Mein Rendezvous mit dem Jaguar F-TYPE S war kurz aber heftig. Nur gut vier Stunden hatte ich, um mir den neuen Jaguar anzusehen. Bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland entspricht das gerade 0,0006% (6 ppm). Nicht viel Ziel, doch dieser Augenblick wird mir nachhaltig in Erinnerung bleiben. Denn der 380 PS starke F-TYPE S überzeugt als echter Sportwagen.
Für die erste Kontaktaufnahme hat Jaguar auf das abgesperrte Gelände eines kleinen Flughafens eingeladen. Gemeinsam mit Matthias Lehming von fahrverückt teile ich mir hier eine Katze. Rund eine Stunde lang freunden wir uns im Slalom und Handlings-Parcours mit dem Jaguar an.
Der F-TYPE folgt allen Lenkrad-Befehlen willig und spontan. Auch bei höheren Geschwindigkeiten gelingt das Wedeln zwischen den Pylonen trotz der 1,6 Tonnen Fahrzeuggewicht mit spielender Leichtigkeit. Wobei eine leichte Tendenz zum Übersteuern die Richtungswechsel vereinfacht.
Jaguar nutzt im F-TYPE eine Vollaluminium-Architektur. Im Lastenheft der Ingenieure standen ein niedriges Gewicht und eine extrem steife Karosserie. Beides kommt, wie der Ausflug auf den Slalom-Parcours eindrucksvoll beweist, dem Handling zugute.
Die guten Fahrleistungen offenbaren, welchen großen Aufwand die Entwickler in die Abstimmung des Fahrwerks gesteckt haben. Sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse verfügt der F-TYPE über Doppelquerlenker-Konstruktionen. Sie sind komplett aus Leichtmetall gefertigt, um die ungefederten Massen zu reduzieren.
Zudem verfügt mein Testwagen der S-Version serienmäßig über ein stufenlos geregeltes Dämpfersystem. 100-mal in der Sekunde überwacht der Computer die Gier-, Nick- und Rollbewegungen der Karosserie. Gleich 500-mal pro Sekunde fragt das System die Lenkimpulse ab, um mit diesen Daten die Dämpferraten der Stoßdämpfer dynamisch anzupassen.
Der Aufwand hat sich gelohnt
Denn schon im Standardprogramm fährt sich der Jaguar F-TYPE wie sich ein Sportwagen fahren soll. Mit dem sogenannten Dynamik-Programm kann der Pilot ein noch sportlicheres Setup wählen. Der Jaguar federt jetzt härter. Die Servounterstützung der Lenkung ist reduziert, dafür setzt der F-Type im Dynamik-Modus Gaspedalbewegungen direkter um. Und die Gangwechsel des abgestuften Achtstufen-Automatikgetriebe erfolgen schneller sowie bei höheren Drehzahlen als vorher.
Neu – für Jaguar-Kunden – ist, dass das Dynamik-Programm frei konfigurierbar ist. Wer will, kann das Gaspedal auf „sportlich“ stellen, gleichzeitig die Dämpfer im Normalmodus belassen. Als Gag zeichnet der Bord-Computer des Jaguars Informationen zur Motorlast und dem Bremsdruck sowie zu den erreichten Querbeschleunigungen auf. Zugeben ein Feature, das mehr nach dem Playstation-Sportwagen Nissan GT-R als nach einem britischen Sportwagen klingt, aber trotzdem einen gewissen Reiz hat.
Der Jaguar in freier Wildbahn
Im Anschluss an das Kennenlernen in der Gruppe geht es allein mit dem Jaguar auf die Landstraße. Auf der Suche nach einem geeigneten Fotoplatz überzeugt erneut die direkte Lenkung. Denn sie sorgt dafür, dass sich der Jaguar F-TYPE im Alltag auf kleiner Fläche einzügig wenden lässt. Der 4,47 Meter lange Sportwagen glänzt mit einem Wendekreis von 10,66 Metern. Ein Mercedes SL 350 benötigt in dieser Disziplin 11,04 Meter.
