Von Zeit zu Zeit stellen wir hier Bücher vor, die im Bücherschrank eines Motorsport-Freunds nicht fehlen dürfen. Bisher wählten wir dafür meist Neuerscheinungen aus. Doch Perlen wie „Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ von Helmut Zwickl sind zeitlos.
Wer wissen will, wie es früher im Motorsport zu ging, der greift gerne zu zeitgenössischen Büchern. „Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ hat dabei das Zeug zum Universallexikon. Denn bereits 1972 veröffentlichte Autor Helmut Zwickl diesen Klassiker, der heute ein literarischer Oldtimer ist. Das Buch ist bis heute lesenswert. Denn auf 138 Seiten stellt einer der bis heute besten deutschsprachigen Motorsportjournalisten 19 Formel 1-Piloten und ihren Werdegang ausführlich vor. Dazu zählen Chris Amon und Mario Andretti, Mike Hailwood und Graham Hill, Jackie Stewart, Rolf Stommelen und John Surtees. Autor Zwickl würdigt damit einige der wichtigsten Piloten der damaligen Zeit.
Uns ermöglicht das Buch heute das Eintauchen in eine längst vergangene Ära des Motorsports. Flüssig und gut geschrieben erfahren wir, wie Zwickl 1972 über die Piloten dachte. Daneben finden wir zahlreiche Hintergrundinformationen über ihre Werdegänge. Das ist besser als jeder moderne Wikipedia-Artikel. Denn bei dem Einen oder Anderen ging die Karriere ja noch (deutlich) über dieses Jahr hinaus. Und das, was noch kam, prägt – wie bei Mario Andretti – heute unseren Blick auf den jeweiligen Piloten. Zwickels ist „Stand 1972“ und enthält somit auch Hoffnungen und Erwartungen, die sich nicht immer erfüllen ließen.
„Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ enthält unbekannte Details zur Karriere von François Cevert
Helmut Zwickl beweist in seinen Texten Nähe zu den Piloten und verliert dabei trotzdem die Distanz nicht. Dieser Stil zeichnet den Österreicher übrigens bis heute aus. Über François Cevert, der 1973 in Watkins Glen tödlich verunglückte, liefert Zwickl Karrieredetails, die heute niemand mehr kennt. Denn der Franzose hätte vielleicht schon einige Jahre früher den internationalen Motorsport aufmischen können. Doch sein einflussreicher Vater Charles Goldenberg verhinderte die Nominierung seines Sohnes in den Nachwuchskader des vornehmen Pariser Argosy-Clubs.
Denn 1964 verteilten Radio Europa und Ford Frankreich an interessierte französische Klubs 20 Lotus Seven. Die Klubs schickten die Rennwagen mit Nachwuchspiloten ins Rennen. Zwickl berichtet, dass der Pariser Klub abwechselnd Henri Pescarolo und François Cevert die Rennen bestreiten lassen wollte. Doch irgendwie bekam Ceverts Vater, der ein bekannter Pariser Juwelier war, von der Sache Wind und verhinderte den Start seines Sohns. So stieg Cevert erst zwei Jahre später – nach dem Ende seines im deutschen Weingarten abgeleisteten – Wehrdiensts in den Motorsport ein.
Helmut Zwickl zeigt, Geschichte wiederholt sich!
Wer den Abschnitt über Jean-Pierre Beltoise liest, der erkennt, dass sich Geschichte manchmal wiederholt. Denn ähnlich wie später Alessandro Nannini, Alessandro Zandardi oder Robert Kubica zog sich auch der Franzose bei einem Unfall schwere Verletzungen an einem Arm und einem Bein zu. Der Franzose, der übrigens mit der älteren Schwester von François Cevert verheiratet war, verunglückte 1964 am Steuer eines 1,3 Liter Coupé von René Bonnet beim 12-Stunden-Rennen für Sportwagen in Reims. Beltoise litt bis zum Lebensende unter den Einschränkungen, die er sich bei diesem Unfall zuzog.
Doch genauso wie später Nannin oder in der jüngeren Vergangenheit Kubica arbeitete auch Beltoise beharrlich am Comeback. Und wie Robert Kubica, der 2019 bei Williams nach neun Jahren Pause in den Grand Prix-Sport zurückkehrte, schaffte es auch Beltoise später trotz seiner Behinderung bis in die Königsklasse. Kurzum, das Buch „Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ ist auch heute noch wert, gelesen zu werden. Es sollte aus meiner Sicht im Bücherschrank des Motorsport-Freunds nicht fehlen. Im Internet kostet es heute rund 20€ – sofern „Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ denn zu finden ist!
Helmut Zwickl – Grand Prix Piloten - Ihr Weg nach obenUeberreuter, Wien, 1972 - 138 Seiten. Zu bekommen zum Beispiel über Amazon (Werbung).
Christopher Seidel
8. September 2020Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen