Heute vor 20 Jahren verunglückte Michele Alboreto bei Testfahrten am Lausitzring tödlich. Nach einem Reifenschaden überschlug sich der von Alboreto gesteuerte Audi R8 mehrfach. Der italienische Rennfahrer verstarb noch an der Unfallstelle. Zum 20. Jahrestag des Unglücks erinnern wir an Michele Alboreto.
Mit dem tödlichen Unfall endete die bereits ein Vierteljahrhundert fortgeschriebene Motorsport-Karriere des Rennfahrers aus Mailand vorzeitig. Ihren Anfang nahm alles bereits 1976, als Alboreto mit 19 Jahren in der Formula Monza antrat. Das Besondere am Karrierestart war zunächst das Auto. Denn den Rennwagen der Scuderia Salvati konstruierten und bauten die Studenten einer Hochschule. Weil einer von ihnen das Fahrzeug auch steuern musste, stieg ein Kommilitone, der bereits eine Motorrad-Rennen gefahren war, auf vier Räder um. Damit war Michele Alboreto Rennfahrer.
Zwei Jahre traten Student und Hochschulteam in der Formula Monza 875 an, dann stieg der Pilot in die Formula Italia auf. Die Schule dieser Serie durchliefen zuvor bereits Rennfahrer wie Gianfranco Brancatelli, Bruno Giacomelli oder Siegfried Stohr. Im Formula Italia-Team von Mario Simone Vullo gewann Alboreto schon im ersten Jahr in der neuen Rennklasse ein Rennen. Am Jahresende sprang der vierte Platz der Meisterschaftswertung Formula Italia heraus.
Damit war Alboreto 1978 mit Abstand der beste Neueinsteiger. Das ermöglichte dem Nachwuchsfahrer noch in gleichen Jahr die ersten Starts in der Formel 3, wo Alboreto ebenfalls sofort überzeugte. Giampaolo Pavanello, der unter dem Namen Euroracing ein professionelles Formel-3-Team betrieb, bot dem Nachwuchspiloten sofort einen Vertrag an. An der Seite des erfahrenen Teamkollegen Piercarlo Ghinzani stieg Alboreto bereits 1979 in die Formel-3-Europameisterschaft ein. Zudem bot Pavanello dem inzwischen diplomierten Wirtschaftsingenieur die Möglichkeit, weitere Formel-3-Erfahrung in der italienischen Meisterschaf zu sammeln.
1980 gewinnt Michele Alboreto die Formel-3-Europameisterschaft
In der heimischen Meisterschaft sprang – hinter dem Teamkollegen Ghinzani – bereits im Debütjahr Platz zwei heraus. Und auch in der EM sorgte der italienische Nachwuchspilot für Aufsehen. Denn bereits beim Debüt in Vallelunga stellte Alboreto seinen Boliden auf die Pole Position. Ein Kunststück, dass der Italiener beim vierten Saisonlauf in Magny-Cours wiederholte. Damit war allen klar, dass hier ein Rennfahrer mit Zukunft im Cockpit von Euroracing sitzt.
Trotzdem ging Thierry Boutsen 1980 als Favorit in die Formel-3-Europameisterschafts-Saison. Denn der Belgier saß im Martini MK31 Toyota des französischen Oreca-Teams. Das galt, da waren sich alle Beobachter vor der Saison sicher, als die stärkere Paarung. Denn die Ecurie ORECA war das offizielle Werksteam des Rennwagen-Bauers Automobiles Martini. Boutsen gewann tatsächlich drei der ersten vier Saisonrennen. Doch dann holte Alboreto auf und fuhr schließlich überlegen zum Titel.
Michele Alboreto fährt gleichzeitig Formel 1, Formel 2 und Sportwagen-WM!
Bereits parallel zum Engagement in der Formel-3-Europameisterschaft trat Alboreto für Lancia in der Sportwagen-Weltmeisterschaft an. Zusammen mit Riccardo Patrese, Eddie Cheever und Walter Röhrl teilt sich der Nachwuchsrennfahrer das Cockpit des Lancia Beta Montecarlo. Das ist auch finanziell lukrativ. Doch es ist schließlich der EM-Titel der Formel 3, der Michele Alboreto gerade mal fünf Jahre nach dem ersten Auto-Rennen den Wechsel in Königsklasse des Motorsports ermöglicht.
Schon 1981 sitzt Alboreto im Tyrrell-Ford. Das Team des britischen Holzhändlers Ken Tyrrell gilt damals als Nachwuchsschmiede. Denn die ganz großen Erfolge des Teams lagen bald ein Jahrzehnt zurück. Doch für Michele Alboreto war dieses Formel-1-Cockpit der perfekte Übungsraum. Denn hier kann sein Talent in Ruhe reifen. Schließlich weiß der knorrige Teamchef die Leistungen seines Debütanten richtig einzuschätzen. Alboreto übernimmt das Cockpit beim vierten Saisonlauf. Zuvor mühten sich Kevin Cogan und Ricardo Zunino ohne nennenswerten Erfolg mit dem Tyrrell 010 ab. Debütant Alboreto stellt den Tyrrell meist ins Mittelfeld und fährt solide Rennen.
