Porsche LMP 2000: Unvollendete Legende?
von Tom Schwede am 08. Jan 2025Vom Archiv zurück auf die Strecke: Porsche LMP 2000 – warum der legendäre Rennwagen nie in Le Mans fuhr und nun trotzdem ein spektakuläres Comeback feiert.
Das coolste Klassik-Projekt des vergangenen Jahres realisierte Porsche. Denn der Autobauer reaktivierte seinen Porsche LMP 2000. Dieser hätte vor einem Vierteljahrhundert in Le Mans antreten sollen. Doch nach einem Roll-out brach Porsche das Projekt ab. Porsche fehlte damals das Geld, um den Sportwagen einzusetzen – heißt es heute oft. Doch stimmt das eigentlich? Oder gab es andere Gründe, warum der LMP 2000 nie in Le Mans antrat?
Der Porsche LMP 2000 kam über seinen Roll-out nicht hinaus!
Die offizielle Geschichtsschreibung sagt, Porsche war vor 25 Jahren ein Sanierungsfall und konnte sich den LMP 2000 nicht leisten. So sagte der Vorstand das 1998 gestartete Projekt „9R3“ schon im August des folgenden Jahres ab. Allerdings durften die Entwickler den Sportwagen fertigstellen – ein Roll-out auf der Porsche-Teststrecke eingeschlossen. Bob Wollek legte am 2. November 1999 die ersten Meter mit dem Sportwagen zurück. Am nächsten Tag übernahm Allan McNish den Rennwagen für einige Runden auf der 2,88 Kilometer langen Prüfstrecke des Autobauers.
Doch nach nur 78 Kilometern rollte der Porsche LMP 2000 praktisch direkt in die Abstellkammer des Autobauers. Erst 2024 setzte Porsche die „Testarbeit“ mit dem Sportwagen fort. Auf den Tag genau 25 Jahre nach dem Roll-out ging erneut Allan McNish mit dem Sportwagen auf die Strecke. Auch Timo Bernhard, 2017 im Porsche 919 Gesamtsieger in Le Mans, testete den historischen Sportwagen. Im YouTube-Kanal von Porsche gibt es umfangreiche Bewegtbilder vom Test des 900 Kilogramm schweren Sportwagens, der über ein Kohlefaser-Chassis verfügt.
Welche Chancen hätte der Porsche LMP 2000 überhaupt gehabt?
Das zu beantworten, ist natürlich die berühmte Kaffeesatzleserei. Doch versuchen wir es einmal. Porsche gewann 1998 mit dem Porsche 911 GT1 die 24 Stunden von Le Mans. Doch es war klar, dass der Le-Mans-Veranstalter ACO damals die Zukunft bei offenen Prototypen sah. Audi begann im August 1997 sein Entwicklungsprogramm dafür. Mitte 1998 gab der Autobauer seinen Einstieg offiziell bekannt. Damit stand Porsche, wo zeitgleich die Konstruktion des LMP 2000 lief, der finanziellen Macht des VW-Konzerns gegenüber.
1999 blieb Porsche in Le Mans nur die Rolle des Zuschauers. Audi feierte sein Debüt mit einem soliden dritten Platz. Der BMW V12 LMR, dessen Motor von einem Serientriebwerk abstammte, gewann. Es ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichen bei Porsche das Rennen genau analysiert haben. Audi und Toyota traten mit 3,6 Liter großen V8-Turbo-Motoren an. BMW und Mercedes-Benz setzten auf Saugmotoren. Mercedes-Benz spielte keine Rolle, da die Mercedes-Benz CLR nur mit ihren heute legendären Abflügen für Schlagzeilen sorgten.
1999 war der Schlüssel für den Rückzug!
Wer sich den Rennverlauf 1999 ansieht, erkennt, dass der BMW auch deshalb gewann, weil Toyota seinen Speed nicht umsetzen konnte. Zwei Toyota schieden nach Unfällen aus. Den Sieg des Dritten verhinderte ein Reifenschaden. Nur mit viel Glück brachte Ukyō Katayama seinen Toyota GT-One noch als Zweiter ins Ziel. Auch Audi schlug sich achtbar. Das Einsatzteam Joest zog für die Neueinsteiger die Plätze drei und vier an Land. Schon ein Jahr später vollendete Joest – selbst ein langjähriges Porsche-Team – die Mission und gewann für Audi erstmals die 24 Stunden von Le Mans.
Wobei dem Autobauer aus Ingolstadt gleich ein Dreifach-Erfolg gelang. Denn einen echten Herausforderer gab es 2000 in Le Mans nicht mehr. BMW, Mercedes-Benz, Toyota und Nissan stellten ihr Le-Mans-Programm Ende 1999 ein. Porsche verzichtete, brach das Projekt LMP 2000 vor dem ersten Einsatz ab. Und Neueinsteiger Cadillac kam auf keinen grünen Zweig. In Le Mans sprangen nur die Plätze 21 und 22 für den Cadillac Northstar LMP heraus, der auf dem Riley & Scott Mark III basierte. Das Rennen fuhren die Cadillacs nur nach langen Reparaturpausen zu Ende.
Bleibt die Frage: „Turbo oder Saugmotor?“
Ich denke, dass der Rennverlauf 2000 die Verantwortlichen bei Porsche davon überzeugt haben dürfte, ihren LMP 2000 einzumotten. Denn Audi bewies, dass die Entscheidung für das Turbo-Konzept richtig war. Im Buch „Bentley at Le Mans“ von Ian Bamsey gibt es ein ganzes Kapitel zur Entwicklung des Audi-Motors, der den Bentley EXP1 2003 zum Le-Mans-Sieg trieb. Ulrich Baretzky, Audis langjähriger Motorenchef, bezeichnet dabei den Turbo-Motor klar als die beste Wahl. Kleiner, leichter und weniger innere Reibung – all das spricht klar für den Turbo. Denn der Schlüssel zum Erfolg in Le Mans liegt beim Wirkungsgrad des eigenen Motors. Auch da liegt der Turbo klar vor dem Sauger.
Gerade Porsche, wo es 1999 viel Erfahrung mit aufgeladenen Rennmotoren gab, wusste das. Deshalb erfordert es gar nicht so viel Kaffeesatzleserei, dass der Porsche LMP 2000 gegen den Audi R8 wenig Chancen gehabt hätte. 1998 und 1999 hätte der LMP 2000 funktionieren können. Aber 2000 brach in Le Mans ein neues Kapitel an. Und in diesem hätte der Porsche LMP 2000 wohl keine große Rolle spielen können. Zudem das langjährige Einsatzteam, Joest inzwischen für Audi tätig war. Alles zusammen ergibt wohl ein klares Bild. Der Rückzug war nachvollziehbar!
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