von Tom Schwede am 15.07.2025

Geoff Lees – Big in Japan!

In Europa ist Geoff Lees heute kaum mehr als eine Fußnote der Motorsportgeschichte. Einer von vielen, die es zwar in die Formel 1 schafften, dort aber kaum Spuren hinterließen. Doch wer Geoff Lees allein auf ein paar erfolglose Grand Prix reduziert, verpasst die eigentliche Geschichte: die eines britischen Rennfahrers, der sein Glück jenseits des Rampenlichts fand. In Japan gilt Lees heute als Legende.

Geoff Lees, Macao 1981

Geoff Lees scheiterte in der Königsklasse. Doch zahlreiche Meisterschaftserfolge in aller Welt belegen, dass sich der Brite in der Formel 1 unter Wert schlug. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Wer nur zehn Kilometer von einer Rennstrecke aufwächst, der kann sich vermutlich nur schwer dem Rennvirus entziehen. Zumindest Geoffrey Thompson „Geoff“ Lees gelang dies nicht. Der Brite, Jahrgang 1951, wuchs in unmittelbarer Nähe der Rennstrecke von Mallory Park auf. Auf der etwas verschlafen wirkenden Rennstrecke in Leicestershire waren in den 1960er- und 1970er-Jahren praktisch alle britischen Motorsportmeisterschaften regelmäßig zu Gast. Und Geoff Lees gehörte zu den Gästen, die dabei am Streckenrand standen. Irgendwann reifte bei dem Besucher der Entschluss: Das will ich auch!

Aller Anfang ist schwer – und teuer!

Nach dem Abschluss der Schule schuf Lees mit einer Ausbildung als Automechaniker dafür die Grundlage. Von der Ausbildungsvergütung und den ersten richtigen Gehältern sparte Lees alles, was entbehrlich schien. Mit Erfolg, denn mit 20 Jahren reichte das Ersparte, um einen Formel-Ford zu kaufen und an den Start zu bringen. Doch schon nach einer Saison war das Budget erschöpft. Die Karriere stand auf der Kippe. 1972 und 1973 nahm Geoff Lees nur an vereinzelten Läufen teil. Erst 1974 war wieder genug Geld im Spartopf, um eine ganze Saison zu bestreiten.

Die 1970er-Jahre waren in Großbritannien gute Zeiten für angehende Rennfahrer. Denn damals organisierten der British Automobile Racing Club (BARC), der British Racing Drivers' Club (BRDC) sowie der British Racing and Sports Car Club jeweils eigene Meisterschaften. Das führte zeitweise dazu, dass es praktisch in allen wichtigen Nachwuchsklassen drei parallele Meisterschaften gab. Ab 1972 konnten Formel Ford-Piloten ihre Rennwagen in der BARC-Championship, in der BRDC-Championship und in der MCD/BRSCC-Championship einsetzen.

1975 war Geoff Lees der Dominator der Formel Ford 1600

Das tat auch Geoff Lees und gewann im Mai 1974 in Silverstone erstmals ein BARC-Rennen. Damit war der Knoten offensichtlich geplatzt. Zwei BRDC-Siege im Juni und Oktober festigten seinen Ruf. Und waren das Vorspiel zur Saison 1975, in der Geoff Lees alle drei Formel-Ford-1600-Meisterschaften für sich entscheiden sollte. Auf dem Weg dahin gewann der Brite in der Meisterschaft des MCD/BRSCC acht Läufe, triumphierte fünfmal beim BARC und zweimal beim BRDC. Dazu gewann Lees im November das „Formel Ford Festival“, das 1975 letztmals in Snetterton stattfand.

Geoff Lees in der CanAm

Auch in der CanAM war Geoff Lees am Start, fuhr 1978 und 1979 für das Spitzenteam VDS Racing einen Lola T333CS. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Damit unterstrich Geoff Lees seine dominierende Rolle in der Formel Ford. Diese Erfolge öffneten Geoff Lees zuvor verschlossene Türen. 1976 trat Lees in der Formel 3 an. Dort schloss der Brite die Meisterschaften des BRDC sowie des BARC jeweils als Dritter ab. Das war für einen Neueinsteiger in der Formel 3 ein gutes Ergebnis. Insbesondere, da Lees in beiden Meisterschaften je einen Sieg einfahren konnte. Deshalb war es ein Dämpfer, als Lees 1977 in beiden Meisterschaften zurückfiel. Denn am Jahresende standen nur die Plätze Vier (BARC) und Zehn (BRDC) in der Vita des Nachwuchsrennfahrers.

Die Folge ist der Aufstieg in Königsklasse

In der Formel 3 fuhr Geoff Lees mit Motoren von Toyota. Es war der erste Kontakt des Rennfahrers aus Warwickshire mit dem japanischen Autobauer. Niemand konnte ahnen, wie eng die kommende Karriere des Briten mit Japan verbunden sein sollte. Doch zunächst setzte Lees seine Karriere in der 1978 erstmals ausgetragenen Aurora AFX Championship, der britischen Forme -1-Meisterschaft, fort. Für Mario Deliotti, einem Alfa-Romeo-Händler aus Birmingham, steuerte Lees dessen Ensign N175, gewann mit diesem Boliden sein Heimspiel in Mallory Park.