Sieg beim Caesars Palace Grand Prix 1982
Das überzeugt Ken Tyrrell, der Italiener darf auch 1982 für Tyrrell am Lenkrad drehen. Schon beim Rennen in San Marino springt ein Podestplatz heraus. Doch es ist der Höhepunkt des FISA-FOCA-Kriegs. Deshalb boykottiert die Mehrzahl der Teams das Rennen in Imola, das schmälert den Erfolg von Team und Fahrer etwas. Trotzdem bleibt der Erfolg ist keine Eintagsfliege. Denn schon vor dem Boykott-Rennen sammelte Alboreto für Tyrrell erste WM-Punkte. Und die Reise ist noch lange nicht zu Ende. Beim Saisonfinale auf den Parkplatz des Caesars Palace Hotels feiert Michele Alboreto im Tyrrell seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Es ist der erste Sieg für Tyrrell seit dem Erfolg von Patrick Depailler 1978 in Monaco.
Mit dem Sieg in Las Vegas erweist Amerika für Michele Alboreto wieder einmal als gutes Pflaster. Denn ein Jahr zuvor gewann der Italiener an der Seite von Riccardo Patrese in Watkins Glen mit dem Lancia bereits einen Lauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Überhaupt ist Alboreto 1981 ein echter Vielfahrer. Denn neben dem Engagements bei Tyrrell und Lancia findet Alboreto noch Zeit, für Minardi ein Vollzeitprogramm in der Formel-2-Europameisterschaft zu fahren. Hier gewinnt der Italiener den EM-Lauf in Misano. Ein beeindruckendes Programm, das selbst in einer Zeit, als viele Piloten in mehreren Serien gleichzeitig antraten, ungewöhnlich war.
Michele Alboreto bleibt lange ein Vielfahrer
Auch 1982 fährt Michele Alboreto nicht nur in der Formel 1 für Tyrrell, sondern tritt auch weiterhin bei Sportwagen-Rennen für Lancia an. Im offenen Lancia LC1 gewinnt Alboreto drei WM-Läufe. Doch der Gruppe-6-Bolide fährt in der Weltmeisterschaft nur ohne Wertung mit. Denn dort gewinnen nur die neuen Gruppe-C-Rennwagen Punkte. Lancia schielt auf den Sieg in Le Mans, scheitert beim großen Rennen in Frankreich aber an technischen Defekten. Im Sommer gewinnt Michele Alboreto bei Tyrrell seinen zweiten Grand Prix. Es ist ein Erfolg für die Geschichtsbücher. Denn es ist der letzte Grand-Prix-Sieg für Tyrrell und den klassischen Cosworth DFV.
Nach diesem erfolgreichen Start in der Königsklasse wechselt Alboreto 1984 als doppelter Grand-Prix-Sieger zu Ferrari. Im Team von Enzo Ferrari gewinnt Alboreto drei weitere Grand Prix, sichert sich 1985 auch den Titel des Vize-Weltmeisters. Doch Ferrari ist in diesen Jahren kein Spitzenteam mehr. Das Märchen eines Italieners, der im Ferrari zum Titel fährt, bleibt ungeschrieben. Zumal Gerhard Berger, der ab 1987 ebenfalls im Ferrari sitzt, Alboreto bald klar die Grenzen aufzeigt. Denn Berger gewinnt schon 1987 zwei Grand Prix und sichert sich 1988 hinter den überlegenen McLaren Platz drei in der Formel 1-Weltmeisterschaft.
Der Ferrari-Vertrag läuft Ende 1988 aus!
Nach dem Auslaufen des Ferrari-Vertrags wird es schwierig, denn kein Spitzenteam zeigt Interesse, Alboreto ein Cockpit anzuvertrauen. Deshalb kehrt Alboreto zu Tyrrell zurück. Doch das Team wird von der Zigarettenmarke Camel unterstützt, der Rennfahrer hat einen persönlichen Vertrag mit Marlboro. Zudem entzweit sich Michele Alboreto mit Teamchef Ken Tyrrell. Deshalb scheitert die Wiedervereinigung schon im Sommer. Alboreto setzt zwei Rennen aus, um bei Larrousse ins Feld zurückzukehren. Doch im Team des ehemaligen Renault-Sportdirektors scheitert Alboreto mehrfach an der Qualifikationshürde, weshalb es nicht zu einer weiteren Zusammenarbeit kommt.
