Porsche 935 L1: Le Mans, Lola-Front und ein Prototyp mit Porsche-DNA
Porsche-Rennwagen sind meist Sieggaranten. Der Porsche 935 L1 stach aus einem anderen Grund heraus – er war radikal anders. Mit der Front eines Lola T600, einem selbst konstruierten Monocoque und jeder Menge Eigenwilligkeit verkörperte dieser Einzelgänger das letzte große Aufbäumen einer Legende.
Hinter dem Rennwagen stand Bob Akin. Bob Akin, Jahrgang 1936, aufgewachsen in Sleepy Hollow – ja, das gibt’s wirklich, nicht nur im Kino. Die Kleinstadt am Hudson River liegt keine 50 Kilometer von New York entfernt. In dieser gründete sein Großvater Robert Anfang des 20. Jahrhunderts die Hudson Wire Company. Sie stieg später zeitweise zum Weltmarktführer für Verkabelung in der Luft- und Raumfahrt auf – finanziell musste sich Akin also keine Sorgen machen.
Schon 1957 – da war Akin gerade 21 Jahre alt – versuchte sich der Amerikaner im Motorsport. Mehr als ein paar Sportwagenrennen wurden es aber nicht. Anschließend konzentrierte sich Akin auf sein Studium, erwarb einen Bachelor im Maschinenbau und sattelte anschließend einen Master in Betriebswirtschaftslehre drauf. Das war das Rüstzeug für den Einstieg in die Hudson Wire Company, deren Geschäftsführung Bob Akin 1974 übernahm. Etwa zur gleichen Zeit kehrte der Unternehmer auch in den Motorsport zurück.
Wiedereinstieg im historischen Motorsport!
Zuerst war es der historische Motorsport: Lotus Eleven, Cooper Monaco – echte Sportwagen-Klassiker. Ab 1978 war der Amerikaner dann auch wieder im zeitgenössischen Motorsport unterwegs. Nach einigen Einsätzen im Porsche 911 RSR und BMW 320 trat Akin noch im gleichen Jahr mit einem Porsche 935 in Le Mans an. Doch dort sah der Amerikaner im von Dick Barbour Racing eingesetzten Boliden die Zielflagge nicht. Ab 1979 trat Akin dann auch zu Hause in den USA regelmäßig mit dem 935 an.
1981 machte Akin ernst: Er stellte ein eigenes Team auf die Beine. Auch dieses setzte den Porsche 935 ein. Bob Akin gehörte zu den Kunden, die bei Kremer Racing in Köln einen 935 K3 orderten. Denn das Werk bot seit 1979 keine kompletten Fahrzeuge mehr an. Stattdessen übernahmen Experten wie Joest oder Kremer den Aufbau ihrer Rennwagen. Das war auch deshalb möglich, weil die damalige Gruppe 5 bei der Karosserie praktisch nur ein originales Dach und eine originale Windschutzscheibe vorschrieb.
1982 – Geburtsstunde des Porsche 935 L1
Das amerikanische Pendant zur Gruppe 5 war die GTX-Klasse. Sie bot ab 1978, was erlaubte Umbauten oder gar Neukonstruktionen betraf, sogar noch ein deutliches Stück mehr Möglichkeiten als ihre zwei Jahre ältere europäische Schwester. Auch das Dach durfte in der IMSA GTX geändert werden. Zudem ließ die IMSA größere Freiheiten bei Spoilern und Schürzen zu. Lange war auch in den USA der Porsche 935 das Auto, das die Spitze definierte. Auch Bob Akin setzte einen Kremer Porsche 935 K3/80 ein.
