von Tom Schwede am 11.08.2025

Zeitreise auf Rädern: Wie die Classic Days die Geschichte des VW Käfer erzählten

Wie soll man die Geschichte des Volkswagen Käfer auf einem Oldtimer-Festival erzählen? Man könnte einen Vortrag halten. Oder einfach einige Autos zeigen. Man kann sie aber auch fahren lassen, so wie es die Motor Klassik bei den Classic Days tat. Denn sie brachte einen Leser-Lauf auf die Strecke am Rittergut Birkhof, der wie ein Zeitstrahl auf Rädern wirkte.

Zwei der Volkswagen aus der Grundmann-Sammlung.

Zwei der Volkswagen aus der Grundmann-Sammlung. Sie waren den Classic Days Teil der Sonderläufe, die die Geschichte den Käfers würdigten.

Kein Auto verkörpert deutsche Automobilgeschichte so eindrucksvoll wie der Käfer. In seiner fast unverändert wirkenden Silhouette spiegelt sich dennoch eine stetige, leise Weiterentwicklung. Genau diese Vielfalt präsentierten die Leserläufe der Motor Klassik bei den Classic Days. Die Spannweite der ausgeführten Käfer deckte die gesamte Modellgeschichte von den Anfängen in den 1930er-Jahren bis zum Ende der Käfer-Produktion 2003 in Mexiko ab.

Vom Mercedes-Prototyp zum Nachkriegs-Alltag

Den Auftakt machte ein Käfer, den vor noch zehn Jahren niemand erwartete. Denn zum Leserlauf gehörte einer der Käfer-Prototypen, die 1936 und 1937 bei Mercedes-Benz entstanden. Dort ließ Ferdinand Porsche dreißig Exemplare fertigen, um seinen Entwurf unter realen Bedingungen zu erproben. Vom Volkswagen-Werk in Fallersleben, wie es damals hieß, lag war zu dieser Zeit noch nicht einmal der Grundstein.

Lange glaubten Käfer-Fans, keiner dieser Prototypen habe den Zweiten Weltkrieg überstanden. Die Nachbauten in der Sammlung von Volkswagen basieren auf einem jüngeren Käfer. Doch vor einigen Jahren tauchten in Österreich die Reste eines frühen VW Kübelwagens auf. Familie Grundmann aus Hessisch Oldendorf, in der Szene als absolute Käfer-Instanz bekannt, nahm sich des Fundes an. Sie erkannte sofort, dass sich der Plattformrahmen von bekannten Mustern unterschied.

Die Frage nach dem Grau

Dies war der Prototyp mit der Seriennummer 26. Als VW abwinkte, baute Familie Grundmann das Fahrzeug wieder auf. Heute präsentiert sich Nummer 26, wie Christian Grundmann bei den Classic Days schätzte, zu mehr als neunzig Prozent im Zustand von 1937. Mit welcher Sorgfalt der Wiederaufbau geschah, zeigt ein Detail: Von den Prototypen existieren nur Schwarzweißaufnahmen, die grau lackierte Fahrzeuge zeigen. Welcher Farbton das genau war, blieb zunächst unklar.

VW-Prototyp Nummer 26

Anders als bei den späteren Serienmodellen fehlte den Prototypen des Käfers, die 1936/37 entstanden, noch eine richtige Heckscheibe. Die damit verbundene schlechte Sicht gehörte zu den Erkenntnissen der Dauererprobung. Ferdinand Porsche besserte nach und spendierte dem Serienmodell eine Heckscheibe.

Die Antwort fand sich in Stuttgart. Denn Daimler-Benz bot ab 1934 mit dem Mercedes-Benz 130 (W34) ein Heckmotor-Fahrzeug ab. Wahrscheinlich entstanden die Prototypen des KdF-Wagens in der Nähe dieser Produktion. Also suchten die Grundmanns einen erhaltenen Mercedes und wurden fündig. Der Wagen war zwar neu lackiert, doch unter der späteren Schicht fand sich das originale Grau. Eine Probe wurde freigelegt, analysiert und nachgemischt.

Als die Post rot war

Kurz nach dem Dauertest des Ur-Käfers entwickelte Ferdinand Porsche aus dem KdF-Wagen den VW Typ 82, den Kübelwagen. Er deckte vor allem den Bedarf der Wehrmacht. Denn während 1940/41 nur rund tausend klassische Käfer das Werk verließen, entstanden bis 1945 über fünfzigtausend Kübelwagen. Sie gingen jedoch – anders als oft angenommen – nicht ausschließlich an das Militär, sondern auch an die Post und an andere Betriebe der öffentlichen Versorgung.