Doch Michele Alboreto findet 1990 bei Arrows ein neues Cockpit. Das britische Team gehört in diesen Jahren zum japanischen Footwork-Konzern des Unternehmers Wataru Ohashi. Mit dessen Geld sichert sich Arrows 1991 einen Zwölfzylinder von Porsche. Doch das Projekt scheitert. Porsche hat die Königsklasse unterschätzt und zieht sich während der laufenden Saison zurück. Arrows wechselt zunächst zu Motoren von Ford, um 1992 mit Triebwerken von Mugen anzutreten. Nach zwei punktlosen Jahren sichert Michele Alboreto dem Team jetzt immerhin sechs WM-Punkte.
Trotzdem hat der Italiener nun auch bei Arrows / Footwork keine Zukunft mehr. Dank des Gelds von Marlboro findet sich 1993 ein Cockpit bei der Scuderia Italia. Doch das Team zieht sich noch vor Saisonende aus der Formel-1-Weltmeisterschaft zurück. Wobei das Team formal mit der Scuderia Minardi fusioniert. Weshalb Michaele Alboreto 1994 zu Minardi wechselt. Es ist das letzte Formel 1-Team für das der in Monte Carlo leben Italiener startet. In Monaco zieht der Routinier für das Team mit Platz sechs sogar einen Punkt an Land. Doch langsam hat auch der Dauerläufer keine Lust mehr auf die Königsklasse. Nach 14 Jahren und 194 Grand Prix beendet Michele Alboreto am Ende des Jahres seine Formel 1-Karriere.
Auf die Formel 1 folgen DTM, IndyCars und Sportwagen!
Nach dem Ausstieg aus der Königsklasse des Motorsports wechselt Michele Alboreto in die DTM/ITC, wo Alfa Romeo ein Cockpit anbietet. Doch die teure Meisterschaft mit hochgestochenen Tourenwagen scheitert am Ende des Jahres. Deshalb stehen in der Vita von Michele Alboreto nur 20 DTM/ITC-Rennen. Der Italiener orientiert sich neu und tritt 1996 und 1997 in der Indy Car Szene an. Zudem fährt Alboreto in beiden Jahren für Joest in Le Mans, gewinnt 1997 das prestigeträchtige 24-Stunden-Rennen.
Nach einem Jahr im Porsche 911 GT1 gehört Michele Alboreto ab 1999 zum Fahrerkader bei Audi. 2000 gewann Alboreto zusammen mit Allan McNish und Rinaldo Capello im Audi R8 das Petit Le Mans in Road Atlanta. Auch 2001 begann mit einem Erfolg. Denn Alboreto sichert sich mit Capello sowie Laurent Aiello den Sieg bei den 12-Stunden von Sebring. Damit gilt die Mannschaft auch in Le Mans als Favorit. Doch der Unfall beim Test auf dem Dekra-Testoval am Lausitzring beendet den Traum. Audi Sport testete hier für die anstehenden 24-Stunden von Le Mans. Wo übrigens zeitgleich auch Bentley testete. Offiziell bestätigt wurde das nie. Doch Ian Bamsey listet in seinem wunderbaren Buch Bentley At Le Mans den Test auf.
Das Unglück in der Lausitz
Für Audi übernahm Michele Alboreto den Testjob. Der Italiener hatte gerade Zeit. Zudem wollte Audi Sport allen Piloten möglichst die gleiche Einsatzzeit geben. So nahm das Schicksal seinen Lauf. Nach einem schleichenden Plattfuß am linken Hinterreifen kam der Audi R8 Sport auf der langen Gerade von der Strecke ab. Besonders tragisch war, dass Audi damals bereits an Sensoren arbeitete, um den Reifendruck während der Fahrt zu messen. Doch im Unfallfahrzeug waren diese noch nicht aktiv beziehungsweise noch nicht mit der Telemetrie verbunden. Wie weit der Stand der Entwicklung schon war, darüber sind sich die Zeitzeugen heute nicht ganz einig.
Nach dem Druckverlust des Reifens war Michele Alboreto nur noch Passagier. Der offene Sportwagen prallte rechts gegen einen Zaun und überschlug sich mehrfach. Erst nach gut 100 Metern kam das Wrack zum Stillstand. Die folgenden Ermittlungen ergaben, dass der Rennfahrer bereits beim Aufprall verstarb. Michele Alboreto hinterließ neben seiner Ehefrau Nadia zwei Töchter. Mit dem italienischen Rennfahrer verstarb ein vielseitig interessierter Mensch, der sich in seiner Freizeit besonders gern Blues-Musik hörte. Bis heute ist Michele Alboreto in der Motorsport-Szene wegen seiner sympathischen und zuvorkommenden Art unvergessen.