Doch ab 1981 ergänzte die IMSA ihr Reglement um eine neue, GTP getaufte Klasse für reine Prototypen. Bob Akin wusste, dass sich damit die Tage des Porsche 935 langsam gezählt haben würden. Chuck Gaa von GAACO (Gaa Automotive Concepts) erhielt den Auftrag zum Entwurf eines „Super-935“. Um die Aerodynamik zu verbessern, griff Gaa auf die Front eines Lola T600 zurück. Dazu entstand ein neues Alu-Monocoque. Fertig war der Porsche 935 L1 – ein Porsche im Geiste, aber ein echter Eigenbau.
Auf dem Papier sah der Porsche 935 L1 gut aus!
Gaa schöpfte das Reglement bis zum letzten Absatz aus. Die Windschutzscheibe und die Dachpartie stammten von einem serienmäßigen Porsche 930. Allerdings neigte der Konstrukteur das komplette Dach etwas ab, um die Frontscheibe flacher zu stellen. So entstand ein Hybrid aus GTP-Technologie und bewährter 935-Substanz – zu der Kraft und Zuverlässigkeit gehören. Doch der Bolide wurde erst im Mai 1982 fertig und feierte erst beim 8. Saisonlauf der IMSA sein Debüt.
Drei Wochen später trat der neue Rennwagen bereits in Le Mans an. Das war ambitioniert. Denn dem neuen 935 fehlte es bisher an Testkilometern. Trotzdem machte der L1 auf der Hunaudières-Gerade Eindruck – beim Topspeed gehörte er zur Spitzengruppe. Doch leider war das Rennen für Akin sowie seine Teamkollegen David Cowart und Kemper Miller bereits nach nur zwei Stunden beendet. Denn ein Defekt im Benzinsystem des Autos führte zum vorzeitigen Aus.
Kurzes Gastspiel: Der Porsche 935 L1 in der IMSA
Zurück in den USA ging es weiter. Akin und GAACO trieben dem L1 die Kinderkrankheiten aus. Beim IMSA-Rennen in Mid-Ohio belegten Bob Akin und Hurley Haywood Platz vier. In Road Atlanta – diesmal mit Derek Bell an Akins Seite – erreichte der Rennwagen einen guten siebten Platz. Doch nach nur sechs Einsätzen endete die Rennkarriere des Porsche 935 L1 bei den 500-Meilen-Rennen von Pocono mit einem Unfall. Bob Akin glaubte nicht mehr an die Zukunft des L1 und entschied, wieder mit dem Kremer Porsche 935 K3/80 anzutreten.
Zudem entstand der Porsche 935-84 bei Dave Klym (FABCAR) in Atlanta. Der L1 stand noch ein paar Jahre ausgemustert in der Werkstatt von Bob Akin Motor Racing. Erst 1999 – immerhin 17 Jahre nach dem letzten Renneinsatz – erwarb Jacques Rivard von Rivard Compétition den Rennwagen. Anschließend überholte G&S Autoworks die Technik des Rennwagens. Heute ist der 935 L1 eine Kuriosität der Porsche-Geschichte – und ein mutiger Versuch, der gegen das Ende einer Ära anfuhr.
Alle Renneinsätze des Porsche 935 L1 im Überblick:
Datum | Rennen | Piloten | Ergebnis |
---|---|---|---|
31.5.1982 | Lime Rock 1h | Bob Akin | DNF – 23. Platz |
20.6.1982 | 24 Stunden von Le Mans | Bob Akin, David Cowart und Kenper Miller | DNF – Der Rennwagen blieb ohne Benzin liegen. |
15.8.1982 | 6 Stunden von Mosport | Derek Bell und Bob Akin | Nur als T-car für den 935 K3/80 |
22.8.1982 | 500 Meilen von Road America | Bob Akin und Derek Bell | DNF – 33. Platz |
5.9.1982 | 6 Stunden von Mid-Ohio | Bob Akin und Hurley Haywood | 4. Platz |
12.9.1982 | 500 Kilometer von Road Atlanta | Akin und Derek Bell | 7. Platz |
26.9.1982 | 500 Meilen von Pocono | Derek Bell | DNF – 39. Platz |
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