Der Volksmund spricht gerne vom „Goldenen Oktober“. Eine Bezeichnung, die auch perfekt zum Oktober 1984 paßt. Denn mit zwei Rennen innerhalb eines Monats ging im Oktober die Saison 1984 der Formel 1-Weltmeisterschaft zu Ende. Fahrer und Fans sahen das nach Punkten engste Finale aller Zeiten. Denn am Ende gewann Niki Lauda mit einem halben Punkt Vorsprung den Titel.
Formel 1: Das historische Finale der Formel 1-Weltmeisterschaft 1984!
Nach dem Großen Preis von Italien im September ging Niki Lauda als Führender in den Finalmonat. 9,5 Punkte lag der Österreicher vor seinem Teamkollegen Alain Prost. Dahinter folgte mit einem Rückstand von mehr als 20 Punkten Elio de Angelis (Lotus Renault) auf dem dritten Platz der WM-Wertung. Womit klar war, dass der Titel 1984 an einem McLaren-Pilot gehen wird. Denn in den verbleibenden zwei Rennen konnte ein Pilot damals nur noch maximal 18 Punkte einfahren. Der deutliche Vorsprung unterstrich die Überlegenheit von McLaren TAG-Porsche, wo sich die Verantwortlichen schon seit Wochen über den Titel des Konstrukteur-Weltmeisters 1984 freuen durften.
Den Auftakt des Finalmonats sah die altehrwürdige Nürburg. Nach acht Jahren Pause kehrte die Königsklasse in die Eifel zurück. Doch anders als 1976 lief das Rennen nicht mehr auf der legendären Nordschleife. Schauplatz des Großen Preis von Europa 1984 war die erst im Mai 1984 eröffnete 4,5 Kilometer lange Grand Prix-Strecke. Damit fanden vor 40 Jahren erstmals innerhalb einer Saison zwei Formel 1-WM-Rennen in Deutschland statt. Vor dem Grand Prix in der Eifel gab BMW bekannt, in der kommenden Saison keine Motoren mehr an das ATS Racing Team liefern zu wollen. ATS-Teamchef Günter Schmid entließ den ehemaligen BMW-Junior Manfred Winkelhock im Gegenzug.
ATS kämpfte ums Überleben
Dessen Cockpit übernahm Gerhard Berger. Für Berger, zuvor in Österreich und Italien schon zweimal für ATS am Start, sprach, dass der Österreicher schon im zweiten Grand Prix Sechster wurde und das beste Ergebnis des Teams 1984 einfuhr. Da der bisher von Berger eingesetzte ATS nicht in der Weltmeisterschaft gemeldet war, bekam das Team für dessen sechsten Platz keinen Punkt in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Das kostete ATS viel Geld. Experten gehen davon aus, dass ein WM-Punkt damals rund eine halbe Million US-$ wert war. Denn auf Grundlage der Konstrukteurs-WM zahlte Bernie Ecclestone den Teams Mitte der 1980er-Jahre die Transportkosten-Zuschüsse aus.
Mit dem Wechsel Bergers ins punktberechtigte Auto wollte ATS-Chef Schmid die Chancen seines Teams verbessern, vom Preisgeld-Topf der Formel 1 zu profitieren. Den besten Startplatz sicherte sich auch am Nürburgring – mal wieder – Weltmeister Nelson Piquet im Brabham-BMW. An seiner Seite ging McLaren-Pilot Alain Prost ins Rennen. Der WM-Führende Niki Lauda kam in der Qualifikation nur auf den 15. Platz. Lauda hatte am Freitag technische Probleme. Am Samstag – damals gab es zwei Trainingssitzungen – gelang keine Verbesserung, da die Strecke nach einem kräftigen Regenschauer zu nass war. Da half auch nicht, dass Lauda im Nassen die zweitbeste Zeit fuhr.
Das Rennen am Nürburgring begann mit einem großen Knall!
In der ersten Kurve kollidierten Rückkehrer Ayrton Senna, der vom 12. Platz in Rennen ging, und Keke Rosberg, der das Rennen von Startplatz vier aufnahm. Auch Teo Fabi (Brabham BMW, Startplatz zehn) und Piercarlo Ghinzani (Osella-Alfa Romeo, Startplatz 20) berührten sich. Zudem fuhr Gerhard Berger mit seinem ATS-BMW ins Heck des Arrows-BMW von Marc Surer. Aus dem Kreis der Unfallgegner konnte nur Teo Fabi das Rennen fortsetzen. Für alle anderen an den Unfällen beteiligten Piloten war das Rennen bereits in der ersten Kurve zu Ende. Das half Niki Lauda, der mit seinem McLaren TAG-Porsche so schon in der ersten Kurve einige Plätze gewann.
