großbritannien zugelassenen Kombi. (Foto Charles01)

Wobei es inzwischen unter dem Namen eine ganze Auto-Familie gab. Denn den Cortina gab es nun als Limousine mit zwei und vier Türen sowie als Kombi. Neben dem Stammwerk von Ford England in Dagenham lief der Ford Cortina auch in Taiwan (Ford Lio Ho), den Niederlanden (Amsterdam), Australien und Süd Korea vom Band. Bis 1966, als der Nachfolger Ford Cortina Mark II vorgestellt wurde, sollten so fast 1.000.000 Ford Cortina entstehen. Exklusiv für den Ford Cortina entstand zudem eine 1.499 ccm große Version des Kent-Motors, die Ford ab Januar 1963 als Cortina 1500 Super (61 PS) anbot.

For sportsman only – Ford Cortina by Lotus

Als wenige Monate später auf der Basis des 1500 Super die GT Cortina mit 79 PS folgte, brannte die Zündschnur längst. Denn fast zeitgleich entstand mit Unterstützung von Lotus und Cosworth das Spitzenmodell Lotus Cortina Mk1. Auf Initiative von Lotus-Chef Colin Chapman überarbeitete Cosworth den 1.499 ccm großen Motor für den Einsatz im Lotus 23 und dem Lotus Elan. Der legendäre Motorenbauer Keith Duckworth vergrößerte die Bohrung und konzipierte einen Twin-Cam 4-Ventil-Kopf. Mit 1.558 ccm leistete dieser Motor alltagstaugliche 106 PS – im Renntrimm gern bald auch 180 PS.

Jaguar Mk2 beim Einsatz im historischen Motorsport
Jaguar Mk2 beim Einsatz im historischen Motorsport. Gesehen 2010 bei den Silverstone Classics. Mit dem Erscheinen der Ford Lotus Cortina sagen die zuvor überlegenen Jaguar plötzlich alt aus. (Foto: Tom Schwede)

Auf Veranlassung von Walter Hayes, dem PR-Direktor von Ford England, entstanden im Sommer 1963 zunächst 1.000 Exemplare des zweitürigen Ford Cortina mit diesem Motor. Das war die Mindestmenge, um den „Ford Consul Cortina developed by Lotus“ in der FIA Gruppe 2 homologieren zu können. Bereits beim ersten Renneinsatz im September 1963 schlugen die Lotus Cortina die 3,8 Liter Jaguar, die bisher in der Klasse der Tourenwagen das Tempo diktierten. 1964 gewann Jim Clark die British Saloon Car Championship und legte damit den Grundstein für die bemerkenswerte Erfolgsserie des Ford Cortina.

Die Überlegenheit der Ford Cortina war zeitweise drückend. Legendär, wie Walter Hayes seine Piloten vor den Rennen instruierte:

„Fahr den Jaguars nicht zu weit voraus, sonst können die TV-Crews nicht mehr sehen, wie du gewinnst.“, Walter Hayes

Sie hält im Grunde bis heute an. Denn bei allen wichtigen Veranstaltungen des historischen Motorsports zeigt der Oldtimer noch heute regelmäßig seine Überlegenheit. Und so fügen die Oldtimer-Piloten der Vita des Ford Cortina bis heute regelmäßig neue Erfolge hin.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Ford Cortina Lotus beim Einsatz im historischen Motorsport – gesehen beim AvD Oldtimer Grand Prix 2005

Foto: Tom Schwede

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!