Dieser Erfolg öffnete die nächsten Türen. March bot Geoff Lees an, in Donington einen Lauf der Formel 2-Europameisterschaft zu fahren. Doch ein Unfall beim Start beendete dieses Abenteuer früh. Trotzdem nahm Geoff Lees nur drei Wochen später erstmals an einem Formel 1-Grand Prix teil. Allerdings konnte sich Lees dabei in Silverstone mit dem inzwischen drei Jahre alten Ensign nicht qualifizieren. Anschließend fuhr der Brite, was ihm angeboten wurde, bestritt noch 1978 mit einem Hesketh und einem March zwei Läufe der Aurora AFX Championship, fuhr dazu mit einem Chevron vier Läufe der Formel 2-Europameisterschaft.

In der Formel 1 war die Luft dünn!

Dazu kam der erste Lauf in der CanAm-Serie, die damals viele europäische Piloten mit ihren immer noch satten Preisgeldtöpfen nach Amerika lockte. Mit einem fünften Platz beim Debüt unterstrich Lees auch hier sein Potenzial. Deshalb nahm VDS Racing den Briten für 1979 fest unter Vertrag. Und als Ken Tyrrell beim Großen Preis von Deutschland den erkrankten Jean-Pierre Jarier ersetzen musste, erhielt Geoff Lees wieder eine Chance in der Königsklasse. Diesmal gelang der Sprung ins Startfeld. Als Siebter verpasste der Debütant einen WM-Punkt nur knapp. Trotzdem galt Geoff Lees jetzt als Pilot, dem man ein Formel-1-Auto anvertrauen kann.

Doch die erreichbaren Cockpits in der Königsklasse kosteten damals meist Geld. So fand Lees 1980 nur bei Shadow ein Formel 1-Cockpit. Doch vom einstigen Glanz war bei Shadow inzwischen kaum etwas übrig. Den Verlust wichtiger Mitarbeiter und des Sponsors, die sich mit Arrows selbstständig machten, konnte Teamchef Don Nichols nicht kompensieren. Lees erhielt das Cockpit, nachdem Stefan Johansson zweimal an der Qualifikationshürde scheiterte. Und tatsächlich, der Brite konnte den Shadow DN11 auf Anhieb qualifizieren. Doch anschließend scheiterte auch Lees dreimal an der Qualifikationshürde.

Ein Schritt zurück, ein Schritt vor …

Don Nichols fusionierte sein Team mit Theodore von Teddy Yip. Doch auch das verlängerte nur das Sterben. Nach dem Großen Preis von Frankreich war Shadow pleite. Lees wechselte zu Ensign, doch auch dort reichte das Budget nur für zwei Einsätze in einem zweiten Rennwagen. Die Überseerennen bestritt allein Jan Lammers. Bei RAM Racing ergab sich beim Rennen in Watkins Glen die nächste Chance. Doch mit dem Williams FW07B von RAM misslang erneut der Sprung ins Rennen. Geoff Lees erkannte, dass die Nicht-Qualifikationen seinem Ruf schadeten.

Geoff Lees in Macao

Für Theodore Racing gewann Geoff Lees zweimal in Macao – damals ausgetragen nach den Regeln der Formel Atlantic. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Da half auch nicht, dass Lees 1979 und 1980 den Macau Grand Prix gewann. So nahm der Brite das Angebot von Ron Tauranac an, für Ralt die Formel 2-EM zu fahren. Das zahlte sich aus. Denn mit einer starken zweiten Saisonhälfte sicherte sich Geoff Lees 1981 den Titel des Formel 2-Europameisters. Das brachte den Briten noch zweimal als Ersatzfahrer für ausfallende Piloten in die Königsklasse zurück. 1982 ersetzte Lees in Kanada bei Theodore Racing einmal Jan Lammers. Und bei Lotus sprang Lees in Frankreich in Kanada für den verletzten Nigel Mansell ein. Dann war die Grand-Prix-Karriere von Geoff Lees beendet.

Ein neuer Anfang – und eine neue Heimat

Trotz der beiden Grand Prix war 1982 ein schwieriges Jahr für Geoff Lees. Das Programm bei Nimrod scheiterte an der technischen Unzuverlässigkeit des Gruppe C-Boliden. Deshalb galt Geoff Lees in Europa inzwischen als praktisch gescheitert. Doch dem Briten gelang es, in Japan Fuß zu fassen. 1983 sicherte sich Geoff Lees die japanische Formel 2-Meisterschaft, trat daneben in der „Fuji Grand Champion Series“ an. Diese Meisterschaft orientierte sich mit ihren verkleideten Formel-Rennwagen an der zweiten Generation der CanAm.