Dieser Aufwärtstrend setzte sich in den nächsten Runden fort. Bereits in der fünften Runde drang Lauda auf Platz sechs vor. Vor Lauda lagen nur noch Alain Prost, Patrick Tambay, Nelson Piquet, Derek Warwick sowie die Ferrari-Piloten Michele Alboreto und Rene Arnoux. An dieser Reihenfolge sollte sich bis zur 43. Runde nichts ändern. Dann fiel Renault-Pilot Tambay mit technischen Problemen aus. Einige Zeit später riß ein defekter Auspuff auch dessen Teamkollegen Derek Warwick aus den Rennen. Am Ende siegte Alain Prost vor Michele Alboreto und Nelson Piquet. Niki Lauda betrieb mit Platz vier Schadenminimierung.
Position | Fahrer | Konstrukteur | Runden | Zeit |
1 | Alain Prost | McLaren-TAG-Porsche | 67 | 1:35:13,3 Stunden |
2 | Michele Alboreto | Ferrari | 67 | + 23,911 Sekunden |
3 | Nelson Piquet | Brabham-BMW | 67 | + 24,922 Sekunden |
4 | Niki Lauda | McLaren-TAG-Porsche | 67 | + 43,086 Sekunden |
5 | René Arnoux | Ferrari | 67 | + 1:01,430 Minuten |
6 | Riccardo Patrese | Alfa Romeo | 66 | + 1 Runde |
Der große F1-Showdown in Estoril!
Denn so ging Ex-Weltmeister Niki Lauda mit einem Vorsprung von 3,5 Punkten auf seinen Herausforderer Alain Prost ins Saisonfinale in Estoril. Das bedeutete, sollte Alain Prost das Rennen gewinnen, dann benötigt Lauda einen zweiten Platz, um sich seinen dritten Titel zu sichern. Im Training gelang erneut Nelson Piquet die besten Rude. Damit bestätigte der Brasilianer, dass der BMW-Motor zumindest auf eine Runde ein Vorteil war. Denn mit vollem Ladedruck und ohne Rücksicht auf den Benzinverbrauch stemmte das von einem Serientriebwerk abstammende Aggregat 1984 bis zu 1.200 PS Leistung auf seine Kurbelwelle.
An der Seite von Piquet ging WM-Kandidat Alain Prost ins Rennen. Kontrahent Lauda kam über Platz elf im Training nicht hinaus. Das sah nach einer Vorentscheidung für den Franzosen aus. Doch beim Rennen am Nürburgring bewies Lauda, dass ein Startplatz im Mittelfeld kein Beinbruch sein muss. Mit Platz drei im Training unterstrich Ayrton Senna erneut sein außergewöhnliches Potenzial. Senna trat in Portugal letztmals für Toleman an. Schon länger war klar, dass der Brasilianer im kommenden Jahr in einem Lotus sitzen wird. Als Strafe verzichtete Toleman in Italien auf die Dienste des Brasilianers. Doch Senna Vater Milton zahlte eine Ablöse und sein Sohn kehrte ins Cockpit zurück.
Das Rennen um den Großen Preis von Portugal 1984 ging in die Geschichte ein!
Am Start übernahm Alain Prost kurz die Führung, kam jedoch nur als Dritter hinter Keke Rosberg und Nigel Mansell aus der ersten Runde zurück. Erst in der neunten Runde übernahm Alain Prost die Führung und gab diese bis ins Ziel nicht mehr ab. Damit sah Alain Prost fast schon wie ein sicherer Weltmeister aus. Denn Niki Lauda fuhr nach 18 Runden noch außerhalb der Punkte auf dem siebten Platz. Doch bis zur 33. Runde passierte Lauda vier Piloten und war Dritter. Damit trennte den Österreicher nur noch eine Position vom dritten Titel. Zwischen Lauda und dem Abschluss eines unglaublichen Comebacks lag nun nur noch der Lotus von Nigel Mansell.
Fast zwanzig Runden hing der Österreicher hinter dem Briten fest. Doch das Schicksal meinte es gut mit dem Weltmeister der Jahre 1975 und 1977. Denn in der 51. von 70 geplanten Runden drehte sich Nigel Mansell aufgrund eines Bremsdefektes ins Aus. Kampflos enterte Lauda den zweiten Platz und gab diesen bis ins Ziel nicht mehr ab. Dort endete die Formel 1-Weltmeisterschaft 1984 mit dem historisch knappsten Vorsprung der Formel-1-Geschichte. Niki Lauda gewann seinen dritten Titel mit einem halben Punkt vor seinem Teamkollegen Alain Prost. Im Schatten dieser historischen Entscheidung sicherte sich Ayrton Senna Platz drei.