Zu den Nutzern gehörte auch die damalige Reichspost. Sie profitierte bereits seit den 1920er-Jahren vom technischen Fortschritt und übernahm zusätzlich Aufgaben in Telefonie, Telegrafie und Rundfunk. Um diesen Modernisierungsschub zu unterstreichen, löste sie sich vom traditionellen Geld, das aus der Zeit der Postkutschen stammte. Für ihren neuen Fernmeldedienst wählte sie Rot als Signalfarbe, gut sichtbar und zugleich Symbol für Aufbruch.

Vom Brezel bis zur großen Scheibe

Ein roter zweisitziger Reichspost-Kübel, der auch aus der Sammlung der Familie Grundmann stammte, erinnerte bei den Classic Days an diese Epoche. Er zeigte zugleich, wie vielfältig der Käfer schon in seinen frühen Jahren genutzt wurde. Der Aufstieg zum Symbol des westdeutschen Wirtschaftswunders begann schließlich im Dezember 1945. Die Briten, die die Wiederaufnahme anstießen, benötigten Behördenfahrzeuge für den Neuaufbau der Verwaltung.

Doch schon am 8. August 1947 startete Ben Pon Senior den Export in die Niederlande. Noch im gleichen Jahr gingen 51 Exemplare in das Land der Deiche, Tulpen und Windmühlen. Und auch in Deutschland nahm der Absatz bald Fahrt auf. Der klassische Käfer begann mit dem „Brezel“, jener Heckscheibe mit Mittelsteg, die auch bei den Classic Days zu sehen war.

Das Armaturenbrett erzählt mit

Im März 1953 löste das Ovalfenster das „Brezel“ ab. Viereinhalb Jahre darauf erschien die große, fast rechteckige Heckscheibe. Auch die Frontscheibe veränderte sich: Ab August 1964 wuchs auch ihr Maß etwas an, ab August 1972 erhielt der VW 1303 die stark gewölbte Panorama-Scheibe. So konnten die Besucher der Classic Days Schritt für Schritt nachvollziehen, wie Modellpflege Komfort und Sicherheit verbesserte.

Innenraum VW Kübelwagen Reichspost

Innenraum des VW Kübelwagens von der Reichspost

Spätestens mit der Panorama-Scheibe erreichte der Käfer technisch seine Konkurrenz, ohne seine Form zu verlieren. Auch der Innenraum wandelte sich vom schlichten Blech mit wenigen Schaltern zum gepolsterten Sicherheitsarmaturenbrett. Dennoch blieb immer etwas von der puristischen Schlichtheit erhalten, die den Charme des Kleinwagens ausmacht.

Offene Käfer: Karmann und Hebmüller

Viele Besucher freuten sich über Details, die sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten. Dazu zählten Zugschalter, Winker oder das steil stehende Lenkrad. Auch Cabriolets fehlten nicht. Mehrere Karmann-Cabrios zeigten, wie stilvoll sich ein Käfer öffnen lässt. Eine besondere Rarität war ein Hebmüller-Cabrio, eine elegante Variante aus Wülfrath, die nur 1948/149 gebaut wurde und heute zu den begehrtesten Käfer-Versionen zählt.

Von dieser Präsentation bleibt so mehr als nur der Anblick von Blech und Chrom. Der Käfer ist ein Stück kollektives Gedächtnis, erzählte nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch die unserer Gesellschaft. Denn der Käfer ist lebendige Geschichte. So bleibt am Ende nur die Frage, wie alt ist der Käfer eigentlich? Bei den meisten Autos gilt der Produktionsstart oder die Messepremiere als Geburtstag. Beim Käfer ist das nicht so einfach.

90 Jahre Käfer?

Denn die Entwicklung begann 1935 mit drei Prototypen, die in der Garage von Ferdinand Porsche entstanden. Ein Jahr später folgte die Serie der 30 Prototypen. Kurz danach fiel die Entscheidung zum Bau des Volkswagenwerks. 1938 berichtete die Presse weltweit über den KdF-Wagen und das dazugehörende Sparprogramm. Denn vorgesehen war, dass Sparer über die Deutsche Arbeitsfront Marken erwerben konnten, um den Wagen vorzufinanzieren.

In einem dieser Berichte prägte die New York Times den Spitznamen „Käfer“. Doch da KdF, DAF und das Kriegsjahr 1941 für Jubiläen wenig geeignet sind, legte VW bereits 1985 fest, dass der Käfer 1935 „geboren“ wurde. Damals feierte das Sondermodell „Jubi-Käfer“ den 50. Geburtstag des VW Käfers. Und dieser Tradition folgend, feierte der Leserlauf der Motor Klassik nun den 90. Geburtstag des Volkswagens.


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