Rennsport-Geschichten

Rückspiegel: Wie der Peugeot 205 Turbo 16 vor 30 Jahren eine Zeitenwende auslöste

Entstanden ist dieses Auto-Blog, weil ich gern mein Interesse am historischen Motorsport mit anderen teile. Leider hatte ich in den vergangenen vier Wochen nicht die Zeit, um mich dem Blog so zu widmen, wie ich das gerne möchte. Deshalb muss ich noch ein paar Dinge aufarbeiten. Dazu gehört auch der Rückblick auf den ersten Erfolg des Peugeot 205 Turbo 16 in der Rallye-Weltmeisterschaft.

In dieser Woche liegt dieser Erfolg 30 Jahre zurück. Der Erfolg des kleinen Franzosen war mehr als „nur“ ein Wachwechsel bei dem Peugeot Audi als Platzhirsch der Rallye-Szene verdrängte. Peugeot hatte die Idee Allrad in der Rallye-Weltmeisterschaft von Audi aufgenommen und konsequent weitergedacht. Während sich Lancia, Toyota, Mazda, Nissan, Opel und Renault sich der Herausforderung Quattro (noch) mit konventionellen Fahrzeugen stellten, konterte Peugeot mit einem echten Sportgerät.

Es war der Startschuss für ein unvergleichliches Wettrüsten

Denn die Franzosen legten unter der Regie ihres damaligen Sportleiters Jean Todt als Erste die Möglichkeiten des Gruppe-B-Reglements konsequent aus. Der Urquattro von Audi war 1980 zunächst nicht mehr die Allradversion des zeitgleich vorgestellten Audi Coupé. Für den Motorsporteinsatz in der damaligen Gruppe 4 wurden 400 Exemplare benötigt. Audi baute in den Anfangsjahren rund 2.000 Stück pro Jahr. Bis 1991 entstanden mehr als 11.000 Urquattro. Schon 1981 nahm Audi an der Rallye-Weltmeisterschaft teil.

Dort trafen die Deutschen auf Fahrzeuge wie den Fiat 131 Abarth, den Opel Ascona 400 oder den Ford Escort RS – Heckschleudern mit Saugmotoren. Einziger Exot im Feld war der futuristische Lancia Stratos HF, der Anfang der 1970er-Jahre als erstes Fahrzeug konsequent für den Rallye-Einsatz konstruiert wurde. Doch der teure Keil fuhr längst auf dem Abstellgleis. Nur noch Privatfahrer setzten den Stratos von Zeit zu Zeit ein. Aus Kosten- und Marketinggründen konzentrierte sich Lancia-Mutter Fiat seit Ende der 1970er-Jahre auf den Einsatz des Fiat 131 Abarth.

Peugeot ging als Erster einen anderen Weg

Anfang 1982 hatte die FIA die Regeln geändert. An die Stelle der Gruppe 4 trat die Gruppe B. Statt 400 Homologationsexemplaren reichten jetzt 200 Stück. Dazu führte die FIA die sogenannte Evolution ein. Einmal pro Jahr durften die Hersteller Weiterentwicklungen nachhomologieren, wenn sie den Bau von 20 Exemplaren nachwiesen. Das ermöglichte im Rallye-Sport – genauso wie Jahre später in der DTM – ein gnadenloses Wettrüsten. Denn Peugeot konstruierte als Erster zunächst das Wettbewerbsfahrzeug und leitete davon die Homologationsversion 205 Turbo 16 (T16) ab.

Peugeot 205 Turbo 16 E2
Peugeot 205 Turbo 16 E2 (Foto: Peugeot)

Deshalb hatten die 200 Homologationsexemplare wenig mit dem Alltags-205er zu tun. Der Karosseriebauer Heuliez trennte für den T16 von zweitürigen Serienkarosserien die Heckpartie ab. Zwischen die B-Säulen setzte der Karosseriebauer eine Schottwand. Anschließend fügten die Franzosen in einer Mischbauweise aus Pressblech-Kastenprofilen und Rohren Überrollbügel und Heckrahmen an. Darüber stülpten sie eine Kunststoffkarosserie, die die Form des Serienmodells aufnahm.

