von Tom Schwede am 17.05.2025

Baird Griffon: Ein nordirisches Fabelwesen für die Formel 1 und die Formel 2

Unsere Bilddatenbank umfasst inzwischen mehr als 150.000 Aufnahmen. In diesem Bildermeer stieß ich plötzlich auf einen eigenwilligen Motor und den dazu gehörigen ebenso eigenwilligen Rennwagen. Der Name dieses Unikats: Baird Griffon. Meine Neugier war geweckt – und ich folgte seiner Spur zu einem kuriosen Rennwagen und einer tragischen Geschichte.

Baird Griffon auf der Techno Classica 2014

Der Baird Griffon – teilweise auch Baird Griffin – war ein seltsames Einzelstück – halb Maserati, halb nordirische Eigenkreation. Hinter dem bizarren Formel 1-Renner verbirgt sich die Geschichte eines leidenschaftlichen Gentleman-Drivers. (Foto: Tom Schwede)

Denn der Rennwagen, den ich 2014 auf der Techno Classica in Essen fotografierte, war der Baird Griffon – gebaut von Bobby Baird und Dennis Griffin. Der Erstgenannte war der Erbe des nordirischen Druck- und Verlagshauses „The Belfast Telegraph“. Schon in seiner Jugend interessierte sich Baird, Jahrgang 1912, für Motorsport. Als Baird endlich alt genug war, um selbst Rennen zu fahren, entwickelte er sich zu einem leidenschaftlichen Amateur-Rennfahrer.

Sein Vater verweigerte Bobby Baird den Kauf eines neuen Rennwagens!

Doch der Wunsch, ein Auto für die damals bei Herrenfahrern beliebte Voiturette-Klasse zu erwerben, blieb unerfüllt. Der Vater wollte von der Idee nichts wissen – ein neuer Rennwagen kam nicht infrage. So erwarb Baird gebrauchte Sport- und Rennwagen, baute diese um und fuhr beispielsweise mit einem Brooklands Riley oder einem R-Typ MG Rennen. Im Laufe der Zeit baute Bobby Baird so eine beachtliche Sammlung gebrauchter Fahrzeuge auf.

Mit Hilfe seiner Mechaniker versuchte Baird, diese stetig zu verbessern. Nicht immer mit Erfolg. Im Gegenteil, diese Aktivitäten brachten ihm – nicht ganz zu Unrecht – den Ruf ein, ein Zerstörer ordentlicher Autos zu sein. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg fuhr Bobby Baird eine MG K3 Magnette, wobei diese nach den Modifikationen des Nordiren kaum noch als solche wiederzuerkennen war. Und schneller wurde der MG nach dem Umbau auch nicht.

1952 hatte Bobby Baird große Pläne!

Auch der Baird Griffon, an dessen Foto ich hängenblieb, stammt aus dieser Epoche seiner Motorsport-Karriere. Das Einzelstück baute der Ingenieur Dennis Griffin auf Basis eines Maserati 4CLT aus dem Bestand von Prinz Bira – einem thailändischen Automobilrennfahrer. Dennis Griffin war Motorspezialist in Dublin und baute den Maserati-Motor um. Dabei entstanden ein modifizierter Motorblock, ein geändertes Kurbelgehäuse sowie eine neue Kurbelwelle und neue Pleuel.

Der Motor des Baird Griffon

Über das Foto dieses Motors stolperte ich in unser Bilddatenbank. Dennis Griffin baute das Triebwerk auf Basis des Triebwerks des Maserati 4CLT.

Zwei unterschiedliche Motoren entstanden, um flexibel auf Ausschreibungen der Veranstalter reagieren zu können. Bobby Baird plante, je nach Bedarf, mit einem zwei Liter großen Saugmotor (passend zur Formel 2) oder mit einem 1,5 Liter großen Kompressormotor (entsprechend der Formel 1) zu starten. Auch Rahmen und Chassis modifizierten die Nordiren. Ihre Vorderachse stammte von Simca. An der De-Dion-Hinterachse verbauten sie Drehstäbe von Morris – ein kreativer Mix Garagenkunst.