Und da sein Formel 2-Team Ikuzawa auch einen Tom’s 83C Toyota besaß, trat Geoff Lees in Fuji in der Sportwagen-Weltmeisterschaft an. Auch 1984 blieb Lees in Japan, fuhr dort erneut die nationale Formel 2-Meisterschaft, konnte den Titel jedoch nicht verteidigen. 1985 erhielt sein neues Team „Advan Sports Speed Box Motor Sports“ den Yamaha OX66, den letzten neuen Formel 2-Motor für deren Zwei-Liter-Epoche. Denn in Japan galt das Zwei-Liter-Reglement noch bis einschließlich 1986. Parallel dazu gewann Lees mit diesem Triebwerk 1986 die „Fuji Grand Champion Series“.

Geoff Lees wurde ein britischer Samurai!

Als 1987 auch Japan die Formel 3000 übernahm, fuhr auch Geoff Lees in dieser Meisterschaft. Dort zeigte sich, dass der Brite damals in Japan wohl der schnellste Pilot war. Denn sieben der neun Läufe nahm Lees vom besten Startplatz in Angriff. Doch daraus ergab sich nur ein Sieg. So beendete der Brite die neue Meisterschaft „nur“ auf dem dritten Platz – wie im Vorjahr die letzte japanische Formel 2-Meisterschaft. Inzwischen galt Lees in Japan als erfahrener und verlässlicher Fahrer. Das verschaffte dem Briten nun regelmäßig gut bezahlte Sportwagen-Einsätze.

Le Mans 1992

1992 trat Geoff Lees als Toyota-Werksfahrer in Le Mans an. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Wo in Japan ein Gruppe C von Toyota startete, dann saß meist Geoff Lees im Cockpit. Vom Dome 85C über den TOM’s 86C bis zum Toyota TS010 und dem GT-One ging die Reise des Briten. Denn in diesen Jahren galt: Wenn ein Toyota in Le Mans antrat, dann gehört Geoff Lees zum Fahrerkader. Dazu kamen weitere Einsätze in der „All Japan Sports Prototype Championship“. Dort durfte Lees immerhin sechs Toyota-Erfolge feiern. Dazu kam 1992 der Sieg beim Lauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft in Monza an der Seite von Hitoshi Ogawa. Mit diesen Erfolgen untermauerte Geoff Lees in Japan seinen guten Ruf.

Nach dem Abschied vom Fernen Osten ging es im Sportwagen weiter – bis 2000!

Trotzdem neigte sich die Zeit in Japan Anfang der 1990er-Jahre langsam dem Ende zu. Denn im Monoposto war der Brite nicht mehr konkurrenzfähig. Dann brach die japanische Sportwagen-Szene brach nach dem Ende der Gruppe C zusammen. So kehrte Geoff Lees nach Europa zurück, fuhr hier von 1995 bis 1997 regelmäßig für Lister. Doch als Toyota 1998 mit dem GT-One in Le Mans antrat, gehörte Lees nochmals zum Team der Japaner. Im neuen Jahrtausend klang seine Karriere langsam aus. 2000 trat Lees mit einem privaten BMW V12 LM noch einmal in Le Mans an.

Auch in der „All Japan Grand Touring Car Championship“ startete Lees ein letztes Mal, bevor er seine erfolgreiche Karriere beendete. Sie zeigt, dass Erfolg nicht immer dort geschieht, wo die größte Bühne steht. Er vollzieht sich dort, wo ein Fahrer genau das mitbringt, was gefragt ist: Erfahrung, Präzision, Geduld, Geschwindigkeit und ein Gespür für das große Ganze. Wer also das nächste Mal im Archiv auf einen Namen wie Geoff Lees stößt und denkt: „Ach, der hat ja in der Formel 1 nichts gerissen“, sollte besser zweimal hinschauen. Und vielleicht nachlesen, was in Fuji, Suzuka oder Sugo los war. Denn Geoff Lees wurde in Japan mehr als nur ein schneller Mann, der Brite wurde zum Gesicht einer Ära.


Die Titel von Geoff Lees im Überblick:

  • 1975 BRDC-Championship (Royale RP21 – Formula Ford 1600)
  • 1975 BARC-Championship (Royale RP21 – Formula Ford 1600)
  • 1975 MCD/BRSCC-Championship (Royale RP21 – Formula Ford 1600)
  • 1975 Gewinner des Formula Ford Festival, Snetterton (Royale RP21 – Formel Ford 1600)
  • 1979 Sieger des Macau Grand Prix (Ralt RT1/75Ford BDA Smith – Formula Atlantic)
  • 1980 Sieger des Macau Grand Prix (Ralt RT1/75Ford BDA Smith – Formula Atlantic)
  • 1981 Formel 2-Europameister (Ralt Racing Ralt RH6/81)
  • 1983 All-Japan Formula 2 Championship (Team Ikuzawa Spirit-Honda und Team Ikuzawa March-Honda)
  • 1986 Fuji Grand Champion Series (Mooncraft Special MCS 7 Yamaha – Sportwagen)

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