Pos. | Fahrer | Konstrukteur | Runden | Zeit |
1 | Alain Prost | McLaren-TAG-Porsche | 70 | 1:41:12,0 Stunden |
2 | Niki Lauda | McLaren-TAG-Porsche | 70 | + 13,425 Sekunden |
3 | Ayrton Senna | Toleman-Hart | 70 | + 20,042 Sekunden |
4 | Michele Alboreto | Ferrari | 70 | + 20,317 Sekunden |
5 | Elio de Angelis | Lotus-Renault | 70 | + 1:32,169 Minuten |
6 | Nelson Piquet | Brabham-BMW | 69 | + 1 Runde |
Was für eine Klasse im Oktober 1984 auf dem Podest stand!
Heute wissen wir, dass damit am 21. Oktober 1984 – aus heutiger Sicht – zehn WM-Titel und 117 Grand Prix-Siege auf dem Podest standen. Die drei Piloten, von denen heute nur noch Alain Prost lebt, zeichnete ein unfassbares Charisma aus. Das Podium in Portugal dürfte eines der Besten sein, das je nach einem Grand Prix das Rennen feiern durfte. Das Einzige, was an diesem Nachmittag vergleichsweise wenig Glanz versprühte, war die Tatsache, dass Ayrton Senna einen Toleman-Hart steuerte. Denn das Team des Transportunternehmers Ted Toleman galt – nach Vertragsstreitereien über Reifen, der Sperre für Senna und ohne Werkspartner – als „Schmuddelkind“ der Königsklasse.
Was passierte sonst noch im Oktober 1984 im Motorsport?
Die Rallye-Weltmeisterschaft trat Anfang Oktober 1984 bei der Rallye Sanremo an. Der WM-Lauf in Italien galt damals als anspruchsvoll. Denn die Mischung aus Asphalt und Schotter verlangte den Fahrern und ihren Fahrzeugen alles ab. Schließlich war es nicht möglich, mit einer reinen in Italien Asphalt-Abstimmung anzutreten. Genauso wenig sinnvoll war, mit einer reinen Schotter-Abstimmung zu fahren. Das erforderte von allen Teilnehmern einen Kompromiss bei der Fahrzeugabstimmung. Rallye-Freunde wissen, dass das in der Regel für Spannung sorgt. Doch im Oktober 1984 kam diese nur zeitweilig auf.
Denn am Ende gewannen – wie schon im August in Finnland – erneut Ari Vatanen und Terry Harryman. Das finnisch-britische Duo war mit dem damals neuen Peugeot 205 Turbo 16 unterwegs. Ihr unter der Regie von Peugeot-Motorsport-Chef Jean Todt entstandenes Fahrzeug unterstrich mit seinem zweiten WM-Sieg in Folge, dass die Techniker dem 205T16 erfolgreich die Kinderkrankheiten ausgetrieben hatten. Auf den Platzen zwei und drei kamen zwei Lancia Rally 037 in Ziel. Der zweite Platz von Attilio Bettega, dem Maurizio Perissinot den Weg wies, war der größte Erfolg des Italieners in der Rallye-Weltmeisterschaft.
Mario Andretti oder Tom Sneva – wer sichert sich den CART-Titel 1984?
In Nordamerika gewann Bobby Rahal im Oktober 1984 zwei Läufe der „PPG Indy Car World Series“. Die CART-Serie galt als amerikanisches Gegenstück zur Formel 1, die damals noch hauptsächlich in Europa fuhr. Mit den Siegen beim „Stroh’s Bobby Ball Memorial 150“ auf dem Phoenix International Raceway und beim „Quinn’s Cooler 300K“ in Laguna Seca sicherte sich der Amerikaner den dritten Platz in der Meisterschaftswertung. Gleichzeitig nahm Rahal, der für Truesports einen March steuerte, seinem Markenkollegen Tom Sneva wichtige Punkte weg. Denn Sneva kam auf dem Oval von Phoenix „nur“ als Vierter ins Ziel.
In Laguna Seca sprang sogar nur der zehnte Platz für Sneva heraus. Besser machte es Ex-Formel 1-Weltmeister Mario Andretti. Der in Italien geborene Amerikaner kam bei beiden Rennen als Dritter ins Ziel. Damit hatte Andretti vor dem im November anstehenden Finale 160 Meisterschafts-Punkte. Tom Sneva hatte als Zweiter der Meisterschaft vor dem Finale 142 Punkte. Bobby Rahal lag mit 131 schon zu weit zurück, um noch ein Wort um den Titel mit reden zu können. Denn bei einem CART-Lauf waren damals maximal 22 Punkte zu gewinnen. Weshalb Mario Andretti als Favorit auf den Titel den Oktober 1984 beendete.