Debüt Ostermontag 1952 in Goodwood – Baird Griffon

Sein Debüt feierte der Wagen 1952 beim Goodwood-Ostermontagsrennen. In der Richmond Trophy trat der Rennwagen in Formel-1-Konfiguration an. In der Startliste stand er als „Baird Griffon“ – benannt nach dem mythischen Fabelwesen der Heraldik, nicht nach Dennis Griffin selbst. Bei weiteren Einsätzen hieß der Rennwagen später „Baird Gryphon“. Den Einsatz in Goodwood beendete der Rennwagen auf einem neunten Platz – eine Runde hinter Sieger José Froilán González im Ferrari 375.

Bei der Ulster Trophy in Dundrod und der Leinster Trophy auf dem Wicklow Circuit sah der Rennwagen nicht die Zielflagge. Im Winter 1952/53 verlor Baird das Interesse an seinem Rennwagen. Denn nach dem Ableben seines Vaters bekam der Rennfahrer uneingeschränkten Zugriff auf das Familienvermögen. Sofort erwarb Bobby Baird mindestens vier leistungsstarke Rennwagen von Ferrari. 1953 startete der Nordire in dem dunkelgrünen Ferrari 500, Chassis #188-F2, den zuvor Roy Salvadori fuhr.

Ferrari statt Eigenbau – und endlich Erfolg?

Mit den neuen Rennwagen besserten sich die Ergebnisse. Bei der Ulster Trophy und der Snetterton Coronation Trophy – beides Formel-2-Rennen – gelangen Baird 1953 zwei dritte Plätze. Neben dem Formel-2-Rennwagen aus Maranello erwarb der Nordire auch einen Ferrari 340 MM Barchetta Touring, Chassis #0294AM, mit 4,1 Liter großem V12-Motor. Mit ihm fuhr der Rennfahrer aus Belfast im Rahmenprogramm der Snetterton Coronation Trophy bei den Sportwagen auf einen zweiten Platz.

Schutzschreibe am Cockpit des Baird Griffon

In der Literatur heißt der Baird Griffon heute teilweise auch Baird Griffin – nach seinen Erbauern. Doch zu seiner aktiven Zeit war davon nicht die Rede. Damals hießt der Rennwagen teilweise auch Baird Gryphon.

Interessant ist, dass der Nordire seine Autos damals unter der Bewerbung von S.A.I.P.A.-Modena von Nando Righetti bei den Rennen einsetzte. Righettis Geschäftsmodell war, die Rennwagen internationaler Piloten in Italien zu registrieren. Das umging sowohl Exportbeschränkungen als auch Einfuhrzölle und ist ein gutes Beispiel dafür, wie Motorsport damals funktionierte. Nach den Erfolgen in Snetterton kehrte Bobby Baird zwei Monate später optimistisch an die Strecke in Norfolk zurück.

Der tragische Unfall von Snetterton!

Bei der „United States Air Force Trophy 1953“ wollte der Nordire ebenfalls mit seinem Formel-2-Rennwagen als auch seinem Sportwagen starten. Doch im Training der Sportwagen kam sein roter Ferrari 340 MM Barchetta Touring von der Strecke ab. Dabei grub sich ein Rad im losen Untergrund ein. Das hebelte den Ferrari aus. Der Rennwagen überschlug sich. Baird befreite sich – scheinbar unverletzt. „Alles gut“, sagte er dem Rennarzt, „Ich benötige keine Hilfe“. Doch in der Box kollabierte Bobby Baird.

Eine bei dem Überschlag gebrochene Rippe hatte ein inneres Organ verletzt – unbemerkt und tödlich. Der Tod kam plötzlich und unerwartet. Bobby Baird ließ seine junge Familie zurück, die anschließend noch einen weiteren Rückschlag verarbeiten musste. Denn die Verwandten Baird wollten Witwe und Sohn vom Erbe ausschließen. Erst 1961 sprach ihnen ein Gericht den „Belfast Evening Telegraph“, den sie sofort an Roy Thomson verkauften, zu.


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