1984 entstanden 200 Exemplare, die anschließend Talbot (Simca) vervollständigte. Bis auf das erste Fahrzeug alle identisch ausgestattet und in anthrazitgrauer Metalliclackierung lackiert. Den Erstling lackierte Peugeot in der typischen Wettbewerbslackierung des Hauses weiß mit abgesetzten blauen und gelben Streifen. Er feierte zusammen mit dem Serien-205er Premiere. Zeitgleich mit den Homologationsexemplaren entstanden bei Peugeot Talbot Sport weitere 20 Evolutionsmodelle. Das war erlaubt. Die Verantwortlichen hatten diese Idee nicht gesehen und deshalb nicht verboten.

Die FIA inspizierte sie am gleichen Tag wie die 200 „Serienmodelle“, woraufhin Peugeot von Anfang an mit einem Evolutionsmodell an den Start ging. Sein Debüt feierte der Peugeot 206 Turbo 16 im Mai 1984 bei der Tour de Corse auf Korsika. Damals die Mutter aller Asphalt-Rallyes und mit gefühlten 10.000 Kurven gesegnet. Starpilot Ari Vatanen war von Anfang an bei der Musik. Zeitweise übernahm der Finne die Führung. Am letzten Rallye-Tag verhinderte ein Überschlag die Sensation. Drei Monate sprang Vatanen im heimischen Finnland mit dem T16 zum ersten Sieg. Als der Finne anschließend die Läufe in San Remo und Großbritannien gewann, war der Wachwechsel in der Rallye-Weltmeisterschaft vollzogen.

Peugeot hatte Audi von der Spitze verdrängt und die Lunte gezündet

In Ingolstadt gab es bereits den verkürzten Audi Sport Quattro. Auch der Kurze debütierte auf Korsika. Doch trotz des verkürzten Radstands und des deutlich überarbeiteten Turbomotors konnte der Sport Quattro seine Wurzeln nicht verleugnen. Audi konterte mit mehreren Evolutionsmodellen in kurzer Folge und einem Ausnahmekönner wie Walter Röhrl am Lenkrand.

Peugeot sicherte sich mit Timo Salonen überlegen den WM-Titel 1985. Andere Hersteller folgten dem Beispiel der Franzosen. Lancia stellte den Lancia Delta S4 vor. Genauso wie der Ford RS200 und der MG Metro 6R4 entstand auch der Lancia nach dem Vorbild von Peugeot zunächst das Rallye-Gerät. Aus dem Wachwechsel an der Spitze war eine Zeitenwende geworden.

Ari Satanen 1984 mit seinem Peugeot 205 Turbo 16
Ari Satanen 1984 mit seinem Peugeot 205 Turbo 16 (Foto: Peugeot)

Mit wilden Evolutionsmodellen steigerten die Hersteller in kurzer Zeit das Tempo auf den Rallye-Pisten. Schon beim dritten WM-Lauf des Jahres 1986 in Portugal kam es zur Katastrophe. Der Portugiese Joaquím Santos raste ungebremst in eine an der Strecke stehende Zuschauergruppe. Nach drei Toten und 33 Verletzten zog sich Audi sofort von der Rallye zurück. Formel 1 Pilot Marc Surer verunglückte bei der Hessen-Rallye schwer. Sein Beifahrer Michael Wyder starb, als der Ford RS200 in Flammen aufging.

Bei der Tour de Corse kam Rallye-Superstar Henri Toivonen mit seinem Lancia Delta S4 von der Strecke ab. Der Lancia prallte gegen einen Baum und fing ebenfalls sofort Feuer. Toivonen und sein US-amerikanischer Beifahrer Sergio Cresto konnten sich nicht aus dem Wrack befreien. Die FIA reagierte sofort, schrieb die Rallye-Weltmeisterschaft 1987 für die Fahrzeuge der bodenständigen Gruppe A aus.

Damit vollzog die FIA eine beispiellose Kehrtwende. Vor den Unfällen der Saison 1986 war der Umstieg auf die Gruppe S das Ziel der FIA. Obwohl die FIA die Leistung der Gruppe S im Rallye-Sport auf 300 PS begrenzen wollte, wären dabei noch extremere Fahrzeuge entstanden. Denn zu Homologation als Gruppe S Fahrzeug hätten ab 1988 zehn gebaute Autos gereicht.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!