Schöner scheitern – Ford P68 und die Frage: Was hätte sein können?
Schönheit schützt vor Misserfolg nicht. Der Ford P68 sah aus wie ein Raumschiff auf Rädern – aber leider benahm er sich auch so. Wer ihn fuhr, konnte die Rennen meist nicht beenden.
Es gibt Rennwagen, die auf den ersten Blick alles mitbringen: atemberaubendes Design, modernste Technik und die volle Rückendeckung ihres Herstellers. Der Ford P68 – auch bekannt als Ford 3L GT oder F3L – ist genau so ein Fall. Dieser flache, elegante Keil aus Aluminium und Plexiglas wirkte bei seinem Debüt im April 1968 wie aus der Zukunft gefallen. Und doch erzählt der Rennwagen am Ende eine der großen Geschichten des Scheiterns im Motorsport.
Ford gewann 1966 und 1967 mit den 24 Stunden von Le Mans das wichtigste Langstreckenrennen der Welt. Doch das Tempo, das der Ford GT40 mit seinem sieben Liter großen Motor anschlug, beunruhigte die Regelhüter. So änderten sie kurzfristig die Regeln und beschnitten die Sportprototypen. Die Rennwagen ohne Bezug zur Serie durften schon ab 1968 nur noch mit maximal drei Liter großen Motoren rennen. Während Ferrari schmollte und den 330 P nicht sofort ersetzte, wollte Ford – trotz des Rückzugs des GT40 – weiter im Langstreckensport mitmischen.
Hoffnungsträger mit Formel-1-Herz
Der amerikanische Autoriese unterstützte Alan Mann Racing (AMR) beim Bau des passenden Sportwagens. Das britische Team arbeitete schon seit einigen Jahren erfolgreich mit Ford zusammen. Es gewann 1964 mit dem damals brandneuen Ford Mustang die Tourenwagen-Wertung der legendären Tour de France Automobile. Ein Jahr später half AMR dabei, mit der Shelby Cobra die Division 3 für Fahrzeuge über zwei Liter der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1965 zu gewinnen.
Das Team setzte die Ford Cortina Lotus in der Tourenwagen-EM ein, die John Whitmore zum Titelgewinn verhalf. Anschließend wirkte AMR am Le-Mans-Programm mit dem Ford GT40 mit, setzte 1966 an der Sarthe zwei der Sportwagen ein. 1967 gewann Frank Gardner mit einem von Alan Mann Racing eingesetzten Ford Falcon die britische Tourenwagen-Meisterschaft. Daneben entstanden in der Werkstatt des Teams Filmfahrzeuge. Dazu zählten „Chitty Chitty Bang Bang“ oder auch James Bonds Aston Martin aus Goldfinger.
Neue Regeln, neues Auto
Die neuen Regeln für Gruppe 6-Prototypen waren einfach: drei Liter Hubraum, kein Mindestgewicht – das klang wie geschaffen für einen neuen, leichten und schnellen Herausforderer. Die Wahl des Motors fiel auf den Cosworth DFV, jenes legendäre Formel-1-Aggregat, das Lotus schon beim Debüt zum Sieg trug und das später zur Standardmotorisierung mehrerer Generationen von Formel 1-Boliden wurde. Rund 420 PS bei drei Litern Hubraum – das klang auf dem Papier fantastisch.
Zumal der Motor – wie in der Formel 1 – als tragendes Element im Chassis saß. Formal war der neue Sportwagen von Ford damit gut gerüstet. Doch der DFV hatte ein Problem: Er war nicht für die Dauerbelastung eines 1000-Kilometer-Rennens gebaut. In der Formel 1 war nach zwei Stunden Schluss – auf der Langstrecke war jedoch Ausdauer gefragt. Schon bald zeigte sich, der Motor lief heiß, vibrierte – und hielt selten bis ins Ziel. Die fehlende Standfestigkeit war ein erstes Fragezeichen hinter dem ansonsten vielversprechenden Projekt.
Ford P68: Schön, schnell – und gefährlich instabil
Noch auffälliger als der Motor war allerdings das Design. Der Ford P68 wurde von Len Bailey entworfen. Bailey war ein aerodynamisch versierter Ingenieur, der zuvor schon am GT40 mitarbeitete. Zudem entwarf der Brite bereits 1966 den von Alan Mann Racing gebauten Can-Am-Boliden von Holman Moody und leitete für JW Automotive vom GT40 den Mirage M1 ab. Für dem P68 Entwarf Bailey eine der spektakulärsten Karosserien der 1960er-Jahre: flach, unglaublich flach, mit einer glatten Silhouette und einer stark gewölbten Frontscheibe.
Der Wagen sah schnell aus – selbst im Stand. Im Windkanal überzeugte der neue Rennwagen mit einem Widerstandsbeiwert von nur 0,27. Doch was dort gut aussah, das erwies sich auf der Strecke schnell als tückisch. Der Ford P68 war bei Vollgas instabil, neigte dazu, bei hohen Geschwindigkeiten den Bodenkontakt zu verlieren. „Das Ding wollte einfach abheben“, soll ein Fahrer später gesagt haben. Und tatsächlich: Der P68 wurde auf den Geraden so „leicht”, dass sich selbst erfahrene Piloten unwohl fühlten.
Ein Debüt mit Knall – aber ohne Zielankunft
Dabei begann die Rennkarriere des P68 durchaus vielversprechend: Bruce McLaren und Mike Spence qualifizierten den nagelneuen Rennwagen im April 1968 beim BOAC 500 in Brands Hatch auf dem zweiten Startplatz. Entsprechend große Erwartungen begleiteten das Auto – doch die Realität war ernüchternd. Schon nach wenigen Runden musste das Duo mit technischen Problemen aufgeben. Das sollte leider kein Einzelfall bleiben: In jedem seiner Rennen fiel der P68 aus. Mal war es der Motor, mal das Getriebe, mal die Elektrik.