Wie schon im Slalom-Parcours erweist sich auch im Alltag das in der S-Version serienmäßige mechanische Sperrdifferential als hilfreich. Dank dieses Extras, das dem Einsteigermodell mit 340 PS fehlt, kommt die Kraft des aufgeladenen 3.0 Liter V6-Motors auch dann sicher auf die Straße, wenn aus einer engen Kurve herausbeschleunigt wird.
Die Durchzugskraft des 380 PS starken aufgeladenen 3.0 Liter V6 reicht in allen Lebenslagen mehr als aus. Beim Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 vergehen mit dem 380 PS starken Jaguar weniger als fünf Sekunden. Dies gelingt dank der im F-TYPE S serienmäßigen dynamischen „Launch-Control“ sogar ungeübten Fahrern. In der freien Wildbahn der Landstraße oder der Autobahn ist der Zwischensprint von Tempo 80 auf Tempo 120 viel interessanter. Ihn bewältigt der F-TYPE S in 3,1 Sekunden. Das macht jeden Überholvorgang zu einem echten Vergnügen.
Konzertstunde mit Klappe
Auch wenn es während meiner Tour leider immer wieder leicht zu regnen beginnt, cruise ich bevorzugt offen durch den Odenwald. So dringt der wunderbare Sound des Motors ungefiltert bis zum Fahrersitz vor. Verantwortlich für den Sound ist neben dem V6-Kompressor-Motor, den ich in einem zweiten Artikel noch genauer vorstellen werde, das aktive Auspuffsystem.
Ein weiteres Extra übrigens, das das S-Modell ebenfalls vom schwächeren Basismodell unterscheidet. Oberhalb von 3.000 U/min wird der Weg der Abgase in Auspuffstrang durch eine Klappe verkürzt. Dadurch tritt der Klang des Motors deutlich ungedämpfter ins Freie. Das mag nicht jedermanns Fall sein, gefällt mir auf meiner Tour über die Siegfriedstraße jedoch ausgesprochen gut.
Bei einem Fotostopp am Siegfriedbrunnen in Grasellenbach teste ich mit dem Jaguar ungewollt die Publikumsreaktion. Während ich den F-TYPE S ins rechte Licht rückte, passiert ein Wanderer den Parkplatz. Empört raunt mir dieser zu: „So profane Fotos an diesem heiligen Ort. Sie sollten sich schämen“.
Mein Einwand, dass das zum Glück jeder für sich selbst beurteilen müsse, interessiert ihn nicht. Der Wanderer verschwindet im düsteren Wald und lässt mich verstört zurück. Ich fange mich, als ich wieder am Lenkrad des Sportwagens sitze. Beim Verlassen des Parkplatzes öffnen ich die Auspuffklappen und grüße den Wandersmann mit einigen kräftigen Gasstößen.
Auf dem Rückweg zum Flugplatz genieße ich das Fahren im Jaguar F-TYPE in vollen Zügen. Vor ein paar Wochen habe ich gefragt, ob der Jaguar F-TYPE ein echter Nachfolger des E-Type sei. Nach diesem Nachmittag kann, nein muss, ich diese Frage mit einem eindeutigen „JA!“ beantworten.
Mit dem F-TYPE hat Jaguar einen beeindruckenden Sportwagen auf die Räder gestellt. Der Neuling hat alle Anlagen, die mehr als 75-jährige große Tradition der sportlichen Zweisitzer aus Coventry erfolgreich fortzusetzen.
Zu einem Preis von 84.900 Euro will Jaguar den F-TYPE S an den Mann oder die Frau bringen. Damit liegt Jaguar preislich unter den Wettbewerbern. Rein von den Fahrleistungen her betrachtet gibt es für diese Bescheidenheit keinen Grund. Ab dem 25. Mai können Sie sich bei Ihrem Jaguar-Händler selbst davon überzeugen.