Dazu kamen die Probleme mit der Aerodynamik. Beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring verunglückte Chris Irwin – ausgerechnet am Flugplatz – schwer. Len Bailey und Alan Mann Racing rüsteten seitliche Luftleitbleche nach, die der Rennwagen bis heute trägt. Doch das Vertrauen der Fahrer in den Rennwagen war nur noch eingeschränkt vorhanden. John Surtees weigerte sich, den P68 zu fahren. Trotzdem zeigte Frank Gardner in Spa, was der Rennwagen kann. Denn Gardner fuhr mit dem P68 bei den 1000 km von Spa-Francorchamps auf den besten Startplatz.
Am Ende hieß es: Große Chancen, große Enttäuschung
Doch auch dieses Rennen endete nicht am Zielstrich, sondern mit einem weiteren Ausfall. Der Traum vom Durchbruch war da vermutlich schon verblasst. Auf einen Start bei den 24 Stunden von Le Mans, die 1968 nach politischen Unruhen erst im September stattfanden, verzichteten Ford und Alan Mann Racing. Ford setzte stattdessen auf John Wyer und JW Automotive. Denn der Ford GT40 war – mit einem 4,9-Liter-Motor – inzwischen in der Gruppe 4 homologiert und gewann als „Seriensportwagen“ erneut Le Mans.
Alan Mann gab nicht auf. Für 1969 entstanden zwei Ford P69 – als Coupé und ein Spyder – mit zusätzlichem Flügelwerk. Doch auch der Versuch, dem Auto so mehr Abtrieb und damit Fahrbarkeit zu verleihen, scheiterte. Die Piloten trauten dem Auto weiterhin nicht, die Technik blieb anfällig. Dazu verlor Hauptsponsor Ford endgültig das Interesse. Die ambitionierte Idee, mit einem 3-Liter-Prototypen die europäische Konkurrenz zu jagen, war vorerst Geschichte.
Von der Evolutionsstufe P69 zur endgültigen Stilllegung
Stattdessen setzte Ford auch 1969 wieder auf bewährte Konzepte – JW Automotive holte mit dem GT40 dessen vierten Le-Mans-Sieg. Der Ford P68 blieb eine Fußnote – wenn auch eine, die viel über die Spannung zwischen Technik und Realität erzählt. Der P68 ist das, was passiert, wenn Ingenieurskunst die Bodenhaftung verliert. Ähnlich wie der Matra MS640 war er ein Auto, das schneller war als die Zeit, in der es entstand – und das daran zerbrach. Er bewegte sich in einem Spannungsfeld, das zunächst auch beim Porsche 917 für Probleme sorgen sollte.
So bleibt die Frage, was aus dem P68 hätte werden können, hätten seine Macher mehr Zeit bekommen. Möglicherweise wäre er ein legitimer Nachfolger des GT40 geworden. Vielleicht hätte er auch den DFV-Motor auf der Langstrecke legendär gemacht. Doch das bleibt Spekulation. Was bleibt, ist ein faszinierendes Stück Motorsportgeschichte – ein Auto, das alles sein wollte, am Ende aber vor allem für eines berühmt wurde: das schönste Scheitern der Sechziger.
Alle Renneinsätze des Ford P68 und des Ford P69:
- Am 7. April 1968: BOAC 500 mit Bruce McLaren und Mike Spence – Ausfall nach einem Schaden an der Antriebswelle
- Am 7. April 1968: BOAC 500 mit Jochen Rindt und Mike Spence – Startverzicht nach einem Motorschaden im Training
- Am 19. Mai 1968: 1.000km-Rennen am Nürburgring mit Frank Gardner und Richard Attwood – Ausfall nach Bremsproblemen
- Am 19. Mai 1968: 1.000km-Rennen am Nürburgring mit Chris Irwin und Pedro Rodriguez – Startverzicht nach einem Unfall von Irwin im Training
- Am 26. Mai 1968: 1.000km von Spa-Francorchamps mit Frank Gardner und Hubert Hahne – Ausfall nach einem Elektrik-Schaden
- Am 3. Juni 1968: Tourist Trophy in Oulton Park mit Richard Attwood – Ausfall mit einem Schaden am Differential
- Am 27. Juli 1968: Martini Trophy in Silverstone mit Frank Gardner – Ausfall mit Motorschaden
- Am 13. April 1969: BOAC 500 mit Denny Hulme und Frank Gardner – Ausfall nach einem Motorschaden
- Am 13. April 1969: BOAC 500 mit Jack Brabham und Frank Gardner – Startverzicht nach einem Motorschaden im Training – dies war der einzige überlieferte Versuch, den P69 an den Start zu bringen.
- Am 17. Mai 1969: Martini Trophy in Silverstone mit Frank Gardner – Ausfall nach einem Elektrik-Schaden
Wie viele Ford P68 entstanden?
Zwei Chassis entstanden 1968 in der Werkstatt von Alan Mann Racing in West Byfleet, Surrey. Das Chassis #001, das Chris Irwin am Nürburgring zerstörte, wurde von Alan Mann Racing abgeschrieben. Später baute es David Piper wieder auf und setzte es in der von ihm organisierten ISP für historische Sportwagen ein. 1969 entstanden ein weiteres Coupé und ein Spyder. Doch als Ford das Projekt nicht weiter finanzierte, rollten diese ungenutzt in die Vergessenheit.
Gibt es Alan Mann Racing noch?
Alan Mann Racing ist heute eine Marke von Boreham Motorworks. Zusammen brachten Alan Mann Racing und Boreham Motorworks kürzlich die Ford Escort Alan Mann 68 Edition auf den Markt.
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